Der bunte, vielfältige Anleihengarten

Der Anleihemarkt ist vielfältig und bunt. Wie in einem Garten sieht Graeme Caughey, Head of Pan Euro Macro von Aberdeen Asset Management, dabei pflegeleichte, anspruchsvolle und sehr ertragreiche Sorten, von denen man gerne etwas mehr oder auch etwas weniger haben möchte.

29.06.2016, 10:03 Uhr

Redaktion: jog

Wir stellen uns den Anleihenmarkt gerne als vielfältige bunte und interessante Anlageklasse vor, in der Anleger nicht nur Erträge und Kapitalzuwächse ernten können, sondern die ihnen auch die Steuerung ihrer Verbindlichkeiten ermöglicht.

Stellen Sie sich den Anleihenmarkt als Garten vor. Der Rasen besteht aus deutschen Bundesanleihen und deutschen inflationsindexierten Anleihen. Genauso wie der Rasen sozusagen das Fundament eines jeden Gartens ist, sind Bundesanleihen und inflationsindexierte Anleihen das Fundament eines festverzinslichen Portfolios.

Die Bäume könnte man mit Investment Grade-Unternehmensanleihen vergleichen. Bäume verleihen der Landschaft eine weitere Dimension: Sie bieten Schatten und Schutz bei schlechtem Wetter. In gleicher Weise können Investment Grade-Kreditpapiere Diversifikation, Schutz und Zusatzrenditen bieten. Auch gewähren sie Zugang zu einem breiten Spektrum privater Emittenten.

Und was ist mit den schönen Blumen, die Farbe in den Garten bringen? Diese könnten High Yield-Bonds, Währungsprodukte, internationale Anleihen, Schwellenländeranleihen etc. sein. Blütenpflanzen können jede Landschaft um wunderschöne Farbtupfer bereichern. Aber sie sind empfindlich, sie gedeihen nur unter bestimmen Bedingungen, genauso wie sich Währungen in Abhängigkeit von den wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen unterschiedlich entwickeln.

Unerwünschte Folgen
Als die Engländer im 19. Jahrhundert über Indien herrschten, sorgte sich die Regierung um die hohe Zahl giftiger Kobras in Delhi. Deshalb ersann sie einen Plan zur Bekämpfung der Schlangen und setzte für jede tote Kobra eine Prämie aus. Zunächst lief alles nach Plan: Es wurden jede Menge toter Schlangen abgeliefert und Prämien kassiert. Aber die Zahl der Kobras ging einfach nicht zurück. Was war der Grund? Tatsächlich hatten einige unternehmerisch denkende Untertanen ihrer Majestät Schlangen gezüchtet, um an die Prämien zu kommen. Erzürnt stoppte die Regierung daraufhin ihr Prämienprogramm. Daraufhin setzten die Schlangenzüchter die nunmehr nutzlosen Kobras in der freien Wildbahn aus, wodurch ihre Zahl weiter stieg.

In Analogie zu diesem Beispiel entsprechen die Schlangen im Gras des Anleihengartens den unerwünschten Folgen. Nach der globalen Finanzkrise 2008 hatten die von den Zentralbanken ergriffenen Massahmen unerwünschte Folgen. Zinssenkungen in Verbindung mit quantitativen Lockerungsmassahmen hatten zur Folge, dass die Inhaber von Anleihen in den letzten Jahren solide Renditen erzielten. Jedoch hat die massive staatlichen Intervention zu einer beispiellosen Volatilität geführt.

Betrachtet man den Anleihengarten als Ganzes, sieht man einige sehr schöne Farbtupfer in der Sonne leuchten. Alles hat seine Saison. So wie manche Pflanzen im Frühjahr blühen, andere wiederum im Früh- oder auch erst im Spätsommer, hat auch jedes Segment der festverzinslichen Anlageklasse seine Zeit.

Die Renditeunterschiede sind gewaltig. 2015 warfen italienische Staatsanleihen 4,8% ab, während am US-High-Yield-Papiere 4,6% verloren. 2012 waren europäische High Yield-Bonds mit 28,6% höchst rentabel, während UK-Gilts nur mit mageren 2,7% rentierten. Internationale Anleihen sollten auch weiterhin eine attraktive Ertragsquelle darstellen. Seit Anfang 2015 haben weit mehr als 20 Zentralbanken die Zinsen gesenkt, wodurch die Anleihenrenditen stiegen. Als die Rohstoffpreise einbrachen, waren die Regierungen rohstoffabhängiger Länder wie Australien zur Senkung der Zinsen gezwungen, wodurch deren Staatsanleihen eine sehr starke Entwicklung zeigten.

Welche Pflanzen im Anleihengarten werden uns letztendlich mit schönen Blüten erfreuen und welche nicht?

Deutsche Bundesanleihen und italienische Staatsanleihen (BTP)
Die Renditen langfristiger deutscher Bundesanleihen sind rückläufig. Wird dieser Trend sich fortsetzen? Angesichts nachlassender Arbeitslosigkeit, steigender Löhne und der positiven Auswirkungen niedriger Ölpreise ist man bei Aberdeen Asset Management der Ansicht, dass die Renditen steigen sollten. Die Frage ist nur: wann?

In den USA und im Vereinigten Königreich ist es sehr schnell gelungen, kohärente Programme zur Konjunkturbelebung zu beschliessen und quantitative Lockerungsmassnahmen zu ergreifen. Die Europäische Union mit ihren komplexen Strukturen erwies sich als sehr viel schwerfälliger und die Europäische Zentralbank (EZB) hatte Mühe, auf diesen Kurs einzuschwenken und Schritt zu halten. Im Frühjahr 2015 startete die EZB schliesslich ihr eigenes quantitatives Lockerungsprogramm und beschloss, jeden Monat Schuldverschreibungen im Wert von 60 Mrd. Euro zu kaufen. Diese Summe wurde später auf 80 Mrd. Euro erhöht und schliesst nun auch Unternehmensanleihen mit ein. Der aktuelle Ölpreisrückgang lässt die Energie- und Transportkosten sinken, was den Unternehmen mehr Spielraum für Investitionen verschafft und Verbrauchern mehr Konsum ermöglicht. Für die Konjunktur in der Eurozone sind das gute Nachrichten – es könnte bedeuten, dass die quantitativen Lockerungsmassnahmen bis Ende 2016 eingestellt werden.

Die Renditen europäischer Staatsanleihen werden steigen, wenn die quantitative Lockerung wieder zurückgefahren wird. Natürlich ist das nicht ganz so einfach. Denn mit quantitativen Lockerungsmassnahmen hat man sich auf unbekanntes Terrain gewagt. Sie wieder einzustellen ist daher durchaus mit Risiken behaftet. Wie die Dinge sich dann entwickeln werden, ist ähnlich
unberechenbar wie das Sommerwetter in Nordeuropa.

Inflationsindexierte Bundesanleihen
Die Inflationsrate dürfte in diesem Jahr anziehen, was für Anleger, die mit ihren Portfolios von einem Anstieg der Inflation profitieren möchten, ein wichtiger Aspekt darstellt.

Die kombinierten Effekte einer robusteren Wirtschaft, eines erneuten Lohnwachstums und niedrigen Ölpreises dürften die Inflation leicht anheizen. Inflationsindexierte Bundesanleihen könnten somit besser abschneiden als konventionelle Bundesanleihen, so dass jetzt ein günstiger Kaufzeitpunkt wäre.

Unternehmensanleihen
Unternehmensanleihen erhielten durch die niedrigen Renditeniveaus der Staatsanleihen westlicher Industrieländer Auftrieb. Die Unternehmen haben die günstigen Rahmenbedingungen genutzt, um Anleihen zur Finanzierung der nächsten Phase ihrer Expansion zu emittieren.

Ferner haben die niedrigen Renditen der Staatsanleihen eine Renditejagd ausgelöst, die wiederum einen Anstieg der Kurse und eine Verengung der Spreads zur Folge hatte.

Die im März von der Europäischen Zentralbank (EZB) beschlossenen geldpolitischen Massnahmen haben die Markterwartungen weit überstiegen. Der Markt hatte die Ausweitung der Anleihekäufe auf Unternehmensanleihen nicht vorhergesehen. Dieser letzte Schritt wird sich auf dem europäischen Unternehmensanleihemarkt sehr positiv auswirken. Auch wenn zu diesem Teil des EZB-Programms derzeit noch keine Einzelheiten bekanntgegeben wurden, ist zu erwarten, dass Anleiheallokationen steigen, die Emissionstätigkeit entsprechend zunimmt und Anleger mehr Risikobereitschaft zeigen werden.

Es muss allerdings eingeräumt werden, dass andere Faktoren dieser von der EZB angestossenen positiven Dynamik entgegenwirken könnten: Befürchtungen, dass das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlässt und es zum Brexit kommt, können die Marktstimmung bis zur Abstimmung im Juni eintrüben und auch die Rohstoffpreise sowie das Wachstum in China und nicht zuletzt mögliche weitere Zinserhöhungen der US-Federal Reserve werden weiterhin grossen Einfluss auf die Risikobereitschaft haben.

Die Experten von Aberdeen Asset Management sind auch weiterhin davon überzeugt, dass Unternehmensanleihen im Vergleich zu Staatsanleihen mittelfristig attraktiv sind, insbesondere aufgrund der niedrigen Zinssätze und nominalen Anleiherenditen letzterer. Wie immer sollte man auf den Kreditmärkten allerdings einen Bottom-Up-Ansatz verfolgen, um eine schmerzliche Aushöhlung des Renditepotenzials zu vermeiden.

Europäische High Yield-Anleihen
Die Geldpolitiken der Zentralbanken haben sich stärker auf hoch verschuldete Unternehmen als auf das Investment Grade-Universum ausgewirkt. Aber die Banken wollen keine Zahlungsausfälle von Unternehmen, so dass sie bevorzugt auf eine "Extend-and-Pretend"- Strategie setzen, d.h. die Kredite verlängern, als wenn alles in Ordnung wäre. Hoch verschuldete Unternehmen werden auch künftig von diesen günstigen Refinanzierungsbedingungen profitieren, so dass die Ausfallquoten niedrig bleiben sollten.

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