Alles nur Kaffeesatz-Leserei?

Guido Barthels, CIO bei ETHENEA Independent Investors S.A. und Portfolio Manager der Ethna Funds
Guido Barthels, CIO bei ETHENEA Independent Investors S.A. und Portfolio Manager der Ethna Funds

Was bringt die Zukunft: Eine hohe Inflation, eine dauerhafte Nullzinspolitik, einen schwächeren Euro? Die Antwort hierauf scheinen die "Marktwahrsager" derzeit im Kaffeesatz zu suchen.

20.11.2013, 09:11 Uhr

Redaktion: fab

Seit die USA Mitte September den Kompromiss geschlossen haben, die Schuldenobergrenze temporär bis zum 7. Februar 2014 anzuheben, findet das Thema Tapering einmal mehr das Interesse der "Marktwahrsager". Man hat den Eindruck, als ob leere Seiten gefüllt werden müssten, wenn man die hier stattfindende Kaffeesatz-Leserei, oder eben Kaffeedomantie, beobachtet.

So schrieb die Washington Post im Anschluss an das letzte Federal Open Market Committee-Meeting der Fed, das Entfernen eines Teilsatzes aus dem Protokoll der Oktober-Sitzung gegenüber jenem der September-Sitzung könne einen Hinweis darauf liefern, dass die Fed sich aufs Tapering vorbereite. Den Markt hingegen scheinen derartige Spekulationen völlig kalt zu lassen: Die Aktien und Renten steigen auf breiter Front, "Risk on" also, ohne viel Gedanken an Gefahren zu verschwenden.

Auf die Risiken wird vielerorts oft genug hingewiesen. Allein die Ausweitung der Bilanzen der grossen Zentralbanken seit der Lehman-Pleite um mehr als 5.000 Milliarden USD wird als Garant für eine hohe zukünftige Inflation gesehen. Und das, obwohl diese Ausweitung der Geldbasis lediglich 6% der weltweiten Wirtschaftsleistung ausmacht, quasi 1% pro Jahr.

Während die Bilanz der Fed steigt, schrumpft die Bilanzsumme der EZB durch die Rückflüsse der LTRO-Gelder. Darüber hinaus kauft die EZB keine nennenswerten Bestände an Anleihen der Eurozone auf. Dieses unterschiedliche Verhalten führt letztlich zu einem relativen Überangebot der US-Währung gegenüber dem Euro, der konsequenterweise aufwertet. Sein Wert ist nicht nur bilateral gestiegen, sondern hat seit Mario Draghis Whatever it takes-Rede im Juli 2012 gegenüber seinen Handelspartnern um mehr als 12% zugelegt. Das ist eine deutliche Wettbewerbsverschlechterung.

Hinzukommt das Problem der Inflationsentwicklung: Aktuell tendiert die Inflation stark nach unten und, was besonders Besorgnis erregend ist, ebenso ihre sogenannte Kernrate. Im Oktober lag diese für die Eurozone in der Jahresveränderung lediglich bei 0,8% und damit so niedrig, wie nie zuvor seit Bestehen der Gemeinschaftswährung. Und das, obwohl wir uns nicht einmal in einer wirtschaftlichen Rezession befinden. Auch der Verlauf der individuellen Inflationsraten lässt wenig Hoffnung aufkommen, dass mit einer baldigen Trendumkehr zu rechnen ist.

Eine extrem niedrige Inflation, verbunden mit einer starken Währung, wird die EZB unter Zugzwang setzen. Zum einen ist zu erwarten, dass sie das bisschen Spielraum ausnutzt, das sie bei den Leitzinsen noch hat, und die Leitzinsen vermutlich in zwei Schritten auf null setzt. Zum anderen wäre es nicht überraschend, wenn darüber hinaus weitere, eher unkonventionelle Massnahmen ergriffen würden, um die Kreditvergabe vor allem in den südlichen Staaten der Eurozone anzukurbeln.

Was indessen die Fed angeht, so erscheint die Wahrscheinlichkeit, dass sie vor dem nächsten Erreichen der Schuldenobergrenze die Wertpapierkäufe reduziert und damit möglicherweise einen erneuten deutlichen Anstieg der Renditen provoziert, alles in allem gering. Im Gegenteil: Es ist durchaus vorstellbar, dass der Beginn des Tapering auf einen Zeitpunkt in sehr ferner Zukunft verschoben wird. Das lässt sich auch ganz ohne Kaffeedomantie feststellen.

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