Schuldenregeln: EU-Kommission eröffnet Verfahren gegen sieben Länder

Erstmals nach Corona wendet die EU-Kommission die EU-Schuldenregeln wieder an. (Bild sashk0/Shutterstock)
Erstmals nach Corona wendet die EU-Kommission die EU-Schuldenregeln wieder an. (Bild sashk0/Shutterstock)

Die EU-Kommission will sieben Mitgliedsstaaten unter verschärfte Aufsicht stellen, weil sie zu hohe Haushaltsdefizite haben. Die betroffenen Länder sind Frankreich, Italien, Belgien, Polen, Ungarn, die Slowakei und Malta.

19.06.2024, 13:07 Uhr
Regulierung

Redaktion: awp/św

Es ist das erste Mal seit vier Jahren, dass die Brüsseler Behörde die EU-Schuldenregeln wieder anwendet. Sie waren aufgrund der Corona-Pandemie ausgesetzt. Die Regeln schreiben vor, dass Staaten maximal eine Staatsverschuldung von 60 Prozent und eine jährliche Neuverschuldung von drei Prozent der Wirtschaftsleistung haben dürfen.

Die grösste Sorge machen der Kommission derzeit Frankreich und Italien. Frankreich hatte im vergangenen Jahr ein Haushaltsdefizit von 5,5 Prozent, Italien sogar von 7,4 Prozent.

Fünf Staaten kommen davon

Die Anleger an den Finanzmärkten blicken besonders nervös auf Frankreich, weil dort nach der Parlamentswahl im Juli eine rechte oder linke Regierung an die Macht kommen könnte. Beide würden Experten zufolge die Staatsverschuldung in die Höhe treiben.

Insgesamt hatte die Kommission zwölf Länder untersucht, weil deren Neuverschuldung im vergangenen Jahr über der Drei-Prozent-Marke lag. Fünf dieser Staaten (Spanien, Tschechien, Slowenien, Estland, Finnland) entgingen dem Defizitverfahren, weil ihre Verstösse außergewöhnlichen Umständen geschuldet oder temporär waren.

Estland beispielsweise hatte ein Defizit von knapp über drei Prozent, aber eine sehr niedrige Staatsverschuldung. Deshalb sieht die Kommission hier keine Gefahr. Spanien wurde verschont, weil das Defizit dieses Jahr wieder auf drei Prozent sinken soll.

Von Staaten, gegen die ein Defizitverfahren läuft, kann die Kommission zusätzliche Sparanstrengungen und Reformen verlangen. Im äussersten Fall könnte sie auch Sanktionen verhängen. Beispielsweise könnte sie die Auszahlungen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds oder EU-Kohäsionsfonds an eine Regierung stoppen, wenn diese die Empfehlungen aus Brüssel ignoriert. Dies ist bislang noch nie passiert, obwohl im Laufe der Jahre zahlreiche Staaten gegen die Defizitregel verstossen haben.

Rumänien ist schon lange im Verfahren

Rumänien etwa befindet sich seit 2020 im Defizitverfahren. Hier hat die Kommission bislang Nachsicht walten lassen, weil die Schuldenregeln offiziell ausgesetzt waren. Nun warnte sie jedoch, die Regierung mache keine Anstalten, wirksam die Neuverschuldung zu senken.

Konkrete Vorgaben, wie die Staaten ihre Schulden und Defizite abbauen sollen, will die Kommission erst im November machen. Dieses Jahr ist ein Übergangsjahr. Seit April gilt der reformierte Stabilitäts- und Wachstumspakt. Dieser schreibt vor, dass jede Regierung bis September einen nationalen Schuldenabbauplan für die kommenden vier Jahre in Brüssel einreicht, den die Kommission genehmigen muss.

Am Freitag will sie eine Anleitung an alle Regierungen schicken, was sie beim Erstellen ihres nationalen Abbauplans zu beachten haben. Die EU-Finanzminister sollen im Juli über den Bericht der Kommission beraten und entscheiden, ob die Defizitverfahren gegen die sieben Staaten eröffnet werden.

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