Riskante Wechselwirkung: Emerging Markets und USA

24.01.2011, 15:05 Uhr

2011 sollte ein gutes Jahr für die Aktienmärkte der aufstrebenden Volkswirtschaften werden. Aber nun zeichnen sich Risiken ab. Eine kräftige Konjunktur-erholung in den USA hat ernste Folgen für die Performance auf den Emerging Markets. Wachstum in den Emerging Markets erhöht das Inflationsrisiko in den USA.

Maarten Jan Bakkum,
GEM-Stratege bei ING Investment Management

Das Inflationsrisiko liegt auf der Hand. Aufgrund der lebhaften Binnennachfrage in den EM-Volkswirtschaften haben sich Produktionslücken geschlossen und der Preisdruck verschärft sich. Die Löhne steigen immer schneller, während die Rohstoffpreise auf neue Höchststände klettern. Infolge der hohen Kapitalzuflüsse wächst auch die Geldmenge und damit die Spekulationstätigkeit. Im Ergebnis steigen die Lebensmittelpreise schneller als sonst. Diese Faktoren haben die Inflationsrate in den vergangenen Quartalen bereits in die Höhe getrieben. Zwischenzeitlich haben die EM-Währungen allerdings an Boden gewonnen und die geldpolitischen Instanzen die Zinsschraube angezogen. Hier seien vor allem China, Indien, Südkorea und Brasilien genannt. Insofern sollte sich die Inflationsentwicklung in den nächsten Quartalen nicht wesentlich verschärfen. Im weiteren Verlauf kommt es entscheidend auf die Entwicklung der Lebensmittelpreise an, die sich nur schwerlich vorhersagen lässt.

Das zweite Risiko - eine Konjunkturerholung in den USA - ist für die Performance an den Emerging Markets weitaus ernster. Hier ist der Zusammenhang nicht ganz so offensichtlich. Trotz der etwas besseren Konjunkturzahlen seit letztem Sommer fehlt es der US-Konjunktur an Schwung. Vor allem Wohnimmobilienmarkt und Arbeitsmarkt sind immer noch angespannt. Andererseits ist die Wirtschaftspolitik offensiv auf Konjunkturförderung ausgerichtet, vor allem geldpolitisch. Das hat sich bereits günstig auf die Zuversicht bei Verbrauchern und Unternehmen ausgewirkt. In den kommenden Monaten könnte das Wirtschaftswachstum also durchaus kräftig anziehen und sowohl die Zinserwartungen als auch den Dollar in die Höhe treiben. Damit würden möglicherweise wichtige Gründe für den Kapitalfluss aus den USA in die Emerging Markets entfallen: bessere Wachstumsaussichten, höhere Zinsen und eine stärkere Währung.

Eine sich rasch erholende US-Wirtschaft würde die Kapitalströme massgeblich beeinflussen. So würde nicht nur sehr viel weniger Kapital aus den USA in die Emerging Markets fliessen, sondern der Kapitalstrom aus anderen Teilen der Welt in die USA würde ebenfalls anschwellen. Im Ergebnis würde weniger Kapital in die EM-Volkswirtschaften fliessen. Das würde wiederum bedeuten, dass die EM-Währungen gegenüber Dollar und Euro an Boden verlieren und weniger Kapital für Investitionen und Konsum zur Verfügung stände. Die Wachstumserwartungen würden sich mässigen und einige Länder mit hohen Leistungsbilanzdefiziten – wie beispielsweise Indien, die Türkei und Südafrika – könnten plötzlich weniger komfortabel dastehen. (ah)

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