20.12.2024, 10:54 Uhr
Aus der Krise der Credit Suisse und der von den Behörden erzwungenen Notfusion der Grossbank mit der UBS sollen Lehren gezogen werden. Dieser Ansicht ist die parlamentarische Untersuchungskommission. Sie hat ihren...
Im Kanton Zürich kommt es zu einer Angebotsverknappung bei Einfamilienhäusern. Die Anzahl der Abrisse dürfte 2022 erstmals die Neubautätigkeit überschreiten. 70% der Häuser sind unterbelegt, in jedem siebten wohnt nur eine Person. Das Wachstum von Immobilienpreisen wird laut Zürcher Kantonalbank auf hohem Niveau leicht abgeschwächt.
Der Traum vom Hauskauf rückt noch weiter in die Ferne. Wer bereits ein Einfamilienhausbesitzt, wird dieses so schnell nicht aufgeben – auch wenn die Kinder schon längst aus dem Haus sind. Und kommt doch eins auf den Markt, droht immer häufiger der Abriss. So dürften 2022 die jährlichen Abrisse von Einfamilienhäusern (EFH) im Kanton Zürich erstmals deren Neubauten übersteigen – der Bestand droht abzunehmen. Dies ergibt eine aktuelle Studie des Immobilienresearchs der Zürcher Kantonalbank (ZKB).
Dass EFH kaum die Hand wechseln, zeigt auch ein Blick auf deren Belegung: Über 70% aller EFH im Kanton Zürich sind unterbelegt. Als Unterbelegung gilt dabei, wenn die Zimmerzahl grösser ist als die Anzahl Personen plus 1. In jedem siebten Haus wohnt lediglich eine Person, mehrheitlich Senioren. Sicherlich spiele bei der Unterbelegung auch das Vermögen mit hinein – so habe es etwa an der Goldküste überdurchschnittlich viele grosse Häuser, so die ZKB-Immobilienexperten. Aber ein wichtiger Faktor sei auch, dass am eigenen Haus festgehalten werde, obwohl es nicht mehr der aktuellen Lebenssituation entspreche. Emotionale Aspekte, finanzielle Stolpersteine oder auch, dass es nicht immer einfach ist, eine passende und attraktive Wohnalternative zu finden – dies alles könne dazu führen, dass ein Verkaufsentscheid hinausgeschoben wird.
Gleichwohl könnte der Zeitpunkt zum Verkauf eines Einfamilienhauses derzeit nicht besser sein, ist doch die Nachfrage so hoch wie nie. "Hausbesitzer im ganzen Kanton Zürich sitzen am längeren Hebel und können die Situation zu ihren Gunsten nutzen, damit der Umzug weniger schwerfällt", erklärt Ursina Kubli, Leiterin Immobilienresearch der Zürcher Kantonalbank. So könne man zum Beispiel mit dem Käufer vereinbaren, dass die Übergabe der Immobilie erst später stattfindet. Falls die Eigenmittel es erlaubten und man noch nicht für einen Verkauf bereit sei, könne das Haus zunächst auch vermietet werden.
Doch selbst wenn in den kommenden Jahren mit dem Generationenwechsel wieder mehr EFH auf den Markt kommen – einem Teil davon droht der Abriss. So wurden seit 2016 im Kanton Zürich gemäss der Studie rund 300 bis 400 EFH pro Jahr abgerissen, Tendenz steigend. 74% dieser Abrisse betrafen Häuser mit Umschwung – und das, obwohl diese am Gesamtbestand nur weniger als die Hälfte ausmachen. Hiervon waren vor allem Häuser in der Stadt Zürich sowie an den beiden Seeufern betroffen. So verschwanden in der Stadt Zürich seit 2016 mehr als 5% des ursprünglichen Bestandes an freistehenden Einfamilienhäusern – in Herrliberg, Meilen und Thalwil mehr als 6%.
Dass gerade Häuser mit Umschwung an attraktiven Lagen besonders von Abrissen betroffen sind, dürfte laut den ZKB-Immobilienexperten nicht verwundern: Aufgrund der Ausnutzungsreserve sowie den steigenden Bodenpreisen sei eine Verdichtung besonders naheliegend – insbesondere, wenn sowieso eine umfassende Sanierung anstehen würde. Für private Käufer dürfte es hier besonders schwer sein, zum Zuge zu kommen, befinden sie sich doch häufig in direkter Konkurrenz mit zahlungskräftigeren institutionellen Investoren.
Die restlichen Abrisse betrafen gemäss der Studie zu fast gleichen Teilen Doppel- sowie Reiheneinfamilienhäuser (11% bzw. 15%). Hier gestaltet sich der Abriss sowie der Neubau-Prozess üblicherweise etwas schwieriger als bei den Freistehenden – unmöglich ist er aber nicht. So sollten sich Käufer älterer Doppelhaushälften bewusst sein, dass der Nachbar schon bald eigene Baupläne umsetzen könnte. Reiheneinfamilienhäuser hingegen werden üblicherweise nicht einzeln abgerissen, sondern gleich der gesamte Gebäudekomplex.
Drei Viertel aller Reiheneinfamilienhäuser-Abrisse haben dabei in der Stadt Zürich stattgefunden. Hier sind es vor allem die Genossenschaften, die eigene ältere Reihenhaussiedlungen ersetzen, um noch mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Siedlung "Am Glattbogen" der ASIG-Genossenschaft: 2016 hat diese 43 Reiheneinfamilienhäuser durch 13 Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 165 Wohnungen ersetzt.
Dass dies ein nachhaltiger Trend ist, zeigen GIS-Analysen der Zürcher Kantonalbank: Bei fast 70% aller Abbrüche von EFH seit 2016 sind neu Mehrfamilienhäuser gebaut worden, bei den Reiheneinfamilienhäusern sind es gar 98%. Nur in insgesamt 31% der Fälle wurde ein Einfamilienhaus durch ein selbiges oder mehrere neue Einfamilienhäuser ersetzt. «Das Einfamilienhaus – insbesondere mit Umschwung – wird zunehmend zum Auslaufmodell, denn es ist in Hinblick auf die Flächen- und Ressourcen-Beanspruchung je länger je weniger zeitgemäss", sagt Ursina Kubli.
Diese zunehmende Substitution dürfte demnach weiter anhalten: nicht nur wegen des regen Neubaubedarfs von Genossenschaften, sondern vor allem angesichts des zunehmenden Alters der Einfamilienhauseigentümer. Der bevorstehende Generationswechsel werde die Abbrüche weiter beschleunigen, denn selbst wenn die Erben das Haus gern in der Familie halten würden, falle das Auszahlen der übrigen Nachkommen oft schwer.
Nicht nur das schwindende Angebot macht einen Hauskauf schwierig, sondern auch die hohen Preise. Zwar dürfte sich die Preisdynamik bei Immobilien in diesem Jahr leicht abschwächen, aber von einem sehr hohen Niveau aus. So erwarten die Immobilienexperten der Zürcher Kantonalbank für das aktuelle Jahr immer noch ein Preiswachstum von 5% im Kanton Zürich (Vorjahr 9,3%), schweizweit von 4,0% (Vorjahr 7,5%). Und auch die notorische Unterversorgung an Wohneigentum dürfte vorerst bleiben – trotz gestiegener Energiepreise und möglicher SNB-Zinsschritte.
Eine besonders hohe Preissteigerung lässt sich im Übrigen bei den Zweitwohnungen beobachten. Seit Ende 2018 sind hier die Kosten um 17% gestiegen, deutlich über dem restlichen Markt (+12%). Wenn das Budget schon nicht für ein EFH am Stadtrand reiche, dann doch wenigstens für eine kleine Ferienwohnung, denke sich mancher. Die Experten weisen indes darauf hin, dass Städter hier jedoch etwas Vorsicht walten lassen sollten. Denn: Für eine Zweitwohnung auf dem Land bezahlen diese im Schnitt 19% mehr als Einheimische, in touristischen Gemeinden sind es sogar 26% mehr, das ergibt die Analyse der Zürcher Kantonalbank. Diese Ungleichbehandlung könne zwar teilweise mit den Markteinschränkungen durch das Zweitwohnungsgesetz erklärt werden. Aber zumindest für ländliche Gebiete lasse sich statistisch nachweisen, dass es noch einen zusätzlichen "Städter-Aufschlag" gebe: In vom Zweitwohnungsgesetz nicht betroffenen Land-Gemeinden liege dieser Preisaufschlag im Vergleich zur Wohnung eines Einheimischen immerhin noch bei 6%. Es lohne sich also, im Vorfeld das lokale Preisniveau zu recherchieren. "Der Provinzler, der eine Zweitwohnung in der Stadt sucht, bezahlt im Übrigen keinen Preisaufschlag: Hier sind die Wohnungen für alle gleich teuer", fügen die ZKB-Immobilienexperten an.