20.12.2024, 10:54 Uhr
Aus der Krise der Credit Suisse und der von den Behörden erzwungenen Notfusion der Grossbank mit der UBS sollen Lehren gezogen werden. Dieser Ansicht ist die parlamentarische Untersuchungskommission. Sie hat ihren...
Medienberichte über angebliche Geschäfte mit fragwürdigen Kunden haben den Aktien der CS Group am Montag weniger zugesetzt als befürchtet. Bis zum Mittag verloren die Titel 1,8% auf CHF 8.13. Die Vorwürfe, von der Bank als unbegründet strikt zurückgewiesen, sind happig. Es ist, als würde man einem bereits am Boden liegenden Gegner einen weiteren kräftigen Stoss versetzen.
Die Credit Suisse soll jahrelang Autokraten, Drogendealer sowie mutmassliche Kriegsverbrecher und Menschenhändler als Kunden akzeptiert haben. Das werfen die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) und weitere internationale Medien aufgrund von Recherchen, die sie "Suisse Secrets" nennen, vor.
Sie stützen sich auf Unterlagen, die dem Journalistenkollektiv anonym zugespielt worden sind, wie dieses selbst anführt. Es handelt sich um Daten über Konten von mehr als 30'000 Kunden. Im Fokus der Recherche stehen 18'000 Konten mit einem Gesamtvermögen von 100 Mrd. Dollar. Dem Medien-Netzwerk zufolge hätten Kriminelle Konten eröffnen beziehungsweise Konten auch dann behalten können, "wenn die Bank längst hätte wissen können, dass sie es mit Straftätern zu tun hat", zitiert die Nachrichtenagentur awp aus dem Bericht.
Die Bank habe hohe Millionenbeträge angenommen, obwohl die Kontobesitzer hochrangige Politiker aus heiklen Ländern waren oder direkt unter dem Verdacht der Korruption oder anderer Verbrechen standen. Zum Teil handle es sich sogar um Geld von verurteilten Verbrechern, behauptet "Suisse Secrets".
Die Enthüllung stellt die Credit Suisse gleich vor drei massive Probleme, schreibt der "Tages-Anzeiger" (TA) online. Die Tamedia-Zeitung ist zwar Mitglied des Netzwerks, das beispielsweise mit den "Panama-Papers" auf sich aufmerksam gemacht hatte. Im vorliegenden Fall hat der TA aber auf eine Mitarbeit verzichtet. Seit 2015 droht Journalistinnen und Journalisten in der Schweiz ein Strafverfahren, wenn sie über geleakte Bankdaten schreiben.
Problem Nummer eins und von nicht zu unterschätzter Brisanz für die Credit Suisse ist: Das Journalistenkollektiv nennt zahlreiche Namen von ehemaligen, möglicherweise aber noch aktuellen Hochrisikokunden der Bank. Laut der «Süddeutschen Zeitung» gehören etliche Herrscher und ihre Familien aus autokratisch regierten Staaten, etwa der jordanische König Abdullah II., der inzwischen verstorbene algerische Diktator Abdelaziz Bouteflika oder Armeniens Ex-Präsident Armen Sarkissian dazu. Der frühere jordanische Premier Samir Rifai soll selbst dann noch ein CS-Konto eröffnet haben, als er nach Korruptionsvorwürfen bereits des Amtes enthoben worden war.
Problem Nummer zwei ist das Leck, das einen unrühmlichen Schatten auf die Grossbank (und möglicherweise auf den gesamten Schweizer Bankenplatz) wirft: Offenbar hat die CS Informationen zu Tausenden von Konten verloren. Gemäss der «Süddeutsche Zeitung» sind die Daten seien vor mehr als einem Jahr in ihrem anonymen Briefkasten für Whistleblower deponiert und seither eingehend auf ihre Echtheit geprüft worden. Die Informationen bezögen sich auf die Zeit von den 1940er-Jahren bis «weit ins vergangene Jahrzehnt». Mehr als zwei Drittel der Konten seien nach dem Jahr 2000 eröffnet worden.
In einem ersten Kommentar meint RBC-Bankenanalystin Anke Reingen gemäss awp, die Artikel würden kein gutes Licht auf das Schweizer Private-Banking-Geschäft insgesamt werfen. Und bezogen auf die zweitgrösste Schweizer Bank meint sie: "Selbst wenn die Anschuldigungen unbegründet sind, wirft dies für die CS Fragen zu ihren Geschäftspraktiken in der Vermögensverwaltung auf und dürfte das Management zwingen, Zeit mit der Brandbekämpfung zu verbringen, anstatt voranzukommen."
Das führt zum dritten Problem. Die CS ist nach einer Reihe von Skandalen bereits angeschlagen, und man fragt sich, was sonst noch alles auf das Institut zukommen könnte, dessen neuer VR-Präsident Axel Lehman ein verbessertes Kontrollsystem und überhaupt einen kulturellen Wandel verspricht.
In Anbetracht der massiven Anschuldigungen des Journalisten-Netzwerks hätte ein weiterer kräftiger Rückschlag der CS-Aktien kaum überrascht. Mit minus 1,8% bis Montagmittag hielt sich die Einbusse jedoch im Rahmen.
Ein Grund ist, dass der Wahrheitsgehalt der im "Swiss Secret"-Bericht erhobenen der Vorwürfe noch keineswegs bewiesen ist. Bei allem Verdienst ums genaue Hinschauen und Aufdecken von Missständen, dass Medien kennzeichnet, schiessen diese nicht selten übers Ziel hinaus. Für nicht wenige Redaktionen und Publikationen ist Bankenbashing mittlerweile Programm.
Bevor ein Urteil über die Anschuldigungen des Netzwerks möglich ist, sind verschiedene, auch grundlegende Fragen zu klären: Wie glaubwürdig ist die anonyme Quelle? Bilden geleakte Daten eine vertrauensvolle Grundlage für seriöse Recherchen? Welche Motive hat der oder die Whistleblower(in)? Wurde die Bank vor der Publikation mit den Vorwürfen konfrontiert? Wie stehen andere, auch nicht-schweizerische Banken in dieser Sache da? Hat die Aktion einen politischen Hintergrund? Gibt es Kräfte, die dem Schweizer Bankenplatz schaden wollen?
Die Credit Suisse weist die Anschuldigungen strikt zurück. Viele der problematischen Konten seien schon längst geschlossen worden. In den vergangenen Jahren habe man zahlreiche Massnahmen im Einklang mit den Schweizer Finanzreformen umgesetzt, die Vorwürfe seien unbegründet, schreibt die Bank in einer Stellungnahme. Die Recherche sein eine "konzertierte Aktion mit der Absicht, den Schweizer Finanzplatz in Verruf zu bringen."
Ein weiterer Grund für die eher laufe Reaktion des CS-Aktienkurses dürfte sein, dass die Papiere schon fast unterirdisch notiert. Nach über CHF 70 vor der Finanzkrise 2007 stehen die Titel mit noch etwas mehr als CHF 8 zu Buche, ein Wertverlust für ein gestandenes Unternehmen von historischem Ausmass.
Die Credit Susse ist mit einer Marktkapitalisierung von rund CHF 24 Mrd. nur mehr halb so viel wert, wie beispielsweise die US-Grossbank J.P. Morgan allein im zweiten Corona-Jahr 2021 verdient hat. Die Akte "Suisse Secrets" kommt einem vor, als würde man auf einen bereits am Boden liegenden Gegner weiter kräftig eindreschen.