«Wir sind 2024 in ein neues Marktregime eingetreten»

Fondsmanager Adrien Bommelaer: «Es wird erhebliche Veränderungen in Bezug auf die Marktführerschaft geben.»  (Foto PD)
Fondsmanager Adrien Bommelaer: «Es wird erhebliche Veränderungen in Bezug auf die Marktführerschaft geben.» (Foto PD)

Adrien Bommelaer, Portfolio Manager des Echiquier Major SRI Growth Europe Fund, schafft es regelmässig, den Index zu schlagen. Er baut auf die Fundamentalanalyse von Unternehmen und vertraut auf grosse europäische Wachstumsfirmen.

02.04.2024, 16:59 Uhr
Aktien | Anlagefonds | Interviews

Redaktion: hf

Herr Bommelaer, der von Ihnen geführte Echiquier Major SRI Growth Europe Fund hat 2023 mit einer Rendite von 18,2 Prozent erneut den Index geschlagen. Welche Positionen haben massgeblich dazu beigetragen?

Wir hatten eine starke Performance von Unternehmen wie Novo Nordisk, ASML aus den Niederlanden und Wolters Kluwer, die grosse Positionen darstellen und einen grossen Beitrag zum Fonds leisten. Doch fast ebenso wichtig für die Performance war die Tatsache, dass wir keine nennenswerten Verluste hatten, bis auf ein paar kleine Positionen.

Im Fonds sind fast 50 Prozent des Vermögens auf die zehn grössten Positionen konzentriert. Ist das eine ausreichende Diversifikation?

Wir sehen ein geringeres Risiko, wenn wir in eine kleine Anzahl von Qualitätsunternehmen investieren. Wir engagieren uns in Unternehmen, die wir sehr gut verstehen und bei denen wir viel Bewertungsarbeit leisten. Wir leben in einer Welt, in der ETF für jedermann zugänglich sind und eine kostengünstige Alternative für Anleger darstellen. Unsere Antwort ist ein hochkonzentriertes Portfolio von Qualitätsaktien. Ein breit gestreutes Portfolio mag weniger riskant erscheinen, aber Sie haben weniger Kontrolle über die Ergebnisse. Und um die Benchmark zu übertreffen, ist es unserer Meinung nach am besten, sehr konzentriert zu investieren.

Der ESG-Anspruch, den Sie bei der Auswahl der Investments haben, limitiert das Anlageuniversum des Fonds um fast 40 Prozent. Sind die restlichen 60 Prozent ausreichend?

Es ist sowieso ein sehr begrenztes Universum, da wir uns zunächst auf die grossen Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung ab etwa 20 Mrd. Dollar oder mehr konzentrieren. Die durchschnittliche Marktkapitalisierung der Fondspositionen liegt bei 65 Mrd. Dollar. Wenn wir dann noch die Unternehmen rausfiltern, die nicht führend sind und kein jährliches Wachstum von 5 Prozent oder mehr aufweisen, schrumpft das Universum auf etwa 200 Unternehmen. Wenn wir dann die ESG-Filter anwenden, führt das zu einer investierbaren Watchlist von etwa 160 Aktien. Und daraus bauen wir ein Portfolio von 30 bis 35 Aktien auf.

Das ist ein relativ kleines Universum…

Wir kaufen die unserer Meinung hochwertigsten Large Caps in Europa mit den besten Margen und Wachstumsprofilen. Da gibt es nicht so viele zur Auswahl. Würden wir auf globaler Basis oder in den USA investieren, gäbe es viel mehr solcher Unternehmen, die die Kriterien erfüllen und die Attribute haben, nach denen wir suchen. Das heisst: stabiles Wachstum, hohe Margen und vor allem hohe freie Cashflow-Margen. Aber ja, es ist ein kleines Universum und deshalb haben wir aktuell auch nur rund 30 Positionen im Fonds.

Wie tief gehen Sie in die Unternehmen, wenn Sie sie analysieren?

Sehr tief! Wir verbringen manchmal Monate damit, ein Unternehmen zu analysieren, bevor wir tatsächlich eine Position aufbauen. Ein Beispiel ist das spanische Modeunternehmen Inditex. Die Titel haben wir 2018 verkauft, weil wir besorgt waren hinsichtlich der Disruption durch den Onlinehandel. Doch im Januar 2023 haben wir wieder mit dem Aufbau der Position begonnen, weil wir das Unternehmen in den fünf Jahren, in denen wir nicht investiert waren, beobachtet haben. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass der Onlinehandel die Margen nicht beeinträchtigt, sondern im Gegenteil das Wachstum beschleunigt hat. Inditex ist es gelungen, den Onlinehandel als zusätzlichen und profitablen Vertriebskanal zu etablieren. Die Probleme, die wir befürchtet hatten, traten nicht auf, wohl aber der Kursrückgang, der einen hervorragenden Einstiegspunkt für die Aktie bot.

Das vor uns liegende Börsenjahr dürfte aufgrund der diffusen makroökonomischen Lage spannend werden. Wie haben Sie den Fonds strukturiert?

Wir haben seit Jahresbeginn einen guten Start hingelegt. Der Fonds hat seither rund 5 Prozent an Wert zugelegt, womit wir 3 Prozentpunkte vor dem MSCI Europe NR Index liegen. Allerdings sind die Aussichten für den Aktienmarkt tatsächlich mit Risiken behaftet.

Haben Sie das Portfolio umgeschichtet?

Wir haben den Fonds etwas defensiver ausgerichtet als in der Vergangenheit. Beständige Titel mit einem Beta unter eins machen normalerweise 60 bis 100 Prozent unseres Portfolios aus; derzeit liegen wir bei etwa 75 bis 80 Prozent. Der Anteil zyklischer Aktien liegt aktuell bei 12 Prozent und damit am unteren Ende der Spanne von 0 bis 30 Prozent. Dann gibt es noch die Ultra-Wachstumswerte mit einem Wachstum von mehr als 10 Prozent jährlich, die derzeit etwas mehr als einen Zehntel des Fondsvermögens ausmachen. Wir sind defensiv positioniert, weil wir davon ausgehen, dass sich die Wirtschaft etwas abschwächen wird. Wir werden in diesem Jahr zwar immer noch ein Wachstum der Gewinne pro Aktie Earnings sehen. Die Zinsen haben überall ihren Höhepunkt erreicht und die Inflation geht zurück, was Zinssenkungen zur Folge haben dürfte.

Denken Sie, die Inflation ist gebannt?

Die Inflation ist heute weniger ein Problem. Die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine sind vom Markt gut absorbiert worden, die Energiekrise lässt nach und die Lieferketten normalisieren sich. Das führt zu einem Rückgang der Inflation. Die Wirtschaft wird von den sinkenden Zinsen profitieren. Die Konjunktur in Europa wird irgendwann in diesem Jahr die Talsohle erreichen und in eine Erholungsphase eintreten, so dass auch die Gewinne pro Aktie wieder steigen werden. Das wird ein positives Umfeld für qualitativ hochwertige Wachstumswerte sein.

Wann rechnen Sie mit einer Zinssenkung in Europa?

Die Zinssätze der Fed und der Bank of England werden voraussichtlich bis zum Sommer 2024 sinken. Die EZB wird etwas später nachziehen; sie ist immer ein bisschen spät dran. Die Inflation ist ziemlich stark zurückgegangen, so dass es für die Zentralbanken keinen Grund gibt, die Zinsen auf dem derzeitigen hohen Niveau zu belassen.

Was spricht für eine Rallye der Wachstumstitel?

Wir treten 2024 in ein neues Marktregime ein. Der Zeitraum zwischen 2009 bis 2019 war eine Periode mit geringer wirtschaftlicher Aktivität, niedrigen Zinsen und einer sehr niedrigen Inflation. Dies war für Wachstumsaktien in den letzten zehn Jahren äusserst günstig. In den nächsten zehn Jahren wird es meiner Meinung nach ganz anders aussehen, da der Markt von anderen Faktoren beeinflusst wird. Die Zinssätze werden sinken, aber höher sein als im Zeitraum 2009 bis 2019. Auch das Wirtschaftswachstum wird höher sein, da die Regierungen viel Geld für den Schutz der Industrie und für Investitionen gegen den Klimawandel ausgeben. Das Risiko besteht aber nicht so sehr in mangelndem Wachstum. Es ist viel mehr so, dass die Inputkosten höher sind, also Zinsen, Löhne und Rohstoffe teurer sind. Das wirkt sich auf die Free-Cashflow-Margen aus, die eine wichtige Determinante für die Bewertung eines Unternehmens sind. Für Compounders, also Unternehmen, die über einen langen Zeitraum stetig den Wert für ihre Aktionäre vermehren, wird das vorteilhafter sein als für reine Wachstumswerte.

Wer profitiert von einem solchen Umfeld?

Es wird ein Umfeld mit höheren Zinssätzen und höheren Länderrisiken sein. Die Kapitalkosten können aber von Region zu Region variieren. Es wird Sektoren geben, die dann wieder investierbar werden, wie beispielsweise die Banken. Aber Unternehmen, die keinen freien Cashflow generieren können, könnten Probleme bekommen, weil die Kapitalkosten höher sein werden, was die Refinanzierung erschwert. Es wird also erhebliche Veränderungen in Bezug auf die Marktführerschaft geben. Diese Periode könnte sich über zehn Jahre erstrecken.

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