23.11.2024, 12:00 Uhr
Matt Quinlan, Portfoliomanager bei der Franklin Equity Group, erläutert die entscheidende Rolle, die Dividenden bei der Steigerung der Gesamtrendite und bei der Verringerung der Gesamtvolatilität für Aktienanleger...
Nach anhaltenden Unsicherheiten über die künftige Gestaltung der Geldpolitik haben sich grosse Unterschiede zwischen den Regionen herausgebildet. «Was sollten wir aus den letzten Monaten mitnehmen? Wie sollten wir den Rest des Jahres angehen?», fragt sich Didier Bouvignies, CIO bei Rothschild & Co Asset Management.
Seit dem 30. Juni dieses Jahres sind die globalen Aktienmärkte in lokalen Währungen fast unverändert geblieben, profitierten aber vom Anstieg des Dollars um etwa 2 Prozent. Die Kurse veränderten sich in zwei Phasen: Bis Anfang August stiegen sie aufgrund von Unternehmensmeldungen und fielen dann ziemlich abrupt aufgrund steigender Zinsen, die eine Umkehrung der Renditekurve auslösten. Die reale US-Rendite bewegt sich jetzt um die 2 Prozent. Die jüngsten US-Statistiken waren eine positive Überraschung, während in Europa das makroökonomische Umfeld durch Stagnation und eine Rezession in Deutschland gekennzeichnet ist.
Die Wirtschaftszahlen in China haben eine leichte Deflation und einen deutlichen Rückgang des Vertrauens in die Hersteller ans Licht gebracht. Die Märkte werden auch durch den Anstieg der Ölpreise belastet. Als Reaktion darauf haben sich viele Anleger in Geldmarktanlagen geflüchtet.
Was steckt hinter dieser Divergenz in der makroökonomischen Nachrichtenlage zwischen den USA und Europa? Während die Beschäftigung auf beiden Seiten des Atlantiks widerstandsfähig ist, liegt der Hauptunterschied bei den Verbraucherausgaben. Die während der Covid-19-Krise aufgebauten Ersparnisse, werden in den USA bald vollständig aufgebraucht sein, während die Haushalte in Europa (und auch in China) beschlossen haben, einen Teil dieser Ersparnisse zu behalten.
Dadurch liegt die Sparquote hier weiterhin über ihrem historischen Durchschnitt. Diese Divergenz ist der Grund, warum die Wachstumsaussichten in den USA und Europa sowie in China so unterschiedlich sind.
Auch die Inflation ist von Region zu Region unterschiedlich. Die Kerninflation in den USA hat sich merklich verlangsamt, und wenn man die wenn man die Komponente Hypothekenkredite herausrechnet, war sie in den letzten drei Monaten bei bloss etwa 2 Prozent. In der Eurozone lag die Inflation Ende August bei 5,3 Prozent und damit unverändert gegenüber dem Vormonat.
Die Inflations- und Wachstumsdaten haben die Zentralbanken also in eine Zwickmühle gebracht, die sie zwingt, trotz allem an einer restriktiven Politik festzuhalten. Umkehrungen der Renditekurve signalisieren im Allgemeinen eine bevorstehende Rezession. Aber dieses Mal könnte anders sein, da die Zinsen kurz vor Beginn des Straffungszyklus im Jahr 2022 extrem niedrig waren.
Die makroökonomischen Daten, die in den USA eher günstig waren, deuten in diese Richtung, während in Europa eine vorsichtige Haltung eher angebracht ist.
Die Dinge in China laufen anders als im Rest der Welt. Die Behörden haben als Reaktion auf den «übermässigen Liberalismus» ein Machtwort gesprochen. Dies, zusammen mit dem Missmanagement der Covid-Krise, hat die wirtschaftliche Erholung gebremst, und der Aufschwung im ersten Quartal war nur von kurzer Dauer.
Das Vertrauen der chinesischen Unternehmen hat sich spürbar verschlechtert und nähert sich nun dem Niveau einer Kontraktion. Die Verbraucherpreise sind in einigen Bereichen sogar gesunken. Die Immobilienkrise hat sich mit dem Zusammenbruch grosser landesweiter Bauträger verschlimmert und der Aussenhandel schrumpft weiter. Da die Verschuldung Chinas fast dem dreifachen jährlichen BIP entspricht, haben die Währungsbehörden zudem wenig Spielraum.
Dennoch gibt es einige Quellen der Unterstützung, die die Aussichten für die kommenden Monate aufgehellt haben. Die jüngste steile Marktkorrektur hat zu einigen besonders attraktiven Bewertungen in der Region geführt.
Vor diesem Hintergrund sieht Rothschild & Co Asset Management derzeit drei Szenarien für die kommenden Monate:
Das erste, das «No-Landing»-Szenario, geht davon aus, dass die Inflation sich nicht verlangsamen wird, dass sich die Lohnforderungen verschärfen und dass der Status quo der Zentralbanken nur vorübergehend ist. Dies wäre eine schlechte Nachricht für für Anleihen und auch für Aktien, die durch höhere Zinsen in Mitleidenschaft gezogen würden.
Das zweite Szenario, die «harte Landung», geht davon aus, dass die Schrumpfung im schnell auf den Dienstleistungssektor übergreift und das negative Wachstum im Baugewerbe und die Haushaltskonsolidierung verschärft. Dies wäre eine schlechte Entwicklung für Aktien, und die Anleiherenditen würden fallen.
Das dritte Szenario, die «perfekte Landung», geht davon aus, dass die Inflation unter Kontrolle gebracht wird, ohne gleichzeitig das Wirtschaftswachstum zu beeinträchtigen. Eine rückläufige Inflation würde den Haushalten die Kaufkraft zurückgeben und den Weg für eine allmähliche Verbesserung der Weltwirtschaft im Jahr 2024 ebnen.
Aktien würden vom Wachstum profitieren, aber die Margen würden durch die geringere Fähigkeit zur Weitergabe von Lohnsteigerungen unter Druck kommen. Dies bedeutet wiederum wenig Aufwärtspotenzial für Aktien.
Während bisher nur wenige Marktteilnehmer an dieses dritte Szenario glauben, scheint der US-Markt es zunehmend einzupreisen. Die Risikoprämie für den US-Markt befindet sich auf einem 23-Jahres-Tief und rechtfertigt ein Engagement unterhalb des Referenzniveaus. Dies gilt, zumal die Anleihen mittelfristig Carry-Chancen bieten und beim Geldmarkt solide Renditen locken.