04.12.2024, 10:51 Uhr
«Während die Märkte von einer lockeren Geldpolitik beflügelt werden, drohen politische Umwälzungen in den USA sowie geopolitische Spannungen», schreibt Nicolas Forest, Chief Investment Officer bei Candriam in...
Gemäss Mikio Kumada von LGT dürfte die US-Hausse intakt bleiben und gleichzeitig sukzessive weiter auf andere Regionen «überschwappen».
"Der Nasdaq schloss kürzlich endlich über dem historischen Höchstschlusskurs vom März 2000, womit auch das letzte US-Aktienbarometer in neue Rekordbereiche vorgestossen ist. Die wirklich gute Nachricht ist aber, dass damit die Kurse auch in diesem Segment lediglich mit der langfristigen Entwicklung der Unternehmensgewinne gleichgezogen haben.
Vor fast 20 Jahren wurde der Nasdaq zum Symbol des "irrationalen Überschwangs" einer Generation. Die damalige Hausse war am Ende so extrem, dass innerhalb weniger Jahre die Geschäftserträge um Jahrzehnte vorweggenommen wurden. Neue Technologien wie das Internet, diverse Finanzinnovationen, die Friedensdividende nach dem Ende des "Kalten Krieges" sowie Marktreformen und Globalisierung versprachen eine neue Ära stabilen Wachstums. Was konnte da schon schief gehen?
Die Grundhaltung der 1990er ist verständlich. Das politische Prestige der USA war noch intakt, die Wirtschaft boomte, und eine selbstbewusste Mittelschicht die "Baby-Boomer" schien in vollem Umfang daran teilzunehmen. In Osteuropa war der Kommunismus zerfallen, und im gesamten "alten Kontinent" wurden marktfreundliche Reformen angepackt. Neue Technologien versprachen erhöhte Produktivität und machten das Leben in den bereits reichen Ländern noch komfortabler und effizienter, während immer mehr Menschen Zugang zu Krediten erhielten, sei es für den Häuserbau oder den Konsum.
Ebenso verständlich ist der Hang zur Skepsis, der sich nach 2000 ausbreitete. Denn im Anschluss an den 1990er-Boom erlebten wir gleich zwei Mega-Finanzkrisen, Terrorismus und mehrere Kriege. Zuerst platzte die sogenannte Dotcom-Blase. Danach, nach einer relativ kurzen Erholung, kollabierte auch jenes Kreditkartenhaus, das aus den Finanzinnovationen ebendieser technologiegläubigen "Traumwelt" hervorgegangen war. Es folgten Nachbeben in Europa (Eurokrise) und den Schwellenländern (Wachstumsabflachung in China, Rohstoffbaisse).
Damit ist allerdings nicht gesagt, dass die Erwartungen der Dotcom-Ära völlig daneben lagen das taten sie eigentlich nicht. Die technologischen und politischen Veränderungen der Zeit brachten tatsächlich enorme Fortschritte. Der Weg von der Vision zur Realität stellte sich aber als steinig und lang heraus. Das eigentliche Problem lag nicht am Optimismus an sich, sondern an der Geschwindigkeit und Intensität, mit der die Anleger den rosigsten Bullenvisionen verfielen - ohne jegliche Rücksicht auf mögliche Rückschläge.
Aktuelle Erwartungen bleiben einigermassen nüchtern
Damit zurück zur aktuellen Marktsituation. Anders als in den Spätneunzigern können die Kursavancen der letzten Jahre immer noch in einen sinnvollen Zusammenhang mit der Ertragsentwicklung der Unternehmen gebracht werden. Zwar breitet sich im US-Aktienmarkt seit etwa zwei Jahren allmählich Optimismus aus, was zu einer Ausweitung der Bewertungen führt. Tempo und Ausmass dieser Entwicklung bleiben jedoch in vernünftigem Rahmen. Der US-Wirtschaft geht es schliesslich derzeit tatsächlich recht gut. Zudem haben insbesondere die amerikanischen Unternehmen immer wieder gezeigt, dass sie in der Lage sind, über erhebliche Zeitspannen hindurch überdurchschnittliche Wirtschaftsleistungen zu erbringen. US-Aktien verdienen daher eine gewisse Prämie.
Wenn wir zudem das hohe Niveau der Unternehmensrentabilität und das tiefe Zinsniveaus berücksichtigen, dann können wir US-Aktien, auch NASDAQ-Titel, sogar weiter als historisch "billig" bezeichnen. Der Markt berücksichtigt diesmal also durchaus die Möglichkeit von Rückschlägen - bzw. den Sinn eines "Bewertungspuffers". So spiegelt sich in den steigenden US-Bewertungen letztlich wahrscheinlich nur der Anfang vom Ende der Ära der grundsätzlichen Vorsicht, die auf die Zeit nach 2000 folgte. Ausgeschöpft wirkt dieser neue Aufwärtszyklus jedoch noch lange nicht. Gleichzeitig dürfte diese US-Hausse fortan zunehmend weiter auf andere Märkte überschwappen vor allem auf diejenigen, die noch mit einem Abschlag gegenüber den USA bewertet werden.
US-Technologiesektor: Kursavancen fundamental noch nicht ausgereizt
Im ersten Chart (siehe PDF, Seite 2) zeigen wir die Kurs- und Ertragsentwicklung für den MSCI USA Information Technology. Wir ziehen diesen Index vor, weil Nasdaq bzw. Nasdaq 100 auch andere Branchen, inklusive ausländischer Titel, abbilden und weniger weit zurückreichende Daten bieten. Die Kernaussagen ändert dies jedoch kaum. Wir sehen, wie extrem sich die Kurse während der Schlussphase des Dot-com-Booms von 1998 bis 2000 von der zugrundeliegenden Ertragsrealität entkoppelten. Es dauerte mehr als 10 Jahre, bis das vorweggenommene Ertragsniveau in etwa erreicht wurde. Von 2000 bis 2003 wurde dieser "Überschwang" allerdings korrigiert, und seitdem dominiert eine grundsätzlich vorsichtige Haltung. Die Kurse folgen seitdem tendenziell den Unternehmensgewinnen, nicht umgekehrt. Betrachten wir die letzten Jahre, so nimmt das Tempo der Kursavancen relativ zum Tempo des Gewinnwachstums wieder zu. Investoren zeigen sich also wieder etwas optimistischer. Im hier nicht gezeigten Nasdaq steigen die Bewertungen inzwischen sogar noch deutlicher an, als im reinen US-Technologieindex. Von einer Übertreibung kann aber noch nicht die Rede sein. Vielmehr handelt es sich bei den jüngsten Avancen um eine Rückkehr zur Normalität - nachdem mehr ein Jahrzehnt lang Zurückhaltung geübt wurde. Die US-Aktienhausse wirkt daher auch im Technologiebereich noch lange nicht ausgereizt. Sie wird vielleicht nicht stärker ausgeprägt sein als in anderen Märkten oder Segmenten - dafür aber aus fundamentaler Sicht doch etwas besser abgestützt.
Hohe Rentabilität und Dividendenerträge - auch dank extrem tiefer Zinsen
Der nächste Chart (siehe PDF, Seite 2) illustriert, wie günstig Aktien wirken, wenn wir die Unternehmensertragskraft in einem Umfeld tiefer Zinsen berücksichtigen. Für Anleger besonders interessant ist dabei die Dividendenrendite. Die goldene Linie zeigt die Differenz zwischen Dividendenrendite des MSCI USA Information Technology zum sogenannten risikolosen Zinssatz (in diesem Fall eine globale zehnjährige Staatsanleihenrendite, unter den Annahme, dass Nasdaq-Anleger ein internationales Publikum darstellen): Diese notiert auf historischen Höchstständen. Obwohl der heutige Stand sowohl die Niveaus der Dotcomblase als auch des Häuserbooms 2002-2007 übertrifft, bewegen sich die Bewertungen immer noch auf tieferem Niveau. Das Gesamtbild ändert sich wenig, wenn wir Eigenkapitalrenditen oder Betriebsgewinnmargen betrachten. Angesichts ihrer Ertragskraft können Unternehmen im aktuellen Tiefzinsumfeld immer noch als attraktiv betrachtet werden. Der Markt behält sich also durchaus eine gewisse Dosis Skepsis vor. Den aktuell tiefen Zinsen wird eben doch nicht ganz "getraut". Mit anderen Worten: Die Möglichkeit von Rückschlägen, z.B. durch eine Wende in der Geldpolitik oder im Inflationsausblick, wird nicht völlig ignoriert. Das war in den 1990ern doch anders."
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