04.12.2024, 10:51 Uhr
«Während die Märkte von einer lockeren Geldpolitik beflügelt werden, drohen politische Umwälzungen in den USA sowie geopolitische Spannungen», schreibt Nicolas Forest, Chief Investment Officer bei Candriam in...
Laut LGT-Experte Mikio Kumada dürfte sich die US-Konjunktur weitaus besser entwickeln als vom Konsens erwartet. Lesen Sie mehr im aktuellen Marktkommentar.
"Eigentlich sollten die Energiebaisse und der starke US-Dollar den US-Unternehmen im ersten Quartal des Jahres einen seltenen Ertragsrückgang «bescheren». Davon ging der Konsens aus. Die ersten Indizien aus der Ertragssaison verweisen jedoch darauf, dass die Analysten im Schnitt die positiven Auswirkungen ebendieser Faktoren auf die Konjunktur zum Teil deutlich unterschätzen. Das US-Gewinnwachstum dürfte daher weiter auf ansehnlichem Niveau verharren.
In der vergangenen Woche begann in den USA die Berichtssaison für das erste Quartal 2015. Mit einem geschätzten Rückgang des Quartalsgewinns für den S&P 500 von rund 5% gegenüber dem Vorjahr hatte der Konsens den ersten Einbruch seit dem dritten Quartal 2012 in Aussicht gestellt. Zugleich wäre damit der grösste Rückgang seit Beginn der Hausse vor mehr als sechs Jahren verbucht. Gemäss der ersten Berichte von der Wall Street scheinen die US-Unternehmen stattdessen das höchste Gewinnwachstum seit mindestens vier Jahren auszuweisen.
Die US-Firmenerträge werden schon länger systematisch unterschätzt. Das tatsächliche Wachstum war während der vergangenen vier Jahre in jedem Quartal im Schnitt rund drei Prozentpunkte höher als prognostiziert. In den zwei Jahren davor war das Ausmass der Unterschätzung oft noch extremer. Im Schlepptau von Finanzkrise und Weltrezession wollte wohl kaum ein Analyst mit rosigen Zukunftsprognosen auffallen. Insgesamt bleibt die Konsenshaltung aber auch heute tendenziell vorsichtig.
USD-Hausse und Energieeinbruch gelten primär als belastende Entwicklungen
Nach wie vor werden allzu optimistische Konjunkturszenarien weiter im Hintergrund gehalten, wenn nicht völlig ignoriert, während den Risiken und Warnhinweisen ein hohes Gewicht beigemessen wird. Gemäss einer aktuellen Analyse der Telefonkonferenzen zwischen Managern und Analysten über den Geschäftsausblick, den sogenannten «Earnings Calls», wurde der starke US-Dollar in 70% der Fälle als der grösste (potenzielle) Belastungsfaktor erwähnt, gefolgt von den Streiks der Hafenarbeiter an der US-Westküste (22%) und dem jüngsten Rohöl- und Gaspreiseinbruch (13%). Vor diesem Hintergrund wurde aus dem per Ende Dezember erwarteten EPS-Wachstum von 4.3% bis letzten Freitag ein EPS-Einbruch von 4.8%. Eine solch deutliche Herabstufung der Prognosen gab es zuletzt im Q1/2009 - also auf dem Höhepunkt der letzten Baisse und im direkten Anschluss an die Finanzkrise.
Positive Konjunktureffekte werden ignoriert
Diese Einbruchsprognose dürfte sich zum Glück jedoch nicht bewahrheiten. Die ersten Berichte deuten darauf hin, dass der Konsens die negativen Folgen der jüngsten Währungs- und Energiemarktentwicklungen übertreibt, die positiven Nebeneffekte ebendieser Faktoren aber weitgehend ignoriert. Eine starke Währung kann in Kombination mit tiefen bzw. sinkenden Energiepreisen natürlich die Verbraucherstimmung, den Binnenkonsum aber auch die verarbeitende Industrie potenziell sogar sehr deutlich stimulieren - dies gilt in besonderem Masse für Volkswirtschaften mit hoher Konsumneigung, wie eben jene der USA. Wir sollten auch hinzufügen, dass allgemein antizipierte Währungs- und Energiemarktschwankungen in der Regel in hohem Masse effizient absichert werden können. Export- und Energieunternehmen können also solchen Risiken weitgehend entgegenwirken.
Bisher wurden in den USA jedenfalls 131 Ergebnisse publiziert, von insgesamt mehr als 5,000 Unternehmen. Aus diesen geht hervor, dass die US-Unternehmen, trotz USD-Rallye und Ölbaisse, ihren Gewinn je Aktie (EPS) im Q1/2015 aggregiert um 8.3% gesteigert haben. Das liegt nahe der höchsten EPS-Wachstumsrate des S&P 500 der letzten drei Jahre. Zudem lieferten bezeichnenderweise die beiden Konsumbranchen «Discretionary» und «Staples» sowie die verarbeitende Industrie die deutlichsten positiven Überraschungen (22% bis knapp 27% über Konsens), während der Einbruch der Energiebranche nicht so dramatisch wie befürchtet ausgefallen ist. Unter dem Strich scheinen Unternehmen und Verbraucher in den USA also zunehmend von den Vorteilen einer reiferen - und daher auch stabileren - Phase im Konjunkturzyklus zu profitieren. Die US-Hausse dürfte also auch in Zukunft recht robust bleiben.
Grafiken und zusätzliche Hintergrundinformationen
Industrie und Konsum weisen die höchsten Gewinnwachstumsraten aus
Die beiden Tabellen (siehe PDF Seite 2) bieten einen Überblick über die Ergebnisse der US-Berichtssaison für das Q1/2015. Die erste Tabelle zeigt das Umsatz- und Gewinnwachstum gegenüber Vorjahr, nach Sektoren geordnet. Bisher haben 131 von insgesamt 5,228 börsenkotierten US-Unternehmen ihre Q1-Ergebnisse ausgewiesen. Wir betrachten diesmal die Gesamtheit der Ergebnisse statt nur die Ergebnisse im S&P 500 oder MSCI USA, um einen breiteren ersten Einblick in den generellen Trends im Markt zu erlangen. Auf dieser Basis weisen mit Ausnahme der Branchen Energie und Materialien, die dem Energie- und Rohstoffpreisverfall natürlich am direktesten ausgesetzt sind, die meisten Branchen zum Teil sehr hohe Wachstumsraten aus. Auch Gesundheitswesen und der Technologiebereich weisen bisher kaum Wachstum aus - doch das stellt keine Überraschung dar, wie die nächste Tabelle aufzeigt. Interessanter ist, dass Konsum und Industrie allen Schätzungsreduktionen zum Trotz weiter deutlich zulegen konnten. Auf Gesamtmarktebene beträgt das EPS-Wachstum 8.3%. Auf Ebene des S&P 500 betrug der höchste Zuwachs der letzten drei Jahre 8.8% (im Q3/2013). Erwähnenswert ist auch, dass die Gewinne in der Regel immer noch stärker wachsen als die Umsätze - ein Hinweis, dass es mit der Profitabilität der Unternehmen weiterhin tendenziell bergauf geht (Erhöhung der Gewinnmargen, Eigenkapitalrenditen).
Negative Aspekte der Energie- und Rohstoffbaisse überschätzt
Die zweite Tabelle (siehe PDF Seite 2) zeigt die Ergebnisse im Vergleich zu den Konsensschätzungen. Auf Gesamtebene sind die EPS rund sieben Prozentpunkte über den Erwartungen ausgefallen. Unter den Sektoren mit wachsenden EPS verbuchten der Basiskonsum, der zyklische Konsum und die Industrie die deutlichsten positiven Abweichungen - genau jene Sektoren, die typischerweise von tieferen Energiepreisen und einer aufgehellten Binnenkonjunktur profitieren sollten. Doch auch der Energiesektor lieferte eine deutlich positive Abweichung: Der EPS-Rückgang ist mit weniger als 4% bisher bei Weitem nicht so hoch wie befürchtet ausgefallen. Zusammengefasst bestätigt das Gesamtmuster, dass die Auswirkungen des Öleinbruchs und/oder des starken USD eher überschätzt wurden, während die positiven Effekte ebendieser Faktoren unterschätzt werden. Beachtenswert ist auch, dass die populären Branchen Gesundheit und Technologie die Erwartungen nur marginal übertreffen konnten - typisch für seit Jahren beliebte und boomende Sektoren. Hier sind Analysten eben eher bereit, vergleichsweise optimistische bzw. hohe Schätzungen abzugeben.
Das endgültige Ergebnis könnte natürlich von diesem ersten vorläufigen Eindruck durchaus noch abweichen. Da die bisherigen Indizien auf Basis des Gesamtmarktes jedoch sowohl vom Muster als auch von den Dimensionen her doch klar von den Konsenswerten abweichen, dürfen wir doch einigermassen zuversichtlich sein, dass diese Entwicklung letztlich auch auf Ebene des S&P 500 bestätigt werden dürfte. Noch per Ende der vergangenen Wochen hatte der Konsens für den S&P 500 schliesslich einen Rückgang der EPS um 4.8% vorhergesagt. Auch ohne den Energiesektor sah der Konsens nur ein mageres Gewinnwachstum von 3.3%. Diese Schätzungen wirken jetzt eindeutig zu konservativ."
Lesen Sie hier den ganzen Kommentar mit Grafiken als PDF.