04.12.2024, 10:51 Uhr
«Während die Märkte von einer lockeren Geldpolitik beflügelt werden, drohen politische Umwälzungen in den USA sowie geopolitische Spannungen», schreibt Nicolas Forest, Chief Investment Officer bei Candriam in...
Manche Stimmen befürchten, dass der jüngste Anstieg des US-Dollars das Wirtschafts- und Gewinnwachstum in den USA abwürgen könnte. Bei diesem Thema sollten wir jedoch Ursache und Wirkung nicht verwechseln. Die aktuelle USD-Stärke ist letztlich Ausdruck einer robusten, selbstragenden Konjunktur. Die Aktienhausse an der Wall Street dürfte uns daher erhalten bleiben - dass dabei andere Märkte immer wieder interessanter werden, gehört naturgemäss dazu. Lesen Sie dazu den Kommentar von Mikio Kumada, CIIA, Global Strategist bei LGT Capital Partners.
"Die amerikanische Aktienhausse scheint an Schwung zu verlieren - nachdem sie seit der globalen Finanzkrise von 2008 stetig besser lief, als in allen anderen Märkten. Seit Jahresbeginn hat der S&P 500 nur 0.7% zugelegt, während Frankreich, Deutschland, Italien und die Niederlande (rund 80% der Kapitalisierung der Währungsunion) Kursgewinne von 18% oder mehr verbuchten. Japan stieg um rund 12%, Chinas Shaghai-Index fast 9% und das viel geächtete Russland verbuchte ein Plus von 15%.
Der am häufigsten genannte Grund für diese schwache US-Performance ist der wiedererstarkte USD. Gegenüber dem Euro hat der «Greenback» alleine in diesem Jahr um 14% aufgewertet. Gegenüber den handels- und korrelationsgewichteten Währungskörben hat die Dollar rund 6% bzw. fast 8% zugelegt. Nun wird zum Teil befürchtet, dass dieser Anstieg die US-Erträge aus Europa reduzieren würde (auch wenn die zahlreichen US-Tochterfirmen vor Ort ebenso vom schwächeren Euro profitieren, wie ihre europäischen Mitbewerber). Wir halten solche Bedenken derzeit allerdings für etwas voreilig und übertrieben.
Begrenzte relative Schwäche der USA
Erstens fusst die relative Schwäche der USA nicht auf breiter Basis - sie besteht in erster Linie gegenüber Europa und Japan sowie einigen Spezialfällen wie Indien oder Russland. Ansonsten halten US-Aktien mit dem globalen Trend durchaus Schritt, insbesondere auf USD-Basis. Der MSCI All-Country World Excluding USA ist in diesem Jahr um etwa 1.6% gestiegen, im Vergleich zu 1.1% für den MSCI USA. Gegenüber den Emerging Markets befinden sich die USA sogar weiter klar im Aufwind (siehe Grafik im PDF, Seite 2). Wir haben es also weniger mit einer US-Schwäche zu tun, als mit besonders starken Phasen in Europa und Japan.
Eine aufwertende Währung ist ein Zeichen der Wirtschaftsstärke
Zweitens ist die Vorstellung, dass eine starke Währung grundsätzlich etwas Schlechtes ist, fragwürdig. Eine starke Währung kann natürlich ein Problem sein, wenn sie das Ergebnis einer Geldpolitik ist, die trotz eines Konjunktureinbruchs zu restriktiv bleibt. Letzteres ist in den USA aber sicher nicht der Fall. Im Gegenteil: Der starke USD könnte nötigenfalls die US-Notenbank dazu bewegen, bei den geplanten Zinserhöhungen noch grössere Geduld walten zu lassen. Schlussendlich ist die USD-Stärke aber die Konsequenz einer robusten Konjunktur - und der sich daraus ergebenden Erwartungen vergleichsweise hoher und stabiler Investitionserträge.
Starke Währungen gehen zudem keineswegs generell mit schwachen Börsen einher. So war der Yen in diesem Jahr die zweitstärkste Währung nach dem USD (Aufwertung von 6.3% gegenüber Währungsindex) - und die Tokioter Börse zählte trotzdem zu den weltweit besten. Und in den 1990er Jahren wirkte der starke USD alles andere als negativ - vielmehr trug er damals dazu bei, den Wirtschaftsboom des Jahrhunderts einzuläuten. Ähnliches gilt für Japan in den 1980ern oder sogar für den Euroraum in den 2000ern. Der Zusammenhang zwischen Währungstrends und kurzfristigen Börsenbewegungen wirkt aus dieser Perspektive doch eher zufällig.
Die relative Attraktivität der USA dürfte allmählich nachlassen
Abschliessend sollten wir zwischen der absoluten und relativen Perspektive unterscheiden. Aus absoluter Sicht dürfte uns der Wall-Street-Bulle durchaus noch erhalten bleiben, weil die Aussicht auf höhere US-Zinsen letztlich die zurückgewonnen Wirtschaftskraft signalisiert. Relativ gesehen sollten aber andere ausgewählte Märkte attraktiver bleiben bzw. mit der Zeit interessanter werden - wenn auch nur im Rahmen eines oft ohnehin längst überfälligen Aufholprozesses gegenüber der US-Aktienhausse.
Relative Sicht: Begrenzte Schwäche der USA
Die erste Grafik (siehe PDF, Seite 2) zeigt die Wertentwicklung (in USD) des MSCI USA relativ zum MSCI World Excluding USA und dem MSCI Emerging Markets seit Ende 2008 (d.h. kurz vor Beginn der aktuellen Hausse). Gegenüber den anderen Industrieländern haben US-Aktien seit letztem Dezember etwas nachgegeben. Dahinter steckt die besonders kräftige Rallye in der Eurozone seit Januar sowie die anhaltende Stärke Japans. Gleichzeitig können wir aber leicht erkennen, dass der langfristige relative Aufwärtstrend der USA noch nicht gebrochen bzw. in Gefahr ist. US-Aktien haben seit 2009 schliesslich viele Phasen der relativen Schwäche durchgemacht, die sich letztlich alle als temporär herausstellten. Gegenüber den Schwellenländern haben die USA gerade ein neues Hoch erklommen. Es sei angemerkt, dass die Betrachtung dieser Aktienindizes in lokaler Währung das Gesamtbild noch nicht wesentlich verändert.
Absolute Trend: US-Aktien bleiben in einer robusten Hausse
Die zweite Grafik (siehe PDF, Seite 2) zeigt die Kursentwicklung des MSCI USA seit Ende 2008 in verschiedenen Währungen sowie in Gold. Auch dieses Bild relativiert stark die vergleichsweise schwache Performance der USA seit Anfang Jahr. Aus der globalen Perspektive hat der US-Bullmarkt im Laufe der letzten Monate sogar weiter an Schwung gewonnen (z.B. aus Sicht des Yen und der meisten Europäer mit Basiswährung Euro). Selbst aus Schweizer Franken-Sicht wurden die scharfen Verluste vom Januar (überraschende Abkopplung des Frankens vom Euro) bereits weitgehend nivelliert. US-Aktien befinden sich auch in Gold gemessen im Aufwärtstrend. Professionelle und institutionelle Investoren konzentrieren sich zumeist auf «reine» Aktienperformance, weil sie Währungstrends absichern bzw. separat verwalten. Diese Anleger werden sicherlich weiterhin stets Ausschau nach Alternativen mit Aufholpotential halten. Für die meisten Aktienanleger dürften die USA aber insgesamt trotzdem weiterhin attraktiv genug bleiben, auch wenn ein grösserer Anteil der Kursgewinne und Erträge mehr von der Währung und weniger vom Aktienmarkt selbst getrieben werden sollten. Letzteres stellt im Rahmen des Börsenzyklus letztlich eine natürliche Entwicklung für eine reife Hausse dar."
Lesen Sie hier den ganzen Kommentar mit Grafiken als PDF: Starker US-Dollar stützt die Aktienhausse