04.12.2024, 10:51 Uhr
«Während die Märkte von einer lockeren Geldpolitik beflügelt werden, drohen politische Umwälzungen in den USA sowie geopolitische Spannungen», schreibt Nicolas Forest, Chief Investment Officer bei Candriam in...
Im Januar überschatteten aussergewöhnliche Ereignisse in Europa die Berichtssaison. Allerdings wurden damit auch die wichtigsten wirtschaftspolitischen Weichen für den Kontinent neu gestellt - und sie sind unter dem Strich wachstumsfreundlicher ausgerichtet als zuvor, erklärt Mikio Kumada von LGT.
"Solange ein böswillig herbeigeführter 'Grexit' vermieden werden kann dürften sich auch die Anleger allmählich wieder auf das weitgehend robuste Unternehmensgewinnwachstum zurückbesinnen", sagt Kumada weiter. "In den letzten Wochen hat sich in Europa doch einiges bewegt. Die Schweiz kehrte abrupt zu einem flexiblen Währungsregime zurück, während die Eurozone nach jahrelangen Diskussionen endlich eine ordentliche quantitative Lockerungspolitik lancierte. Auch die schlagzeilenheischenden griechischen Wahlen unterstreichen am Ende schliesslich nur die Tatsache, dass das Primat der strengen Geld- und Sparpolitik in Europa langsam aber sicher der Vergangenheit angehört.
Allfälliger "Grexit" dürfte auch geopolitische Spannungen erhöhen
Zugegebenermassen besteht weiter ein gewisses Restrisiko in Bezug auf Griechenland - wobei sich dieses im Extremfall keinesfalls auf die rein ökonomischen Aspekte eines Euro-Austritts ("Grexit") beschränkt. Sollten die Beziehungen zwischen Athen und dem Westen in den kommenden Monaten irreparablen Schaden erleiden, dann könnte Griechenland nach einem mehr oder weniger erzwungenen "Grexit" neben der Europäischen Union auch die NATO verlassen. Es dürfte dann wohl nicht lange dauern, bis Russland Militärstützpunkte im Mittelmeer erhält. Zum ersten Mal seit dem Zusammenbruch der UdSSR im Jahr 1990 wäre dann Russland die Macht, die im Vorhof des Gegenlagers strategisch Fuss fasst - bisher war es ja immer nur der Westen. In der geopolitischen Arena würde Moskau gegenüber einer gespaltenen EU und einer weitgehend abwesenden USA damit global punkten. So mag ein "Grexit" rein wirtschaftlich inzwischen zwar durchaus "machbar" sein - sollte es aber tatsächlich so weit kommen, dann würden sich doch eine Reihe fundamentaler Fragen ergeben, die letztlich das Grundvertrauen in Europas Zukunft beeinträchtigen könnten.
Kompromiss mit Athen nach wie vor sehr wahrscheinlich
Trotzdem: Wichtiger bleibt im Moment, dass das "QE" der Europäischen Zentralbank im März beginnt und eine überarbeitete europäische Übereinkunft zu Griechenland das mit Abstand wahrscheinlichste Szenario darstellt. Gleichzeitig würde ein solches Abkommen auch generell das Ende des harten Sparprimats in Europa symbolisieren. Statt eines "Schuldenschnitts", wie es im Wahlkampf oft hiess, schlägt die neue griechische Regierung beispielsweise vor, einen Teil seiner Schulden an das nominale Wirtschaftswachstum zu koppeln - damit soll auch Europa ein stärkeres Interesse am Wachstum Griechenlands entwickeln, statt nur auf Sparmassnahmen zu bestehen. Bis zu einer Einigung mit Athen könnte aber sicherlich noch einige Zeit vergehen und der Weg bis dorthin dürfte auch durchaus Nerven kosten. In der Zwischenzeit können wir uns aber immerhin darüber freuen, dass die Unternehmensgewinne in praktisch allen entwickelten Industrieregionen weiterhin robust wachsen.
Ermutigende Signale aus der Berichtssaison für das vierte Quartal 2014
In den USA, wo rund die Hälfte der Ergebnisse bereits veröffentlicht wurden, haben Margen und Gewinne den Konsens erneut übertreffen können (MSCI-Basis). Das Ergebnis je Aktie (EPS) ist gegenüber Vorjahr, statt wie prognostiziert leicht zu sinken, immerhin um rund 5% gestiegen. Auch in Japan, wo 55% der Resultate bekannt sind, wachsen die Konzerngewinne weiter überdurchschnittlich stark: Statt gemäss Konsens zu stagnieren, sind sie um gut 11% gestiegen - wobei diese Zahl von Verlusten einer Handvoll Stromversorger und eines Ölkonzerns nach unten "verzerrt" wird. Ohne Berücksichtigung dieser Ergebnisse sind Japans EPS nämlich um knapp 23% gestiegen - was die Schätzungen um 17.5% übertraf. Im Euroraum stehen uns bisher nur ein Fünftel der Ergebnisse zur Verfügung. Doch die ersten Anzeichen sind auch hier ermutigend (36% EPS-Wachstum), wobei sich der Finanzsektor stark erholte, während die Energie- und Grundstoffsektoren nicht im befürchteten Mass von der jüngsten Öl- und Industriemetallbaisse belastet wurden (was übrigens auch für die USA gilt). So können wir uns angesichts des anstehenden "QE" der EZB und des deutlich abgeschwächten Euro gut vorstellen, dass die 2014 ausgebliebene Ertragserholung im Euroraum in diesem Jahr doch endlich Realität wird.
Robuste Ergebnisse in den USA und Japan und ein guter Start in Europa
Die Tabellen im PDF auf Seite 2 fassen die Berichtssaison für das vierte Quartal 2014 in den Märkten zusammen, in denen wir derzeit eine übergewichtete Aktienquote fahren. Basierend auf MSCI-Indizes übertreffen Gewinne und Margen generell überall die Konsensschätzungen - vor allem aber in der Eurozone (wo die Berichtssaison allerdings noch am wenigsten fortgeschritten ist). US-Unternehmen hätten eigentlich wegen reduzierten Margen etwas niedrigere EPS ausweisen sollen. Stattdessen lieferten sie leicht höhere Margen und etwas deutlicher gesteigerte Gewinne. Erwähnenswert ist auch, dass energiesensitive Branchen in den USA und Europa nicht im befürchteten Ausmass vom letztjährigen Einbruch der Öl- und Industriemetallpreise belastet wurden. Die meisten anderen Sektoren weisen gute Wachstumsraten aus, insbesondere die Brachen Telekommunikation, Technologie und Industrie.
Anhaltendes Gewinnwachstum in Japan
Japans Berichtssaison ist am weitesten fortgeschritten und bisher sehr positiv. Auch hier haben sich Margen und EPS deutlich besser als erwartet entwickelt, angeführt von den Technologie- und Industriebranchen (siehe PDF, Seite 2). Das Wachstum ist immer noch höher als in den USA, weil sich Japans Konjunktur erst mit deutlicher Verzögerung gegenüber den USA zu erholen begann. Erwähnenswert ist, dass das Gewinnwachstum in Japan viel höher ist, wenn wir den Spezialfall Versorgungswirtschaft, in der auf EPS-Ebene eine Handvoll Firmen deutlich höher als erwartete Verluste ausgewiesen haben, herausrechnen.
Positive Indizien aus der europäischen Berichtssaison
Europas Berichtssaison ist noch vergleichsweise jung. Die ersten Anzeichen sind aber positiv, primär dank einer starken Erholung der Finanzbranche des Euroraums sowie einiger Überraschungen im Industriesektor. Die Wachstumsrate der Gewinne ist derzeit die höchste der Welt - was Sinn macht, weil der Euroraum in den letzten Jahren eine viel strengere Geld- und Staatsausgabenpolitik verfolgte und damit den anderen Regionen im Zyklus "hinterherhinkte". Erwähnenswert ist, dass das EPS-Wachstum in der Eurozone (36% gegenüber Vorjahr) auch deutlich höher ist als im übrigen Westeuropa (knapp 4%)."
Lesen Sie hier den ganzen Kommentar mit Grafiken: Robuste Berichtssaison der Unternehmen (PDF)