23.12.2024, 08:37 Uhr
Der Spezialkunststoff-Hersteller Gurit will sich künftig ganz auf profitablere Regionen und Geschäftsbereiche konzentrieren. Im Zuge der angekündigten Restrukturierung sollen Werke in Dänemark, Indien und der...
Der europäische Rechtsrahmen sieht zukünftig mehr Transparenz bei nachhaltigen Anlagen vor, was die Quantifizierbarkeit von ESG-Risiken voraussetzt. Der CO2-Fussabdruck ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Indikator. Bei dessen Interpretation ist jedoch Vorsicht geboten, meint Ophélie Mortier von Degroof Petercam AM.
Langsam wird es ernst: Die Europäische Union hat eine Pflicht zur Offenlegung berücksichtigter Nachhaltigkeitskriterien in Anlageprozessen auf den Weg gebracht. Demnach soll Investoren vorgeschrieben werden, Informationen über ihre aktuellen Prozesse zur Berücksichtigung von Umweltrisiken und sozialen Risiken zu veröffentlichen. Sie müssen zukünftig auch transparent machen, inwiefern sich diese Risiken auf die Rentabilität der jeweiligen Investition auswirken könnten. Die Verordnung, die voraussichtlich Ende 2019 bindend wird, sage schon heute grünen Mogelpackungen den Kampf an, findet Ophélie Mortier, Head of Responsible Investments bei Degroof Petercam AM.
Das bedeute auch, dass Anbieter von "grünen" Anlagestrategien Informationen zu den Auswirkungen ihrer Produkte und Portfolios auf Nachhaltigkeit oder Klimaschutz darlegen müssten. "Die Ereignisse der letzten Jahre haben in aller Deutlichkeit gezeigt, dass der Klimawandel kurz- und mittelfristig finanzielle und wirtschaftliche Risiken birgt. Die Berücksichtigung von Klimarisiken in der Verwaltung von Anlageportfolios ist daher zu einem Muss geworden", sagt Mortier.
Angesichts der hohen Sensibilität, mit der CO2-Diskussionen derzeit geführt würden, sei die Dekarbonisierung von Anlageportfolios in aller Munde. Ausgangspunkt zur Senkung der CO2-Risiken in Anlegerportfolios ist die Kohlendioxidmessung, die nach wie vor auf unzulänglichen Methoden basiert. Nicht jede Fabrik oder jedes Unternehmen sei mit entsprechenden Mess-Sensoren ausgestattet. Daher würden die Emissionen meistens geschätzt, erklärt Mortier. Zudem sei es schwierig, zwischen direkten Emissionen, die bei der Produktherstellung anfallen und indirekten Emissionen, die durch die Nutzung von Produkten entstehen, zu trennen.
Eine mögliche Methode der Dekarbonisierung ist die gezielte Fokussierung auf Sektoren mit geringen Emissionen. Hierzu würde beispielsweise ein Portfolio zählen, das auf ein Engagement in Energiewerten, Versorgern sowie im Industriesektor ganz oder teilweise verzichtet. "Dies ist ein relativ restriktiver Ansatz. Die Hexenjagd auf fossile Energien hat mitunter eine radikale Abwendung vom Öl- und Gassektor zur Folge. Wenn die Bemühungen dieser Branchen als unzulänglich eingestuft werden, werden sie vielfach endgültig ausgeschlossen. Der Übergang zu einer klimafreundlicheren Wirtschaft sollte jedoch von einem Dialog mit allen Akteuren und Stakeholdern begleitet werden, um eine ambitionierte, aber dennoch erreichbare Wende zu bewerkstelligen", betont Mortier.
Das Ziel dieser Methode ist, den CO2-Fussabdrucks im Laufe der Zeit oder im Vergleich zu einem anderen Portfolio beziehungsweise einer Benchmark zu verringern. Dazu wird der Kohlendioxidausstoss einzelner Emittenten im Verhältnis zu ihrem Umsatz berechnet. Diese Methode der Kohlendioxidintensität basiert auf einem vom "Global Greenhouse Protocol" anerkannten Ansatz und beinhaltet sowohl Direktemissionen aus Quellen, die sich im Eigentum oder unter der Kontrolle des Emittenten befinden, als auch Direktemissionen aus dem erforderlichen Energieverbrauch für die Herstellung des Produkts selbst. Diese Methode gestatte eine umfassende Risikobewertung und einen Vergleich mit verschiedenen Indikatoren. Zudem belege die Bemühung um eine Verringerung des Fussabdrucks das starke Streben nach Fortschritten und echtem Umweltbewusstsein, meint Mortier. Die Nachhaltigkeitsexpertin weist dennoch auf Schwachpunkte hin: "Die Methode des CO2-Fussabdrucks unterscheidet nicht zwischen direkten und indirekten Emissionen, berücksichtigt keinen latenten Kohlendioxidausstoss und beruht vielfach auf Schätzwerten."
Der Ansatz des CO2-Fussabdrucks zielt laut der Expertin auf eine langfristige Reduzierung der Gesamtemissionen eines Portfolios ab. Dies könne einerseits gelingen, indem einzelne Portfoliowerte über- oder untergewichtet würden. Andererseits könne der CO2-Fussabdruck bei einem unveränderten Portfolio auch durch den technologischen Fortschritt schrittweise geringer werden. Zudem erhöhten oder verringerten sich Kohlendioxid-Messwerte zwangsläufig durch Verbesserungen der Berechnungsmethode.
Treiber dieser Entwicklung sei nicht nur der Druck der Zivilgesellschaft, sondern auch der europäische Gesetzgeber, durch den die Berücksichtigung von ESG-Kriterien zukünftig verpflichtend wird. Zur Einschätzung des Klimarisikos von Portfolios sei der CO2-Fussabdruck ein erster wichtiger Indikator. Angesichts der hohen Brisanz des klimatischen Wandels seien Analysten und Portfolioverwalter gefordert, das Thema sehr ernst zu nehmen. Basierend auf tiefgreifenden fundamentalen Analysen sollten jedoch alle Themen beachtet werden, die in den jeweiligen Wirtschaftszweigen nicht nur unter klimatischen, sondern auch unter sozialen Aspekten auf dem Spiel stünden, fasst Mortier zusammen.