23.12.2024, 08:37 Uhr
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Ralf Oberbannscheidt, Global Head of Thematic Investing bei Robeco Switzerland spricht im Interview über die Gefahren von Greenwashing und wieso Robeco als einer der ersten internationalen Asset Manager ein Reporting zu den Swiss Climate Scores für alle seine in der Schweiz zum Vertrieb zugelassenen Investmentfonds eingeführt hat.
Herr Oberbannscheidt, Greenwashing-Vorwürfe an Asset Manager sind Reputationskiller: Welche Prozesse hat Robeco eingerichtet, um Greenwashing zu vermeiden?
Ralf Oberbannscheidt: Mit dem Aufkommen zahlreicher neuer nachhaltiger Fonds in den letzten Jahren wird die Frage, wie Greenwashing vermieden werden kann, immer dringlicher. Sich auf einfache Ausschlusskriterien und die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken zu verlassen, reicht nicht mehr aus, um ein Nachhaltigkeits-Label zu rechtfertigen. Die Beweislast liegt bei den Asset Managern, die darlegen müssen, wie sie bewerten und entscheiden, welche Unternehmen in nachhaltige Fonds gehören und welche nicht. Es ist um einiges komplexer, als einfach eine Reihe von ESG-Daten zu kaufen und sie auf ein Portfolio anzuwenden.
Bei Robeco arbeiten viele verschiedene Nachhaltigkeitsspezialisten mit allen Anlageteams zusammen, um diese Daten und Informationen zu verstehen und in einem konsistenten und glaubwürdigen Prozess in Anlageentscheidungen zu integrieren. Es ist hilfreich, dass es eine Fülle von ESG-Daten gibt, aber am wichtigsten ist es, diese Daten richtig verstehen und beurteilen zu können. Wir legen für jede Strategie die spezifischen Nachhaltigkeitsziele und -merkmale klar fest und verankern die Beschränkungen in unseren Risikokontrollrahmen.
Ausserdem führen wir interne Prüfungen der ESG-Integration durch, die von den Anlageteams durchgeführt werden. Letztendlich ist Transparenz das Wichtigste: Asset Manager müssen klar aufzeigen, was Teil der Strategie des Fonds ist und was nicht, egal ob dieser als nachhaltig, verantwortungsbewusst oder anders bezeichnet wird.
Eigenverantwortung oder strenge Regulierung: Was funktioniert zur Vermeidung von Greenwashing?
Vorschriften sind absolut notwendig, aber wir glauben auch an die persönliche Verantwortung durch ein Höchstmass an Transparenz. Nehmen wir die Labels als Beispiel. Labels könnten eine wertvolle Orientierungshilfe und ein Gütesiegel für einen Fonds sein, was gerade für Retail-Investoren von Vorteil wäre. Die derzeitigen Labels unterscheiden sich jedoch stark in ihrem jeweiligen Ansatz. Das liegt daran, dass die Ansätze für nachhaltige Investitionen so unterschiedlich sind.
In der Schweiz ist Robeco gerade dabei, die Swiss Climate Scores zu implementieren. Die Swiss Climate Scores sind ein Instrument, das Ihnen als Investor helfen kann, die Transparenz der Klimaverträglichkeit der gewählten Finanzanlagen zu verbessern. Die Scores geben Anlegern eine einfache und konsistente Methode zur Hand, um die Klimaauswirkungen und -risiken unserer Anlagefonds sowie die Chancen und Herausforderungen des Übergangs zu einer Net-Zero-Wirtschaft zu bewerten.
Die Swiss Climate Scores stellen für Anleger ausserdem eine objektive Grundlage bereit, um verschiedene Anlageprodukte miteinander vergleichen und eine fundierte Entscheidung hinsichtlich der Unterstützung der globalen Klimaziele treffen zu können. Robeco ist einer der ersten internationalen Asset Manager, der ein Reporting zu den Swiss Climate Scores für alle seine in der Schweiz zum Vertrieb zugelassenen Investmentfonds eingeführt hat.
Der Druck auf die Finanzindustrie, namentlich die Asset Manager, in Bezug auf das Erreichen der Klimaziele ist enorm. Sind die Erwartungen zu hoch?
Der Druck, die Klimaziele zu erreichen, ist in der Tat gross. Er fördert jedoch auch die Innovation bei den Unternehmen, in die wir im Portfolio investieren und führt potenziell zu nachhaltigeren Finanzpraktiken auf der ganzen Welt. Viele der Lösungen von Robeco entsprechen den gestiegenen Anforderungen der Aufsichtsbehörden nach strengeren Vorschriften für Investitionen in Bezug auf Klimarisiken und deren Offenlegung. Da der Klimawandel ein beträchtliches finanzielles Risiko für Investitionen darstellt, zum Beispiel physische Risiken durch Klimaauswirkungen oder Risiken beim Übergang von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien, müssen wir einen besonderen Schwerpunkt auf die Durchführung von Analysen, Risikominderung und zukunftsorientiertes Denken legen.
Es ist hierbei immer gut, ehrgeizige Ziele zu haben, die wir mit innovativen und leistungsorientierten Produkten, globaler Zusammenarbeit zwischen Asset Manager, pragmatischeren und einheitlicheren Rahmenbedingungen und Vorschriften, neuen Technologien und nicht zuletzt mit einem globalen Vorstoss zur Modernisierung der Infrastruktur erreichen können. Dies alles sind hoffnungsvolle Anzeichen für einen langfristigen Erfolg!
Welche Instrumente nutzt Robeco, um gegenüber Investoren eine «Nachhaltigkeits-Rendite», also Impact, zu dokumentieren?
Wir investieren in börsennotierte Aktien und Anleihen, womit unser Ansatz in Bezug auf Impact darin besteht, in Unternehmen mit positiver Wirkung zu investieren. Seit vielen Jahren verwenden wir in unseren Anlagestrategien einen eigenen «SDG» (Sustainable Development Goals Score) als neuartige Kennzahl für die Nachhaltigkeitswirkung. Dieser Score misst, inwieweit Unternehmen positiv oder negativ zu den SDGs beitragen. Er ermöglicht es uns, Portfolios auf diejenigen Unternehmen auszurichten, die einen positiven Beitrag leisten, und Veränderungen im Laufe der Zeit zu messen.
Eine weitere wichtige Methode, die wir anwenden, ist das «Active Ownership». Bei Robeco verstehen wir uns seit fast 20 Jahren als aktive Eigentümer. Wir verfolgen einen sehr strukturierten Ansatz, um uns mit den investierten Firmen über kritische Nachhaltigkeitsthemen auszutauschen. Hierbei werden Themen angesprochen, von denen wir glauben, dass sie sich sowohl auf die Nachhaltigkeit als auch auf die potenziellen Anlagerenditen positiv auswirken können. Wir setzen klare Meilensteine in unseren Engagements, um später den Fortschritt in Richtung der Ziele messen zu können.
Wie vermeidet Robeco, dass es bei den Anlageprodukten zwischen finanzieller Rendite und «Nachhaltigkeits-Rendite» keinen Zielkonflikt gibt?
Für Robeco geht es bei nachhaltigen Investitionen um das Risiko-Ertrags-Profil der jeweiligen Anlagen und selbstverständlich auch um die Nachhaltigkeit des Unternehmens selbst. Wir sind davon überzeugt, dass Unternehmen, die sich zu Nachhaltigkeit oder der Energiewende verpflichtet haben, zu den Gewinnern der Zukunft zählen werden. Daher analysieren wir Nachhaltigkeitsinformationen um Anlagerisiken zu minimieren und alpha-generierende Ideen zu identifizieren. Bei der Betrachtung von finanziellen Renditen sollte man immer auch eine langfristige Perspektive einnehmen. Sowohl bei thematischen als auch bei Nachhaltigkeitsinvestitionen ist Geduld gefragt, da Investitionsformen nur einen Teil der globalen Aktien- oder Anleihenmärkte abbilden können. Die kurzfristige Ungeduld von Quartal zu Quartal ist nicht hilfreich, strukturelle Gewinner oder förderungswürdige Unternehmen zu identifizieren.
Welchen Überzeugungen folgen Sie in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimawandel?
Als Investor muss man den Klimawandel und andere Diskussionen über Nachhaltigkeit sehr ernst nehmen. Natürlich ist nicht jeder auf der Welt von den Konzepten oder der Dringlichkeit auf Länder-, Unternehmens-, Bevölkerungs- oder Firmenebene überzeugt, wie das jüngste Phänomen einer bipolaren Weltordnung nahe zu legen scheint. Hierin liegen jedoch der Charme und das Potential des thematischen Investierens. Mittels einer abweichenden Marktmeinung oder Unternehmensbewertung durch zukünftige Cashflows wird eine Investitionsmöglichkeit interessant. Für diese Klimalösungen wird der Klimaschutz über mehrere Komponenten in den Anlageprozess integriert, vom Ausschluss fossiler Brennstoffe über die Bottom-up-Analyse von Aktien und Emittenten bis hin zur Portfoliokonstruktion. Das ultimative Ziel lautet, die Portfolios unserer Kunden «klimakompatibel» zu machen, indem wir das CO2-Risiko reduzieren und sicherstellen, dass die Investitionen für den Klimawandel gerüstet sind.
Thematische Fonds hatten in der jüngsten Vergangenheit mit Gegenwind zu kämpfen; wie sehen Sie den Sektor und wohin denken Sie geht die Reise?
Im Jahr 2023 erlebten wir eine starke Allokation in Qualitätswachstum. Wir sind thematisch orientierte Investoren und daher in gewisser Weise agnostisch, was eine bewusste Faktor-Positionierung angeht. Dennoch ist die Streuung der Performance im vergangenen Jahr bemerkenswert. So erreichten einige globale Technologiewerte 2023 und erneut Anfang 2024 ein Allzeithoch. Diese spektakuläre Performance wurde durch die entfachte Fantasie in junge und aufstrebende Technologien, insbesondere der künstlichen Intelligenz, für Produktivitätssteigerungen in der Gesamtwirtschaft beflügelt. Zusätzliche Unterstützung lieferte auch die Tatsache, dass Technologiewerte als neuer «sicherer Hafen» angesehen wurden.
Ein Blick auf die Vermögensflüsse in den letzten zwei Jahren zeigt, dass eng fokussierte Themen-Fonds Mittelabflüsse hinnehmen mussten. Im Gegensatz dazu haben sich breiter aufgestellte Themen mit einem grösseren Spektrum an globalen Unternehmen und verschiedensten Sektoren gegen den Abwärtstrend stemmen und auch mit der Performance eine gewisse Widerstandfähigkeit aufweisen können. Eine plausible Erklärung für die nachlassenden Vermögensflüsse ist, dass die Anleger nach Jahren im Zeichen von «TINA», also there is no alternative to equities, nun anderswo attraktive Renditen mit geringem Risiko finden. Obwohl dies vor zehn Jahren noch nichts Besonderes war, sind heutige Renditen von 4 bis 5 Prozent definitiv eine Alternative zu Aktieninvestments. Trotz des Gegenwinds an den Märkten schnitten die meisten unserer Themenfonds besser ab als ihre thematischen Referenzindizes.
Sehen Sie neue Trends, die für die kommenden Dekaden von Interesse sein werden?
Wir sind mit viel Optimismus in dieses Jahr gestartet. Es gibt mehrere Trends, die bedeutende Wachstumschancen bieten, für die unsere thematischen Strategien gut positioniert sind. Die Bilanzen der Unternehmen - von Small bis hin zu Mega Caps - sind in einer wesentlich gesünderen Verfassung, nachdem sie die letzten 15 Jahre ausstehende Schulden begleichen konnten. Dieser Schuldenabbau war auch dank positiver Gewinnentwicklungen und eher disziplinierter Fusionen und Übernahmen möglich. Des Weiteren waren im Vergleich zu früheren Investitionsperioden die Managements etwas konservativer mit besseren Strategien unterwegs.
Das Jahr 2023 endete mit einer breiten Aktienmarktrallye, die dieses Mal nicht nur die grossartigen Mega-Cap-Technologiewerte, sondern auch kleine und mittelgrosse Unternehmen umfasste. Letztere waren bei früheren Erholungen merklich abwesend. Es könnte sein, dass die wahllosen Verkäufe, die nicht nur Einzelaktien, sondern auch ETFs umfassten, im Vorfeld zu attraktiven Bewertungen auf breiter Front geführt haben. Der Markt für Fusionen und Übernahmen belebt sich langsam wieder, was bedeutet, dass die Bewertungen der Zielunternehmen für die Käufer attraktiver zu sein scheinen. Angesichts des wiedererwachten Interesses und der Liquidität im Markt erwarten wir auch wieder mehr Börsengänge.
Ralf Oberbannscheidt ist seit 2023 Global Head of Thematic Investing und Mitglied des Executive Committee von Robeco Switzerland. In dieser Funktion leitet er die Teams für thematische Anlagen mit Sitz in Rotterdam und Zürich. Bevor er zu Robeco kam, war Oberbannscheidt Gründungspartner und Portfoliomanager bei Global Thematic Partners in New York. Von 1999 bis 2010 war er Senior-Portfoliomanager bei der Deutsche Asset Management mit Sitz in Frankfurt und später bei DB Advisors in New York tätig.
Ralf Oberbannscheidt hat einen Abschluss als Diplom-Kaufmann in International Business und Emerging Markets der Universität Trier, Deutschland, und erwarb ein MBA in International Finance am Middlebury Institute of International Studies in Monterey, USA.