Lazard: Wenn ESG plötzlich zum Risiko wird

Unter besonderer Beobachtung steht der Pharmasektor (Bild: H_Ko/Shutterstock.com)
Unter besonderer Beobachtung steht der Pharmasektor (Bild: H_Ko/Shutterstock.com)

Wie ein Unternehmen zur Gesellschaft steht, wird in der aktuellen Nachhaltigkeitsdiskussion immer wichtiger. Die sozialen Medien fördern diesen Trend noch. Wenig braucht's, und ein ganzer Wirtschaftszweig kann plötzlich in einem schlechten Licht stehen. Worauf zu achten ist, sagt Steve Wreford von Lazard Asset Management.

02.09.2019, 08:45 Uhr
Nachhaltigkeit

Redaktion: hf

Die Analyse der sozialen und ökologischen Auswirkungen einer Geschäftsstrategie ist inzwischen fester Bestandteil der Risikobewertung von Unternehmen. Nach Ansicht Steve Wrefords, Analyst im Global Thematic Equity Team von Lazard Asset Management, wird ein wesentlicher Nachhaltigkeitsaspekt jedoch nach wie vor nicht angemessen berücksichtigt. Er ist überzeugt: Der Erfolg eines Unternehmens basiert vor allem auf einer guten und stabilen Beziehung zur Gesellschaft.

"Jedes Unternehmen agiert unter einer ‚gesellschaftlichen Lizenz", bemerkt Wreford. "Verliert es diese Lizenz, kann das weitreichende Folgen haben: Verbraucher kehren der Marke den Rücken zu, Regierungen erlassen Gesetze, um Konsumenten zu schützen, oder Regulatoren bestrafen den Vertrauensverlust mit Auflagen. Dem Unternehmen werden möglicherweise die Grundlagen seines Geschäftserfolgs entzogen – mit dramatischen Folgen für den Aktienkurs."

Unter verschärfter Beobachtung

Mit dem Aufkommen der sozialen Medien hat die Beziehung zwischen Unternehmen und Gesellschaft stark an Bedeutung gewonnen. "Eine Nachricht, ein Foto, ein Video können heute in Sekundenschnelle mit der ganzen Welt geteilt und verbreitet werden; Lobbyisten verbreiten ihr Gedankengut über Twitter; ein Vergehen oder ein Skandal lassen sich kaum noch unter den Teppich kehren und können den Ruf von Unternehmen oder Branchen weltweit beschädige", kommentiert Wreford. Die Gefährdung der Beziehung eines Unternehmens zur Gesellschaft stelle deshalb zukünftig sogar die grösste Gefahr für den Wert einer Firma dar.

Das betreffe nicht nur Unternehmen, sondern ganze Branchen. Konsumenten würden durch Entwicklungen, wie zum Beispiel den Klimawandel, beeinflusst, ihre Werte veränderten sich und damit auch ihr Kaufverhalten. So könne etwas, das über Generationen akzeptiert war, plötzlich negativ gesehen werden.

"Ein solcher Wertewandel kann manchmal langsam passieren, und trotzdem ganz plötzlich zu einer Bedrohung für ganze Wirtschaftszweige werden" (Wreford). Vor allem Branchen, die starke Auswirkungen auf die Umwelt, die Gesundheit oder schwache Bevölkerungsschichten haben, seien gefährdet. So stehe etwa die Rohstoffindustrie aufgrund ihrer Umweltauswirkungen immer wieder in der Kritik. Noch wögen Steuereinnahmen und die Energieversorgung der Menschen stärker als der gesellschaftliche Druck. Die Frage sei allerdings, wie lange noch.

Beispiel Pharmaindustrie

Ein anderes Beispiel ist für Wreford die Pharmaindustrie. Diese werde für lebensrettende Innovationen gelobt, andererseits für hohe Preise an den Pranger gestellt. Auch Monopolbildungen und Verdrängungswettbewerb würden von der Gesellschaft nicht gerne gesehen. Sie wünsche sich von den Unternehmen niedrige Preise, kritisiere aber die Verlegung von Arbeitsplätzen in Länder, in denen diese billiger produzieren können: "Verändert die Öffentlichkeit ihre Wahrnehmung grundlegend, dann entzieht sie womöglich auch einer ganzen Branche die gesellschaftliche Lizenz", warnt Wreford.

Aus seiner Sicht ist es deshalb essenziell für Investoren, die Beziehungen eines Unternehmens respektive der Branche zur Gesellschaft in die Investmentanalyse mit einzubeziehen, besonders, wenn ein langfristiges Investment angestrebt werde. Die traditionelle Investmentanalyse leiste dies nur bedingt.

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