23.12.2024, 08:37 Uhr
Der Spezialkunststoff-Hersteller Gurit will sich künftig ganz auf profitablere Regionen und Geschäftsbereiche konzentrieren. Im Zuge der angekündigten Restrukturierung sollen Werke in Dänemark, Indien und der...
China nutzt wie auch andere Staaten seine wirtschaftliche Stärke als aussenpolitisches Instrument gegen Handelspartner, die das Land aus Regierungssicht zu Unrecht kritisieren. Aus Anlegersicht dürften die geopolitischen Risiken daher kurzfristig weiter zunehmen, meint Brian Bandsma von Vontobel.
In seiner Rede zum 100-jährigen Bestehen der Kommunistischen Partei Chinas sprach Präsident Xi über Multilateralismus und dass sich China nicht bevormunden oder unterdrücken lasse. Dies auch vor dem Hintergrund, dass Chinas Beziehungen zu seinen Nachbarn und Handelspartnern sich in den letzten sechs bis zwölf Monaten verschlechtert haben. Das Land sieht sich der ständigen Kritik westlicher Mächte ausgesetzt.
"Durch eine Konzentration von Macht kann eine Regierung in kürzester Zeit erhebliche Veränderungen des Status quo durchführen", sagt Brian Bandsma, Portfolio Manager bei Vontobel. Keine andere Regierung könne sich auf die Fahnen schreiben, so viele Menschen innerhalb weniger Jahrzehnte aus der Armut befreit zu haben wie die Kommunistisch Partei Chinas (KPCh). Ausserhalb Chinas formt sich jedoch zunehmend Widerstand gegen das Land. So intensivieren Japan, Australien, die USA und Indien die Gespräche über die Schaffung einer Viererallianz.
Angesichts der derzeitigen Gemengelage verschärfen die wichtigsten Handelspartner Chinas zunehmend ihre Handelspolitik und suchen nach Wegen, sich aus den in den vergangenen Jahrzehnten entstandenen wirtschaftlichen Abhängigkeiten zu lösen. "Dieser Prozess wird herausfordernd sein und Zeit benötigen. Perspektivisch sind weiter negative Auswirkungen auf Unternehmen und Anleger zu erwarten. Doch wie so oft ergeben sich dadurch anderswo Chancen", meint Bandsma.
Da es einige Zeit dauern dürfte, bis sich die aussenpolitischen Beziehungen des Landes wieder beruhigen, werde die derzeitige Entfremdung wohl zunächst anhalten. Unternehmen würden sich allmählich bewusst, dass sie durch die Abhängigkeit von China ein zu grosses Risiko eingegangen sind und versuchten nun, ihre globalen Lieferketten trotz möglicherweise höherer Kosten und längerer «Time-to-Market» zu diversifizieren, sagt der Fondsmanager. Im High-Tech-Bereich oder in strategischen Branchen erhalten inländische Produzenten staatliche Fördermittel, um das Risiko eines Material- oder Komponentenengpasses während aussenpolitischer Konflikte zu mindern. Infolgedessen dürften bestimmte Regionen oder inländische Mitbewerber auch bei einer Verbesserung der geopolitischen Lage weiter Unterstützung erfahren.
Chinas Wirtschaftspolitik ist weiter auf ein Wachstum des Binnenkonsums ausgerichtet, wobei die Abhängigkeit von Infrastruktur oder Handel als wesentliche Treiber gemindert werden soll. Dieses Unterfangen gestalte sich nicht ganz einfach, doch eine weitere Unterstützung von Produktion und Konsum im Inland könne dabei nur hilfreich sein. Insofern dürften Unternehmen, die von steigenden Pro-Kopf-Einkommen profitieren, Kurspotenzial bieten, so Bandsma.
Auch Internetdienstleistern sollte der gesteigerte Binnenkonsum zugutekommen. Nachfragefaktoren sorgen weiterhin für starke Unterstützung. Doch zunehmende regulatorische Überprüfungen der Geschäftspraktiken haben kurzfristige Kursanstiege weniger wahrscheinlich gemacht. "Langfristig gesehen dürften die soliden Fundamentaldaten der meisten Branchenteilnehmer jedoch nicht in Gefahr sein, zumindest wenn man die in jüngster Zeit eingeführten Einschränkungen und verhängten Strafzahlungen als Massstab nimmt", meint Bandsma. So musste beispielsweise die Ant Group sowohl beim Return on Investment als auch beim Wachstumspotenzial Rückschläge hinnehmen, das Unternehmen bleibe jedoch eine solide Anlage – wenn auch nicht mehr ganz so attraktiv.
Sowohl die Ant Group als auch Tencent dominieren die Fintech-Branche dank der grundlegenden Stärke ihrer Ökosysteme. Falls die Regierung deren Position dauerhaft schwächen wollte, würde sie die Muttergesellschaften zum Verkauf und dem Betrieb einer offenen Plattform zwingen. Dadurch wären die Verbraucher bei der Auswahl ihrer Zahlungsplattform weniger eingeschränkt. Doch bislang waren die Massnahmen und Ankündigungen der Behörden weit weniger extrem.
Angesichts dieses regulatorischen Risikos besteht nach Meinung des Experten eine mögliche Strategie darin, sich auf Unternehmen zu konzentrieren, die von den Regulatoren bereits überprüft wurden und weniger Bedeutung für strategische Branchen wie Finanzdienstleistungen, Industrie und Kommunikation besitzen. Videospiele scheinen beispielsweise derzeit aus dem Blick der Regulierungsbehörden gerückt zu sein, nachdem sie jüngst einer aufsichtsrechtlichen Reform und Prüfung unterzogen wurden.
"Präsident Xi deutete vor Kurzem an, sich gegenüber dem Rest der Welt kompromissbereiter zu erklären. Das lässt hoffen, dass einige der schwächelnden Beziehungen Chinas wiederhergestellt werden können. Wie genau China sein Vorgehen ändern will und wie die Reaktion seiner Handelspartner ausfällt, bleibt jedoch abzuwarten", sagt Bandsma.