21.11.2024, 10:45 Uhr
In seinem wirtschaftlichen Ausblick für 2025 prognostiziert Robeco ein weiteres schwieriges Jahr für die Weltwirtschaft. Die US-Wirtschaft zeige sich trotz einer Abkühlung des Verbrauchs weiterhin...
Der Start in den August hätte kaum turbulenter sein können. «Zwar scheint sich die Situation in der Zwischenzeit wieder beruhigt zu haben, dennoch sollten sich Anleger aus unserer Sicht nicht in Sicherheit wiegen und die Defensive somit nicht vernachlässigen», schreibt Ivan Domjanic, Kapitalmarktstratege bei M&G Investments.
Als Auslöser wurde von vielen Marktteilnehmern der schwache Arbeitsmarktbericht aus den USA, mit einer weit unter den Erwartungen gebliebenen Anzahl an neu geschaffenen Stellen außerhalb der Landwirtschaft angeführt. Dies wiederum schürte Rezessionssorgen und führte somit zu rückläufigen Renditeniveaus entlang der US-Zinsstrukturkurve.
Auf der anderen Seite des Pazifik hob die japanische Notenbank wenige Tage zuvor den Leitzins um 25 Basispunkte an, was zu einer Aufwertung des japanischen Yen führte. Es wird vermutet, dass das Zusammenlaufen der Renditedifferenz zwischen den USA und Japan in Kombination mit der rapiden Aufwertung des Yen gegenüber dem US-Dollar und dem Rückgang der globalen Aktienkurse zu einer panikartigen Auflösung des Yen-Carry-Trades geführt und somit den Abverkauf zusätzlich beschleunigt hat. «Ob dem tatsächlich so war, lässt sich kaum beweisen. Ein gewisser Einfluss technischer Faktoren liegt jedoch nahe», schreibt Domjanic.
Fest stehe, dass die ersten Anzeichen einer Korrektur am Aktienmarkt bereits einige Wochen früher zu erkennen waren. Gerade die Sektoren Technologie und Kommunikationsdienste, die den Markt zuvor massgeblich nach oben getrieben hatten, waren als erstes von Kursrückgängen betroffen. So hatte die Aktie von NVIDIA bereits am 20. Juni ihren Höhepunkt erreicht und hat bis zum Tiefpunkt am 5. August zwischenzeitlich über 30 Prozent an Wert verloren. Auf der anderen Seite konnten eher defensive Titel, wie z. B. Versorger, REITs oder Gesundheitswerte für eine gewisse Stabilität sorgen.
Es sei durchaus bemerkenswert, wie schnell sich Stimmung und Narrativ für die US-Wirtschaft ändern könne – von «Soft-Landing» zu Rezession und wieder zurück. Die Veränderung des Narratives lässt sich laut dem Experten neben den allgemeinen Kursrückgängen der Aktienmärkte auch an der Veränderung der eingepreisten Zinsschritte erkennen. So wurden zum Höhepunkt der Marktvolatilität am 5. August zwischenzeitlich über 130 Basispunkte an Zinssenkungen durch die US-Fed bis zum Dezember-Meeting eingepreist, was mindestens einen aggressiven Zinsschritt von 50 Basispunkten erfordern würde. Eine derartige geldpolitische Lockerung wäre letztlich nur dann zu erwarten, wenn die Notenbank einer Rezession entgegenwirken wollte. Nur zwei Wochen später ist das Ausmass der eingepreisten Zinssenkungen auf unter 100 Basispunkte gesunken.
Eine gewisse Abkühlung der US-Wirtschaft war aus Sicht von M&G Investments bereits seit einiger Zeit absehbar. Die restriktive Geldpolitik in Form von höheren Zinsen wirke schliesslich erst mit einiger Verzögerung. Dass der Konsum in den vergangenen 12 Monaten so robust geblieben ist, dürfte wohl den überschüssigen Ersparnissen zu verdanken sein. Diese könnten jedoch bald aufgebraucht sein. Ein Zurückfahren der Konsumaktivität, die in den USA letztlich für knapp 70 Prozent der Wirtschaftsleistung verantwortlich ist, käme daher nicht wirklich überraschend.
Erst kürzlich hatten auch mehrere grosse Unternehmen aus dem Konsumsektor eine spürbare Abkühlung des Konsums in den USA angemerkt. So warnte unter anderem der US-Baumarktriese Home Depot, dass die Umsätze in der zweiten Jahreshälfte aufgrund einer zunehmenden Zurückhaltung des US-Konsumenten wohl schwächer ausfallen dürften als erwartet. Andererseits scheinen sich die Einzelhandelsumsätze in den USA zuletzt sogar beschleunigt zu haben, was viele Marktteilnehmer überrascht habe. Von einem flächendeckenden Einbruch des Konsums könne also keine Rede sein.
Als wichtige Frühindikatoren werden häufig die Einkaufsmanagerindizes herangezogen. Für die USA stehen dabei zwei Datenanbieter zur Verfügung – S&P Global und ISM. Die gute Nachricht: Die beiden Einkaufsmanagerindizes des Dienstleistungssektors für den Juli liegen jeweils noch immer oberhalb der kritischen Fünfzigermarke und deuten damit auf einen Aufschwung hin. Die schlechte Nachricht: Die Indizes des verarbeitenden Gewerbes liegen jeweils unterhalb dieser Schwelle, was einen Abschwung signalisiert. In Anbetracht der Tatsache, dass der Dienstleistungssektor ein deutlich höheres Gewicht in der US-Wirtschaft hat, erscheine das Glas aus diesem Blickwinkel jedoch eher halb voll als halb leer.
Was den Arbeitsmarkt betrifft, signalisierten die enttäuschend ausgefallenen neu geschaffenen Stellen zwar eine gewisse Abkühlung hinsichtlich der Neueinstellungen, allerdings seien noch keine grösseren Entlassungswellen zu beobachten. Der Arbeitsmarkt kühlt sich zwar etwas ab, allerdings von einem ziemlich überhitzten Niveau aus.
Zusammengefasst könne man festhalten, dass die Konjunktur in den USA zwar etwas an Dynamik zu verlieren scheint, allerdings noch nicht in dramatischer Weise. Die relativ heftige Marktreaktion der ersten Augustwoche war daher laut Domjanic «möglicherweise einfach auf die bis dahin herrschende Sorglosigkeit der Marktteilnehmer, beschleunigt durch die weiter oben genannten technischen Faktoren, zurückzuführen. Dennoch sollte die jüngste Korrektur als Warnung verstanden werden, die Deckung nicht fallen zu lassen.»
Auf der Aktienseite bedeute dies, breit zu diversifizieren und sich beispielsweise nicht zu einseitig auf die «heissesten Momentum Aktien aus den USA» auszurichten. Insbesondere das Hinzuziehen von defensiven Aktiensegmenten, wie zum Beispiel Infrastruktur oder Gesundheitstiteln, könnte in Anbetracht der steigenden Unsicherheiten Sinn ergeben. Zudem könnten REITs von potenziell sinkenden Renditeniveaus profitieren.
«Auch die Bewertungen sollten aus unserer Sicht nicht ausser Acht gelassen werden. Im Gegensatz zu den populären Wachstumstiteln, sind in einer Vielzahl von günstig bewerteten Value-Titeln bereits rezessionsartige Szenarien eingepreist. Die Fallhöhe dürfte aus unserer Sicht daher bei solchen Aktien reduziert sein», so das Fazit.