02.12.2024, 10:49 Uhr
«Europa steht wirtschaftlich unter Druck und muss seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen globalen Wirtschaftsmächten – insbesondere den USA – verbessern», heisst es im neuesten Marktausblick des...
Emissionsintensive Sektoren werden an den Börsen seit Jahren abgestraft. Viele dieser Unternehmen hätten aber das Potenzial, in einer grünen Zukunft eine Rolle zu spielen. Das sagt Alexandra Christiansen, Portfolio Manager Global Climate Engagement Strategy bei Nordea Asset Management, die bei heutigen Verschmutzern auf Verbesserungen pocht – und damit deren Bewertungen steigern möchte.
Die Kapitalflucht aus emissionsintensiven Unternehmen und Sektoren hat sich über die vergangenen Jahre beschleunigt. Dieser Trend wird angeführt von Europa, aber auch in Nordamerika und im Asiatisch-Pazifischen Raum wurden in den vergangenen Jahren immer mehr Gelder in Sektoren investiert, die über ein vorteilhaftes ESG-Profil verfügen.
Dahinter steckten zwar gute Absichten, doch ein positiver Wandel könne so nicht angeregt werden, erklärte Alexandra Christiansen, Portfoliomanagerin des Nordea 1 – Global Climate Engagement Fund, bei einer Präsentation in Zürich. Sie plädiert dafür, sich bei den heutigen Verschmutzern zu engagieren. Denn die meisten Unternehmen hätten auch in einer grünen Zukunft eine Rolle zu spielen. Dieses Potenzial werde jedoch oft unterschätzt und könne freigesetzt werden, wenn an den nötigen strategischen und operationellen Stellschrauben gedreht werde. Dabei sei es immer wichtig, dass die Veränderungen nicht nur aus Umweltsicht positiv seien, sondern auch die Fundamentaldaten der Unternehmen verbessert werden.
Es gehe beim Engagement darum, die Risiken für die betreffenden Firmen zu reduzieren und Wert zu schaffen. Letzterer äussere sich meist in steigenden Bewertungen an den Börsen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten die Marktteilnehmenden heute von den Vorteilen der Dekarbonisierung überzeugt werden. Denn viele der heutigen Investoren werden 2030 oder 2050, wenn etliche Netto-Null-Ziele fällig werden, nicht mehr investiert sein.
Doch Christiansen erklärte auch, dass es einige wenige Branchen gebe, die sie als Portfoliomanagerin meide und keine Engagement-Initiativen starte. Als Beispiel nannte sie die Kohleindustrie. Diese müsste das gesamte Geschäftsmodell neu definieren, um in einer grünen Wirtschaft überhaupt noch relevant zu sein und erfülle damit das Machbarkeitskriterium nicht.
Einige Branchen, die aktuell noch zu den grössten Emittenten zählen, sind gemäss Christiansen sogar zentrale Player bei der Energiewende. Die Stahlindustrie allein stösst ungefähr gleich viele Treibhausgase aus wie Indien. Ohne Stahl kann jedoch das Elektrizitätsnetz nicht modernisiert werden. Ein Offshore-Windpark benötigt im Schnitt rund 250 Tonnen Stahl, um ein Megawatt Strom herzustellen, ein Onshore-Windpark rund 100 Tonnen. Auch Solarparks schlagen mit 40 bis 70 Tonnen Stahl stärker zu Buche als Infrastruktur für Erdgas, die für dieselbe Menge Strom lediglich rund 15 Tonnen Stahl benötigt. Dazu kommen Strommasten und -leitungen, die pro Meile 65 Tonnen Stahl benötigen. Es sei daher unabdingbar, sich bei den Managementteams für nachhaltigere Geschäftspraktiken einzusetzen.
Zudem sei ein ganzheitlicher Ansatz notwendig. Könne beispielsweise ein Hersteller von Zahnpasta dazu bewegt werden, auf recycelbare Verpackungen umzustellen, müsse auch sichergestellt werden, dass die Zahnpastatuben mit der bestehenden Recyclinginfrastruktur verarbeitet werden können. Ähnlich sei es bei sogenannten Ewigkeitschemikalien (PFAS), die nahezu nicht abbaubar sind, sich in der Umwelt wie auch in Lebewesen anreichern und im Verdacht stehen, krebserregend zu sein. Aufgrund dieser problematischen Aspekte erwägt die EU-Kommission ein beinahe vollständiges Verbot von PFAS. Gemäss Christiansen hätte ein solches aber nicht nur positive Auswirkungen, sondern würde die Energiewende auch praktisch unmöglich machen. Denn noch sind viele Technologien wie Wärmepumpen und Windturbinen auf Ewigkeitschemikalien angewiesen. Diese Bedenken teilten Christiansen und ihr Team mit der EU-Kommission – und engagieren sich aber gleichzeitig auch bei Herstellern von PFAS, dass diese an Alternativen arbeiten.
In jedem Fall müsse der erreichte Fortschritt überwacht werden. Auch der Glaubwürdigkeit der gemachten Versprechen, der Transparenz und der Zusammenarbeit räumt Christiansen einen hohen Stellenwert ein. Entsprechen die gemachten Fortschritte nicht den Erwartungen, bleiben nur zwei Optionen: Entweder das Engagement wird eskaliert, wobei oft kollaborative Engagement-Netzwerke wie Climate Action 100+ ins Spiel kommen, oder alle Aktien des betroffenen Unternehmens werden abgestossen, da das Risiko-Ertrags-Verhältnis für die Portfoliomanagerin nicht mehr angemessen ist.
Seit der Lancierung des Nordea 1 – Global Climate Engagement Fund im April 2022 haben Christiansen und ihr Team 121 Meetings mit Managementteams abgehalten und Briefe an das Management verfasst. Die jeweilige Dekarbonisierungsstrategie konnte in vielen Gesprächen thematisiert werden. Durch diese Diskussionen konnte der Anteil Unternehmen, deren Dekarbonisierungsstrategie nicht mit den gesteckten Zielen in Einklang stehen, deutlich reduziert werden – und damit auch die zukünftig ausgestossenen Emissionen.