04.12.2024, 10:51 Uhr
«Während die Märkte von einer lockeren Geldpolitik beflügelt werden, drohen politische Umwälzungen in den USA sowie geopolitische Spannungen», schreibt Nicolas Forest, Chief Investment Officer bei Candriam in...
Während es an Inflationsrisiken mangelt, könnte die US-Präsidentschaftswahl für einen weiteren politischen Schock sorgen. Davor dürfe es daher zu keiner US-Zinserhöhung kommen. Ein Sieg Hillary Clintons würde hingegen Kontinuität signalisieren und einen Zinsschritt im Dezember vertretbar machen, sagt Mikio Kumada von LGT.
Morgen beginnt das jährliche Notenbanker-Symposium in Jackson Hole, im US-Bundesstaat Wyoming. Viele Anleger dürften in den nächsten Tagen gespannt nach Hinweisen zur globalen Geldpolitik Ausschau halten und der eine oder andere Kommentar könnte vorübergehend die Märkte bewegen. Wirklich neue geldpolitische Impulse dürften aus dem Treffen jedoch kaum hervorgehen. Die politischen Weichen sind diesbezüglich grundsätzlich längst gestellt. In Europa und insbesondere Japan darf man durchaus noch vor Jahresende mit weiteren Lockerungsschritten rechnen. Dies gilt wahrscheinlich auch für einige G20-Volkswirtschaften, wie etwa Korea oder Australien (zum Teil dank der Stabilisierung der Währungen). Gleichzeitig wird die Federal Reserve in den USA zumindest bis zur Präsidentschaftswahl am 8. November kaum gute Gründe für eine Zinserhöhung finden trotz der gelegentlich andersklingenden Kommentare einiger hoher Fed-Vertreter.
Erstens bleibt der Inflationsdruck sowohl global als auch in den USA schwach trotz relativ robuster Konjunkturdaten. Zwar ist der US-Verbraucherpreisindex ohne Nahrungsmittel und Energie zuletzt um 2.2% gegenüber Vorjahr gestiegen, der von der Fed bevorzugte Konsumausgabenindex bleibt aber immer noch deutlich unter dem Fed-Zielwert von 2%. Zudem notierten beide Inflationsmasse im letzten Jahrzehnt im Schnitt unter 2%. Die Fed hat also Spielraum, eine weitere Akkumulation von Inflationspotenzial zuzulassen, ohne eine dauerhafte Überschreitung des mittelfristigen Inflationsziels zu riskieren. Sie dürfte diesen Spielraum auch nutzen.
Zweitens halten sich auch die marktbasierten Inflationserwartungen in Grenzen. Gemäss Inflationsswaps schwankt die in fünf Jahren implizit erwartete Inflationsrate seit der ersten Zinserhöhung im Dezember um die 2%. Dieser Markt suggeriert also, dass der aktuelle Fed-Kurs gerade richtig ist. Alle anderen marktbasierten Inflationsindikatoren notieren jedoch weiter unter 2% und tendieren generell nach unten. Trotz des robusten Arbeitsmarkts und freundlicher Börsen rechnen die Anleger mittel- bis langfristig generell mit abnehmendem Inflationsdruck. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass der Rohölpreis seit Februar um gut 80% gestiegen ist, im Vergleich zum Vorjahresniveau aber immer noch tiefer notiert. Ähnliches gilt auch für die Industriemetallpreise. Rohstoffpreisgetriebene Inflationsrisiken bleiben also ebenfalls überschaubar, zumal die Rohstoffpreise in den kommenden Monaten kaum noch einmal so deutlich ansteigen dürften, wie seit Anfang Jahr.
Drittens suggeriert die Reaktion der Bank of England auf das überraschende britische Votum vom Juni zugunsten eines Austritts aus der Europäischen Union (Brexit), dass die geldpolitisch grundsätzlich gleichgesinnte Fed im Falle politisch induzierter Konjunkturschocks bereit sein würde, die Geldpolitik rasch wieder zu lockern. Ein Wahlsieg des republikanischen Kandidaten Donald Trump würde, ähnlich wie der Brexit, weltweit als eine weitere Herausforderung der etablierten Nachkriegsordnung des westlichen Lagers betrachtet werden und zumindest temporär entsprechend schockieren. Die derzeit in allen Umfragen prognostizierte Wahl der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton würde hingegen politische Berechenbarkeit und Kontinuität signalisieren. Damit würde auch die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung im Dezember steigen vor allem dann, wenn der seit einiger Zeit freundliche Unterton an den Finanzmärkten und aus der Konjunkturdatenfront weiter anhalten sollte.