23.12.2024, 08:37 Uhr
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Trotz rückläufiger Inflation hat sich die Bank of Japan heuer nur mit kleinen, vorbereitenden Kursanpassungen begnügt. Die abwartende Haltung könnte sie zumindest bis nach einem durch die US-Präsidentschaftswahl ausgelösten möglichen Schock beibehalten, was die Anleger enttäuschen dürfte. Zugleich ist aber auch klar: An monetärer Munition mangelt es Nippons Notenbank kaum.
Seit einiger Zeit heisst es immer wieder, dass der BOJ im Kampf gegen die Deflation die Munition ausgeht. Wer das behauptet, setzt jedoch wahrscheinlich den Wagen vor das Pferd. Japans Inflation sinkt, weil die BOJ es vorgezogen hat, den Rohstoffpreisverfall und die anschliessende Yen-Aufwertung als potenziell vorübergehende Marktschwankungen weitgehend zu ignorieren. Sie könnte am Ende auch durchaus Recht behalten, zumal ihr geldpolitisches Arsenal weiter prall gefüllt und einsatzbereit bleibt.
Zentralbanken bevorzugen mittel- bis langfristige Betrachtungen
Schon einmal hat die BOJ neun Monate lang zugewartet, bis Japans Kerninflation auf ähnlich tiefe Niveaus wie heute gesunken war, bevor sie im Oktober 2014 mit einer Ausweitung ihrer "qualitativen und quantitativen Lockerungspolitik" (QQE) überraschte. Zuvor war auch der Rohölpreis in Yen um rund 50% eingebrochen. Nach der deutlichen QQE-Ausweitung zog die Inflation jedoch rasch wieder an, obwohl der Ölpreis danach nochmals um weitere 50% zurückging. Die BOJ weiss, dass sie jederzeit wirksam handeln kann und hat daher zumindest bisher keine grosse Eile.
Auch diesmal könnte es ähnlich ablaufen: Seit Dezember hat sich der Yen gegenüber den restlichen neun G10-Währungen um rund 25% aufgewertet, was die Inflation entsprechend belastet hat. Nach einer QQE-Ausweitung dürfte sich die Inflation jedoch wieder erholen, während der deflationäre Effekt der Yen-Rallye mit der Zeit verblasst. Angesichts der nachteiligen Marktentwicklungen ist es ohnehin bemerkenswert, dass sich Japans Kerninflationsrate (ohne Berücksichtigung der verzerrenden Wirkung der Mehrwertsteuererhöhung von 2014) recht stabil auf positivem Niveau halten konnte, nachdem sie seit Beginn der als Abenomics bekannten Reflationspolitik um mehr als zwei Prozentpunkte anstieg.
Dazu kommt, dass japanische Aktien aus einer fünfjährigen Perspektive, welche im Wesentlichen mit Abenomics zusammenfällt, immer noch zu den weltweiten Top-Performern zählen. Auch das rechtfertigt zum Teil die abwartende Haltung der Notenbank. Selbst wenn es eines neuen geldpolitischen Impulses bedarf, könnte sich die diesjährige japanische Börsenschwäche am Ende doch noch als eine weitere Konsolidierungsphase übermässig rasch erzielter früherer Kursgewinne erweisen.
Ausweitung aller Dimensionen des Lockerungsprogramms jederzeit möglich
Inzwischen hat auch BOJ-Chef Haruhiko Kuroda, während der Notenbanker-Konferenz in Jackson Hole am Wochenende, erneut ausdrücklich bekräftigt, dass die BOJ nicht zögern werde, "alle drei Dimensionen" ihrer Geldpolitik auszuweiten. Sprich, sie ist bereit, (1) das mit den Käufen anvisierte Geldmengenziel zu erhöhen, (2) weitere Arten von Wertpapieren in das QQE-Programm aufzunehmen und (3) die Zinsen noch tiefer in den negativen Bereich zu führen. Zu den realistischen Optionen zählt übrigens unserer Einschätzung nach der Kauf sogenannter Zaito-Anleihen, welche von staatsnahen Agenturen zur Finanzierung von Infrastruktur- und Wohlfahrtsprogrammen emittiert werden. Damit könnte auch das etwaige politische Problem der direkten Staatsfinanzierung umgangen werden, weil Zaito-Schulden formal nicht vom Staat garantiert werden.
So lautet die einzige Frage derzeit: Wann könnte die BOJ endlich handeln? Solange der freundliche Unterton an den Finanzmärkten anhält, dürfte die BOJ wohl trotz allem dazu neigen, zumindest bis nach den US-Präsidentschaftswahlen im November zuzuwarten.
Mit der Lancierung von QQE im April 2014 begann die Inflation in beschleunigtem Tempo zu steigen: Die jährliche Veränderungsrate kletterte von -0.8% im März 2013 auf 1.3% im Dezember 2015. Es gab zwei reflationäre Phasen die erste fiel mit dem Ölpreiseinbruch von 2014 zusammen und die zweite hält seit Beginn der extremen Yen-Stärke etwa ein Jahr später an. Erwähnenswert ist allerdings, dass der zweite Ölpreiseinbruch von 2015 keinen negativen Einfluss mehr auf die Kerninflation hatte. Sobald die BOJ erneut einen klaren monetären Impuls setzt, dürfte auch der deflationäre Effekt der diesjährigen Yen-Aufwertung wieder verblassen.
Europäische Notenbanken mit viel tieferen Negativzinsen
Die Einführung eines negativen BOJ-Zinssatzes im Januar 2016 hatte einen grossen Einfluss auf den Markt, obwohl es sich dabei um einen vergleichsweise bescheidenen Schritt handelte. Die BOJ belastet nur einen Bruchteil der freiwillig bei ihr gehaltenen Überschussreserven der Banken mit 0.1% pro Jahr, während mehrere europäische Notenbanken viel tiefere Negativzinsen auf deutlich grössere Teile der jeweiligen Reserven verrechnen. Institutionelle Anleger haben nun jedenfalls einen noch grösseren Anreiz, ihre JGB-Bestände (und Überschussreserven) zugunsten anderer Anlagen (einschliesslich klassischer Kredite) zu reduzieren. Die extreme Entwicklung hat viele im JGB-Markt aktive Institutionen überrascht und vor praktische Herausforderungen gestellt. Am Ende dürften sie sich jedoch mit der Politik abfinden und ihre Investmentstrategien entsprechend anpassen.
Einige Analysten warnen, dass die BOJ-Politik die internationalen Zinsdifferenzen ausgeweitet und damit die Hedging-Kosten so stark erhöht hat, dass auch ausländische Staatsanleihen für japanische Institutionen an Attraktivität verlieren. Nach Hedging-Kosten bieten beispielsweise US-Anleihen aus dieser Sicht inzwischen tatsächlich leicht negative Umlaufrenditen. Die Gesamtrendite hat sich seit Januar jedoch deutlich verbessert, wie der Chart zeigt.
Klar ist, dass die BOJ weiter Anreize für den Aus- und Umstieg aus Überschussreserve-Konten und Staatsanleihen schafft. Von einem Munitionsmangel kann kaum die Rede sein. Im Gegenteil können selbst kleine BOJ-Schritte einen grossen Einfluss auf die Märkte und das Investitionsverhalten im In- und Ausland haben, was sich auf Dauer auch auf die Realwirtschaft auswirken sollte.