23.12.2024, 08:37 Uhr
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Japan hängt noch immer der Ruf der späten 1980er Jahre an: Die Staatsanleihen wurden als "weltgrösste Witwenmacher" bezeichnet und Anleger haben das Bild eines Aktienmarktes, der sich nach zahlreichen Fehlstarts nie richtig erholen konnte. Beide Aussagen sind nach Meinung von Ernst Glanzmann und Reiko Mito, Fondsmanager bei GAM Investments, irreführend.
Der Begriff "Witwenmacher" bezieht sich insbesondere auf Leerverkäufe japanischer Staatsanleihen (JGB). Gemeint ist die damalige Wette, dass die Renditen von niedrigen Niveaus ausgehend steigen müssten – nachdem die Bank of Japan (BoJ) im Jahr 1999 erstmals eine Nullzinspolitik eingeführt hatte – und damit verbunden die Annahme, dass die JGB-Kurse unvermeidlich fallen würden. Mittlerweile versuchen zahlreiche Anleger, sich auf eine "Normalisierung" der Geldpolitik an den Märkten der westlichen Industrienationen zu positionieren, die bislang jedoch nicht wirklich eintrat.
Der jüngste Richtungswechsel in der Geldpolitik der Fed zeige dies nur allzu deutlich, so die Experten von GAM. "Der einzige wirkliche Unterschied zwischen diesen beiden Szenarien besteht darin, dass die Leerverkäufer japanischer Staatsanleihen die enorme Loyalität der lokalen Anleger unterschätzen, die trotz der mageren Renditen zusätzlich JGB-Positionen aufbauten. In ähnlicher Weise hat sich die BoJ insbesondere unter der Führung von Zentralbankgouverneur Kuroda vorbehaltslos hinter die Reflationsbemühungen der Regierung gestellt", vergleicht Glanzmann.
Auch die zweite Behauptung, dass sich japanische Aktien nicht vollständig vom extremen Rückschlag Ende der 1980er Jahre erholen konnten, wollen die Experten nicht im Raum stehen lassen. In den vergangenen Jahren sei eine bemerkenswerte Dynamik zu beobachten gewesen: Ungeachtet der allgemeinen Marktrichtung wurden japanische Aktien zunehmend günstiger. Gelegentliche Verkaufswellen am japanischen Aktienmarkt wurden von einer nervösen Stimmung getrieben, die im Widerspruch zur Verbesserung der Fundamentaldaten stand. Selbst während der von Ministerpräsident Abe ausgelösten Rally von 2012 bis 2018 konnten die steigenden Aktienkurse nicht mit dem Wachstum der Unternehmensgewinne Schritt halten. Reiko Mito berichtigt weiter: "Während US-Markt-Kommentatoren davon sprechen, dass der S&P 500 Index billiger ist als zu bestimmten Zeiten in der Vergangenheit, können wir auf ausserordentlich attraktive Bewertungen japanischer Aktien verweisen." Der Markt notiere derzeit mit niedrigeren Kurs-Gewinn-Verhältnissen als während der globalen Finanzkrise und zum Zeitpunkt der Regierungsübernahme durch Shinzo Abe. Angesichts der positiven mikro- und makroökonomischen Entwicklungen würde sich dies anhand fundamentaler Kriterien zunehmend schwieriger rechtfertigen lassen.
Bei der Beurteilung der Anlageaussichten japanischer Aktien im Vergleich zu ihren globalen Pendants, erkennen Glanzmann und Mito drei Gründe, weshalb Anleger in japanischen Aktien zuversichtlich sein können:
Seit den Boomjahren der 1980er Jahre hat sich das Umfeld für die Unternehmen zum Positiven verändert, so die Experten. Japan nimmt unverändert eine Spitzenposition bei Innovationen in der Robotertechnologie ein. "Es wird sogar vermutet, dass die Entwicklung von Robotern dabei helfen könnte, die schwierige demografische Situation der Nation zu bewältigen", so Mito. Die Abhängigkeit des Landes von Technologieexporten habe jedoch in den vergangenen drei Jahrzehnten deutlich abgenommen. In Zeiten einer hitzigen Debatte über die ausserordentliche Kursinflation bei den sogenannten FAANG-Aktien in den USA weise der japanische Aktienmarkt im Vergleich zu globalen Benchmarks eine signifikante Untergewichtung von Technologieunternehmen und Banken auf.
Aktuell gebe es eine erheblich ausgewogenere Ausrichtung auf Sektoren mit Bezug zur Fertigung und zu Konsum auf, zum Beispiel auf die Bereiche Industriegüter und -dienstleistungen, Automobile, Körperpflege- und Haushaltsprodukte sowie Telekommunikation. Obwohl Glanzmann und Mito unverändert sehr von ihren ausgewählten Technologie-Positionen überzeugt sind, könne die Tatsache, dass der breite Markt zunehmend weniger von Technologie- und Dienstleistungssektoren abhängt, die von globalen Regulierungsmassnahmen betroffen sein können, nur als positiv eingestuft werden.
Derzeit beruht die Anlagebeurteilung Japans fest auf der mikroökonomischen Ebene. "Versierte Investoren können hier Nischenakteure entdecken, die ein nachhaltiges Gewinnwachstum zu angemessenen Kursen bieten. Aus Bewertungssicht ist auf die Tatsache hinzuweisen, dass japanische Unternehmen derzeit die höchste Rentabilität aufweisen, während deren Aktienkurse nach wie vor auf der Stelle verharren", meint Glanzmann. Dies habe zur Folge, dass sich die Aktienrisikoprämie auf dem höchsten Stand seit über 40 Jahren bewegt. Nach Einschätzung der Experten sei dies nur ein weiterer guter Grund, die Chancen in Betracht zu ziehen, die japanische Aktien derzeit bieten.