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"It‘s all about the earnings, stupid!"

Clinton (l.) oder Trump? Die Entscheidung fällt heute. Bild: Twitter
Clinton (l.) oder Trump? Die Entscheidung fällt heute. Bild: Twitter

Wie würde sich ein Sieg Donald Trumps bzw. Hillary Clintons auf die Finanzmärkte auswirken? Die drei Experten von Pioneer: Marco Pirondini, Head of US Equities, Paresh Upadhyaya, Director of Currency Strategy, US, und Matteo Germano, Global Head of Multi Asset geben dazu im Interview ihre Einschätzungen ab.

08.11.2016, 09:08 Uhr

Redaktion: jog

Welche Reaktion der Märkte erwarten Sie nach den Wahlen?

Marco Pirondini:
Den meisten Marktteilnehmern wäre ein Sieg Clintons lieber als ein Präsident Trump. Ein Sieg Trumps wäre mit ungewissen Veränderungen verbunden, Clinton steht hingegen weitestgehend für den Status quo.

Welche Folgen für Investoren hätte ein Sieg von Clinton bzw. von Trump?

Marco Pirondini: Der grösste Unterschied zwischen den beiden Kandidaten liegt vielleicht in den höheren Steuern und Sozialausgaben und der stärkeren Regulierung unter einer Präsidentin Clinton, die das Wachstum belasten würden. Eine Fortsetzung des schwachen Wachstums bei geringer Inflation spräche für eine Anlagestrategie, die auf Dividendenerträge, stabile Unternehmen und niedrige Volatilität setzt. Trumps Programm hingegen dürfte, sofern er es umsetzt, die Inflation treiben und ertragsorientierte Anlagen belasten. Ein Sieg Trumps dürfte zwar zyklische Konsumgüter stützen, würde aber zinssensible Sektoren wie Versorger, Basisgüter und Immobilien benachteiligen.

Welche Bedeutung hat das Wahlergebnis für US-Aktien?

Marco Pirondini: In Anlehnung an die Worte von Bill Clintons ehemaligem Chefstrategen James Carville könnte man sagen: "It‘s all about the earnings, stupid." (Etwa: "Es geht nur um die Gewinne – Dummkopf.") In den letzten zwei Jahren sind die Unternehmensgewinne in den USA unter Druck gekommen und etwas zurückgegangen, was nachhaltiges Wirtschaftswachstum erschwert. Es wird entscheidend darauf ankommen, die Gewinnlage der Unternehmen im Blick zu behalten. Glücklicherweise ist der Dollar nicht mehr so stark, der Absturz der Ölpreise liegt hinter uns und die Gewinne erholen sich langsam wieder. Durch Volatilität und Marktkorrekturen könnten sich interessante Gelegenheiten am US-Aktienmarkt ergeben. Andererseits fällt das nominale BIP-Wachstum sowohl in den USA als auch weltweit weiterhin mager aus. Daher muss man auch die Fiskal- und Wirtschaftspolitik genau verstehen, will man die Marktentwicklung einschätzen.

Welche Bedeutung hätte ein Sieg Trumps für das Federal Reserve Board und wie würde dieser sich auf Anleihe- und Devisenmärkte auswirken?

Paresh Upadhyaya: Trump hat die Fed deutlich kritisiert und der politischen Einflussnahme bezichtigt, weil sie die Zinsen niedrig hält. Die erste Chance zur Absetzung Janet Yellens hätte Trump 2018, nach Ende ihrer vierjährigen Amtszeit. Vorher kann er Yellen nicht entlassen, er könnte jedoch ihre Autorität durch die Besetzung zweier Gouverneursposten, von denen er einen als Nachfolger Yellens designieren kann, untergraben. Der US-Dollar dürfte in der Folge steigen, festverzinsliche und risikotragende Anlagen (risky assets) insgesamt würden hingegen belastet, da Trump wohl Kandidaten benennen würde, die sich für steigende Zinsen stark machen.

Wie würde sich die Fiskalpolitik von Clinton bzw. Trump auf die US-Anleihemärkte auswirken?

Paresh Upadhyaya:
Beide Kandidaten wollen die Fiskalpolitik lockern und mehr in Infrastruktur investieren. Laut dem parteiübergreifenden Ausschuss für einen verantwortlichen Bundeshaushalt (Committee for a Responsible Federal Budget) würde Clintons Programm den staatlichen Schuldenberg in einem Jahrzehnt um 200 Milliarden Dollar erhöhen, Trump hingegen würde 5,3 Billionen Dollar neue Schulden aufnehmen. Der grösste Unterschied zwischen beiden Kandidaten sind Trumps deutlich höhere Infrastrukturausgaben, ausserdem will er die Steuern auf private Einkommen flächendeckend erheblich senken.

Das Zusammenwirken grösserer Konjunkturmassnahmen und steigender Schulden dürfte zu Aufwärtsdruck bei den Renditen von US-Staatsanleihen führen. Wahrscheinlich würde die Fed dann die Zinsen schneller anheben.

Welche Auswirkungen erwarten Sie bei Unternehmensanleihen für die einzelnen Sektoren?

Paresh Upadhyaya: Unter Clinton könnte der Finanzsektor durch mehr Regulierung belastet werden. Pharmawerte, Biotechnologie, Energie, Gastronomie und der Einzelhandel dürften zu den Verlierern gehören, profitieren könnten hingegen Anleihen aus den Bereichen Infrastruktur und erneuerbare Energien. Trumps Präsidentschaft wäre mit politischer Unsicherheit verbunden. Sein Regierungsstil und seine Entscheidungsprozesse könnten sich als unberechenbar herausstellen und für zahlreiche Sektoren zum Risiko werden.

Welche Folgen erwarten Sie für den US-Dollar?

Paresh Upadhyaya: Bei einem Sieg Clintons dürfte sich der Dollar entsprechend der derzeitigen Wirtschaftslage entwickeln. Wahrscheinlich wäre in diesem Fall eine moderate Aufwertung des Dollars. Eine leichte Verschiebung der Zinsdifferentiale zugunsten des Dollars würde wohl eine moderate Rally auslösen.

Ein Sieg Trumps könnte den Dollar hingegen belasten. Trump hat mehrere Länder genannt, vor allem China, die sich nicht an die Regeln halten, und droht mit hohen Zöllen. Der Präsident kann eigenständig und ohne die Zustimmung des Kongresses Zölle einführen und Handelssanktionen verhängen. Protektionismus hat dem Dollar in der Vergangenheit immer stark geschadet.

Wie beeinflusst die US-Wahl Ihren Ausblick für Multi Asset-Investments?

Matteo Germano: Auf der Grundlage der Wahlprogramme erwarten wir keine grösseren Veränderungen, sollte Clinton gewählt werden. Genau wie Obama will Clinton mittlere Einkommen erhöhen und gerechtes Wachstum schaffen.

Trumps Vorschläge hätten hingegen deutliche Auswirkungen auf die Finanzmärkte, sollten sie tatsächlich umgesetzt werden. Kurzfristig könnte ein Sieg Trumps die Volatilität ähnlich wie nach der Brexit-Abstimmung anheizen, bevor sich die Märkte irgendwann abkühlen und abwarten würden. Investoren würden versuchen zu erfassen, wie sich die Wahlkampfversprechen Trumps tatsächlich umsetzen liessen. Trumps politische Entscheidungen könnten die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen insgesamt verändern: Hohe Infrastrukturausgaben und sinkende Unternehmenssteuern würden vielleicht das Wachstum ankurbeln, die weitere Entwicklung der Staatsschulden wäre hingegen fraglich. Da soziale Gerechtigkeit keine grössere Rolle spielt, stellt sich auch die Frage nach der Nachhaltigkeit des Wachstums. Trumps Steuerpolitik hätte wohl höhere Zinsen zur Folge, allerdings wird viel davon abhängen, wie sich die Fed dann verhalten wird.

Wie würde sich ein Sieg Trumps auf die Schwellenländer auswirken?

Matteo Germano: Die handelsfeindliche Politik Trumps würde den Handelspartnern der USA schaden: Beispielsweise könnten die angekündigten Zölle auf chinesische Exporte zu einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und China führen. China und die umliegenden Länder haben stark von der Globalisierung profitiert, könnten aber die Leidtragenden von Trumps Politik sein.

Auch Lateinamerika wäre bei einem Sieg Trumps bedroht. Trump hat angekündigt, Handelsabkommen aufzukündigen, Überweisungen an Mexiko einzustellen und illegale Arbeitskräfte auszuweisen.

Alle diese Massnahmen würden das Wachstum in den Schwellenländern untergraben und die Handelsbilanzen und die Binnennachfrage belasten. Die starke Volatilität des mexikanischen Peso dürfte erneut aufflammen und könnte auch die Währungen anderer grösserer Länder, die in die USA exportieren, in Mitleidenschaft ziehen.

Wie beeinflussen die Wahlen die Rohstoffpreise?

Matteo Germano: Beide Kandidaten haben sich nur vage zur Energiepolitik geäussert, ausserdem müssten viele dieser Änderungen vom Kongress abgesegnet werden. Die Kluft zwischen Wahlprogramm und tatsächlicher Umsetzung könnte sich daher als gross erweisen. Bisher sind Trumps Vorschläge sehr viel radikaler und setzen vor allem auf einen Ausbau der Versorgung mit Kohle und fossilen Brennstoffen.

Die Nachfrage nach Energie dürfte unter seiner Präsidentschaft steigen, da Trump Auflagen zu Energieeffizienz und Umweltschutz lockern würde. Clinton würde die Umweltauflagen hingegen verschärfen und erneuerbare Energien ausbauen. Die Nachfrage nach Kohle und Öl würde langfristig sinken. Wir gehen davon aus, dass weiterhin globale Faktoren wie etwa die OPEC-Politik den Ölpreis bestimmen werden.

Wie sollten sich Investoren in diesem US-Wahlzyklus verhalten?

Matteo Germano: Sowohl in den USA als auch in Europa spielt politische Unsicherheit eine wichtige Rolle. Populismus und Anti-Mainstream-Lösungen sind auf dem Vormarsch, daher ist das Risiko hoch, dass wir von einem nachhaltigen Wachstumskurs abkommen. In dieser Phase halten wir gut diversifizierte Portfolios für wichtig. Dies ist – aus unserer Sicht – nicht der richtige Augenblick für eine deutlich einseitige Ausrichtung. Entscheidend im derzeitigen Marktumfeld sind aktives Management, Investments hoher Qualität und Risikosteuerung.

Bei der Asset-Allokation halten wir eine gewisse Vorsicht bei Aktien für angezeigt. Wegen der mittelfristigen Unsicherheit über die Brexit-Folgen sind wir für europäische Aktien etwas pessimistischer, US-Aktien bewerten wir neutral. Wir halten Gold für eine der wichtigsten strukturellen Anlagen zur Absicherung gegen mögliche Volatilitätsausschläge. Mit rigorosem Risikomanagement und Absicherungen können Investoren in diesem Umfeld Verlustrisiken und die Auswirkungen unvorhersehbarer Ereignisse reduzieren.

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