Gesundheitssektor wird 2022 glänzen

In der Krebsforschung gibt es spannende Entwicklungen, aber auch noch viel Raum für Innovation. (Bild: Shutterstock.com/CI Photos)
In der Krebsforschung gibt es spannende Entwicklungen, aber auch noch viel Raum für Innovation. (Bild: Shutterstock.com/CI Photos)

Defensive Sektoren wie der Gesundheitssektor sind 2022 im Vorteil, meint Rudi Van den Eynde von Candriam. Er weist anlässlich des 22. Weltkrebstages am 4. Februar darauf hin, dass es im Kampf gegen die Volkskrankheit Nummer Eins in den Industrieländern grosse Fortschritte gibt und sich damit auch Anlagechancen im Onkologie-Bereich eröffnen.

03.02.2022, 11:00 Uhr

Redaktion: rem

2021 war ein gutes Jahr für den Energiesektor und den Finanzsektor, denen die steigende Inflation und die Zinsen zugutekamen. Der Gesundheitssektor verhielt sich in diesem Umfeld dagegen defensiv. "Doch diese defensiven Eigenschaften könnten sich im Laufe des Jahres 2022 für Anleger als vorteilhaft erweisen", sagt Rudi Van den Eynde, Global Head of Thematic Equity und Lead Manager der Onkologie-Strategie von Candriam.

Der Inflationsdruck werde sich 2022 fortsetzen und die Zentralbanken zum Handeln zwingen. Insbesondere die US-Notenbank habe betont, dass sie ihr Mandat zur Inflationsbekämpfung sehr ernst nimmt, und die Märkte für festverzinsliche Wertpapiere rechnen nun mit mehreren Zinserhöhungen in den USA im Jahr 2022. "Wir glauben zwar nicht, dass es zu einem wirtschaftlichen Zusammenbruch kommt, und die Wirtschaftsdaten bleiben stark. Aber letztendlich hat die Fed keine andere Wahl, als den Wirtschaftsboom abzukühlen, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen", so Van den Eynde.

Angesichts der geldpolitischen Straffung in Kombination mit dem Ende der staatlichen Konjunkturpakete werden sich Anleger seiner Meinung nach wieder mehr Schutz wünschen. "In diesem Umfeld werden die defensiven Sektoren, insbesondere das Gesundheitswesen, profitieren, denn sie sind gegenüber der Konjunktur relativ unempfindlich und bieten Anlegern nachhaltige Renditen. Auch wenn es immer schwierig ist, einen genauen Zeitpunkt zu bestimmen, gehen wir davon aus, dass diese Sektoren ab dem zweiten Halbjahr 2022 eine stärkere Performance erzielen werden. Das zeigen auch einige der grossen Pharmaunternehmen und die grösseren Unternehmen in Candriams Onkologie-Strategie, die sich im Allgemeinen sehr gut halten. In Kombination mit einigen der wachstumsstarken Namen, deren Bewertungen wieder attraktiver werden, ist der Sektor für die Zukunft gut gerüstet", betont der Experte.

Fortschritt gegen die Volkskrankheit Krebs

Van den Eynde nimmt den 22. Weltkrebstag am 4. Februar zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass es besonders in der Krebsforschung spannende Entwicklungen und grossen Bedarf gebe, denn Krebs entwickle sich vor allem in den Industrieländern zur Volkskrankheit Nummer Eins. Von den 51 neuen Medikamenten, die im Jahr 2021 in den USA von der Lebensmittel- und Arzneibehörde FDA zugelassen wurden, dienen ein Drittel der Behandlung von Krebserkrankungen. Dennoch sei hier noch viel Raum für Innovation, und diese beschleunige sich zunehmend. Ein Beispiel sei die 100ste-Antikörper-Therapie. In der Onkologie würden zurzeit zwei Antikörpertherapien besonders auffallen: bispezifische Antikörper und Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs).

Wie Van den Eynde weiter erläutert, ist die Zahl der klinischen Versuche mit bispezifischen Antikörpern bemerkenswert gestiegen. Und das seiner Meinung nach aus gutem Grund: Mit bispezifischen Antikörpern schlage man zwei Fliegen mit einer Klappe. Sie zielen zum einen auf den Tumor und zum anderen auf das Immunsystem, das dadurch zur Bekämpfung des Tumors angeregt wird. Dieser Ansatz habe sich bei der Behandlung von Blutkrebs als sehr wirksam erwiesen, ein Bereich, in dem Candriam 2022 neue Zulassungen erwartet. Die Therapie sei jedoch nicht auf Blutkrebserkrankungen beschränkt. Im Jahr 2021 wurde der erste bispezifische Antikörper, der von Johnson & Johnson und Genmab entwickelt wurde, für Lungenkrebs zugelassen.

Eine weitere überzeugende Innovation auf dem Gebiet der Antikörper sind laut Van den Eynde ADCs. ADCs kombinieren die Wirksamkeit der Chemotherapie mit der Besonderheit von Antikörpern: Sie binden eine toxische Ladung an einen Antikörper, der hochselektiv für den Tumor ist. Das Ziel besteht darin, die Krebszellen abzutöten, ohne Kollateralschäden zu verursachen, wie sie durch eine klassische Chemotherapie im gesunden Gewebe entstehen. Eines der eindrucksvollsten Beispiele für die Wirksamkeit von ADCs im Jahr 2021 seien die Daten zu Enhertu bei HER2+-Brustkrebs in der Zweitlinientherapie. Diese verringerten das Risiko eines Fortschreitens der Krankheit oder des Todes um 73 Prozent – ein enormer Fortschritt für die Patienten.

Nichtinvasive Darmkrebserkennung

"Die Frühdiagnose ist eine der wichtigsten Säulen im Kampf gegen den Krebs: Je früher die Krankheit erkannt wird, desto höher sind die Überlebenschancen nach der Behandlung. Deswegen sind die Krebsfrüherkennungsprogramme so wichtig, die von Organisationen des öffentlichen Gesundheitswesens nachdrücklich gefördert werden", sagt der Onkologie-Experte. Darmkrebs ist die zweithäufigste Krebsart in der Europäischen Union (EU) und den USA und zur Darmkrebsvorsorge wird empfohlen, alle Erwachsenen zwischen 50 und 75 Jahren zu untersuchen. Die Koloskopie ist die Goldstandard-Methode zur Erkennung dieser Krebsart und sollte in der oben genannten Bevölkerungsgruppe alle zehn Jahre durchgeführt werden. Trotz ihrer hohen Genauigkeit nutzen jedoch nur 40 Prozent der Zielbevölkerung sie als Screening-Methode. Nach Meinung Van den Eyndes braucht es Alternativen, um die Akzeptanz der Darmkrebsvorsorge zu erhöhen.

Wie er weiter erklärt, war die DNA-Analyse im Stuhl die erste revolutionäre Alternative für die Früherkennung von Darmkrebs. Der Dickdarm scheidet jeden Tag Zellen aus seiner Auskleidung aus, und wenn ein Tumor vorhanden ist, kann abnormales Material oder Blut im Stuhl nachgewiesen werden. Der grösste Vorteil dieser Methode sei, dass sie nicht invasiv ist und zu Hause durchgeführt werden kann. Mehrere Studien hätten gezeigt, so Van den Eynde, dass diese Methode eine hohe Genauigkeit aufweist. Exact Sciences sei das erste Unternehmen gewesen, das diesen Test mit dem Namen Cologuard auf den Markt gebracht hat. Er sei derzeit von den Aufsichtsbehörden zugelassen und in den Screening-Leitlinien der U.S. Preventive Services Task Force enthalten, die empfiehlt, den Test alle drei Jahre durchzuführen. Nur wenn das Ergebnis positiv ist, muss sich der Patient einer Darmspiegelung unterziehen, um Krebs auszuschliessen.

Forschung habe gezeigt, dass Tumorzellen auch Material wie DNA in den Blutkreislauf schreddern. Nukleinsäuresequenzierung ermöglicht den Nachweis dieses Tumorzellmaterials aus einer einfachen Blutprobe. In der so genannten "flüssigen Biopsie" wurden in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erzielt. "Eines der führenden Unternehmen bei der Entwicklung von Flüssigbiopsie-Tests ist Guardant Health. In Vorstudien konnte der LUNAR-Test von Guardant in 90 Prozent der Fälle Darmkrebs in Blutproben nachweisen. Das Unternehmen wird in diesem Jahr die endgültigen Ergebnisse vorlegen. Wenn diese sich bestätigen, könnte diese Methode als Screening-Alternative für Erwachsene im Alter von 50 bis 75 Jahren zugelassen werden. Neben der Krebsfrüherkennung bietet die Flüssigbiopsie mehrere Anwendungen in der Onkologie, an denen Guardant Health und andere arbeiten", sagt Van den Eynde.

Gute Ideen alleine reichen nicht

Doch wie finden Investoren die vielversprechendste Forschung – und die besten Unternehmen? Laut dem Onkologie-Experten erhalten von 1500 Präparaten, die entwickelt werden, nur zwölf eine Zulassung, nachdem sie alle Testphasen bis zur Marktreife durchlaufen haben, und können verkauft werden. Zudem werde der Markt immer spezialisierter und fragmentierter, angefangen bei kleinen Unternehmen mit Medikamenten in der Entwicklungsphase bis hin zu Konzernen mit einer Vielzahl an Produkten in unterschiedlichen Stadien.

Ein erster Schritt, um Risiken zu reduzieren, sei die Investition in Unternehmen, deren Ideen bereits durch klinische Studien überprüft werden. So umgehe man die Gefahr, die sich aus der hohen Misserfolgsquote ergebe. Was für eine gute Auswahl am wichtigsten sei, sei das Fachwissen von Medizinern und Biotechnologie-Analysten, kombiniert mit einer Betrachtung der Fundamentaldaten. Gute Governance, Preissetzungsmacht und ein breites Angebot seien Voraussetzungen für ein geringeres Risiko, aber auch kleine Unternehmen könnten mit guten Produkten erfolgreich sein – man müsse sie allerdings akribisch prüfen und Merkmale des Medikaments und dessen Marktpotenzial ins therapeutische Umfeld eingebettet analysieren.

Double Impact

"Auch wenn die Rendite im Vordergrund steht: Investoren spielen eine wichtige Rolle darin, die Forschung und Entwicklung von Krebsmedikamenten und -therapien voranzutreiben. Wir investieren in Unternehmen, von denen wir Ergebnisse im Kampf gegen den Krebs erwarten und finanzieren so die Forschung mit – und das ist dringend nötig", betont Van den Eynde. Die Covid-19-Pandemie habe die Krankenhausversorgung weltweit beeinträchtigt und die Priorisierung der Kapazitäten für die Behandlung von Covid-19-Patienten ging zulasten der notwendigen Behandlung anderer Erkrankungen, insbesondere von Krebs. Auch deswegen engagiere sich Candriam mit seinem Onkologie-Fonds weiterhin für die Lösung eines der grössten Probleme der Gesellschaft.

"Wir beschränken uns jedoch nicht nur auf die finanziellen Leistungen, sondern wollen auch einen positiven Einfluss ausüben, indem wir einen Teil der Verwaltungsgebühren an führende Krebsorganisationen spenden – das nennen wir Double Impact. Letztendlich ist es unser Ziel, Krebs zu einer vollständig heilbaren Krankheit zu machen. Im Jahr 2021 waren die Spenden signifikant höher als im Jahr zuvor (2020: 450'000 Euro). In der Schweiz spendet Candriam an die Swiss Cancer Foundation. Die Stiftung fördert die Krebsforschung und unterstützt die Krebsbehandlung von Patienten und alle Massnahmen im Kampf gegen die Krankheit", hebt Rudi Van den Eynde hervor.

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