Erheblich verschlechtertes Rendite-Risiko-Verhältnis bei Aktien

Anleger müssen möglicherweise eine höhere Risikoprämie zahlen, um das verschlechterte Rendite-Risiko-Verhältnis bei Aktien auszugleichen. (Bild: Shutterstock.com/Pustelflower9024)
Anleger müssen möglicherweise eine höhere Risikoprämie zahlen, um das verschlechterte Rendite-Risiko-Verhältnis bei Aktien auszugleichen. (Bild: Shutterstock.com/Pustelflower9024)

Die Kurse europäischer Aktien stehen inzwischen wieder höher als zum Zeitpunkt von Russlands Invasion am 24. Februar. Und Ende letzter Woche stieg die Rendite zweijähriger US-Staatsanleihen auf 2,45%, sechs Basispunkte über der Zehnjahresrendite. Damit wurde die Kurve zum ersten Mal seit 2019 wieder invers. Marktstrategen von BlackRock und NN Investment Partners kommentieren die Lage.

10.04.2022, 11:00 Uhr

Redaktion: rem

"Mit jedem Tag, den der Krieg länger dauert, wächst die Wahrscheinlichkeit weiter steigender Energiepreise, unterbrochener Lieferketten und nackter Angst bei Unternehmen und Verbrauchern. Und sollten weitere Verbrechen der russischen Armee und/oder erzwungene Rubelzahlungen den sprichwörtlichen Gashahn vollends zudrehen, dürfte eine schwere Rezession nicht zu vermeiden sein", sagt Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock. Damit stehe Europa deutlich anfälliger da als die Vereinigten Staaten.

Nach Berechnungen des BlackRock Investment Institute (BII) betrugen zuletzt die Energieaufwendungen in Europa 9,1% des BIP – im Vergleich zu nur 4,4% in den USA. Die Gewinne europäischer Unternehmen wurden seit Jahresbeginn bereits um rund 6% abwärts revidiert, im Gegensatz zu Aufwärtskorrekturen bei den Gewinnerwartungen ihrer US-Pendants um rund 8%. "Selbst wenn Europas Firmen rund die Hälfte ihrer Erträge in anderen Teilen der Welt generieren, dürften sie unter dem Ukraine-Krieg und der allgemeinen Gemengelage stärker leiden als US-Unternehmen. Für BlackRock Grund genug, europäische Aktien taktisch auf neutral zurückzunehmen – weitere Rückstufungen nicht ausgeschlossen, so Lück.

Margen unter Druck

Auch Patrick Moonen, Principal Strategist bei NN Investment Partners, weist in einem Kommentar darauf hin, dass die Invasion einen Stagflationsschock für die Weltwirtschaft auslöste, wobei die USA stärker von inflationären Folgen und die Eurozone von Stagnation betroffen sein könnten. Eine Kombination aus hoher Inflation, rückläufigem Wachstum, hawkishen Zentralbanken und rasch steigenden Anleiherenditen sei ein ernsthafter Belastungsfaktor für Aktien. "Wir gehen davon aus, dass die Margen der Unternehmen aufgrund höherer Inputkosten und veränderter Konsummuster hin zu Produkten mit niedrigeren Margen zunehmend unter Druck geraten werden", sagt Moonen. Darüber hinaus könnten sich die Lieferkettenprobleme durch die chinesische Null-Corona-Strategie und die damit einhergehenden Lockdowns über die Jahresmitte hinaus ausweiten. Insgesamt habe sich das Rendite-Risiko-Verhältnis bei Aktien erheblich verschlechtert, und die Anleger müssten möglicherweise eine höhere Risikoprämie zahlen, um dies auszugleichen. Je länger der Ukraine-Konflikt anhalte, desto stärker würden die Auswirkungen auf die Wirtschaft sein.

Ist inverse US-Zinskurve eine konkrete Rezessionsdrohung?

Ende letzter Woche stieg die Rendite zweijähriger US-Staatsanleihen auf 2,45%, sechs Basispunkte über der Zehnjahresrendite. Damit wurde die Kurve zum ersten Mal seit 2019 wieder invers. Wie Martin Lück von BlackRock erläutert, waren in den bisher acht Inversionen seit den späten 1970ern inverse US-Zinskurven mit nur einer Ausnahme (1998) Vorboten einer Rezession. Er stellt die Frage in den Raum, ob die Logik, der zufolge eine inverse Kurve auf eine drastisch straffende und damit die Konjunktur abwürgende Fed hindeutet, auch diesmal wieder drohe? Seine Antwort: "Kann sein, muss aber nicht. Denn einerseits preisen die Fed Funds Futures in der Tat eine sehr kernig einbremsende US-Notenbank ein. Die Wahrscheinlichkeit, dass bis zum übernächsten FOMC-Meeting der Leitzins um mindestens 100 Basispunkte höher steht als heute, beträgt gemäss Futures-Preisen 78%. Auch unsere BII-Hausmeinung geht von schnellen weiteren Schritten und einer Fed Funds Target Rate von 2% zum Jahresende aus. Dies alles wäre aber noch mit einer Normalisierung der Geldpolitik vereinbar. Erst wenn die Fed den Leitzins deutlich über den neutralen Bereich hinaus anheben würde, wäre monetäre Restriktion und damit eine drohende Wachstumsbeeinträchtigung gegeben. Genau dies aber erwarten wir derzeit nicht. Zudem gut möglich, dass der Fed ein Eindämmen der Inflationserwartungen dank 'Frontloading' der ersten Zinsschritte schon vor dem Erreichen des neutralen Zinses gelingt. In diesem Fall könnten die Geschichtsbücher eine weitere Episode erleben, in der die Märkte trotz inverser US-Kurve mit einem blauen Auge davonkommen."

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