23.12.2024, 08:37 Uhr
Der Spezialkunststoff-Hersteller Gurit will sich künftig ganz auf profitablere Regionen und Geschäftsbereiche konzentrieren. Im Zuge der angekündigten Restrukturierung sollen Werke in Dänemark, Indien und der...
Mögen einige Marktbeobachter auch auf eine baldige Entspannung der kräftig gestiegenen Energiepreise hoffen – die Wahrscheinlichkeit anhaltender Preissteigerungen bei zahlreichen Energierohstoffen ist nach Meinung von Michel Salden, dem Leiter Commodities von Vontobel, hoch.
Für seine Prognose, wonach die Preise mancher Energierohstoffe wie Öl und Gas weiter steigen werden, führt Rohstoffexperte Michel Salden von Vontobel drei wesentliche Gründe ins Feld. Der erste: Die Nachfrage nach Öl und Gas wird kurz- bis mittelfristig weiter zunehmen.
Weil viele Staaten angesichts hoher Schuldenberge in absehbarer Zeit keine grossen Zinsschritte verkraften können, werden die Zentralbanken den Realzins aller Wahrscheinlichkeit nach negativ halten. Niedrigzinsen in Verbindung mit einer starken zyklischen Erholung nach der Pandemie sprechen für eine hohe Rohstoffnachfrage weltweit.
Aktuell hat die chinesische Wirtschaft besonders im Immobiliensektor mit einer deutlichen Abkühlung zu kämpfen, was die Nachfrage nach Stahl, Zement und anderen Grundstoffen belastet hat.
Im kommenden Jahr dürfte sich der schwächelnde Immobiliensektor langsam erholen, die Exportstärke andauern und die Konjunkturprogramme dürften wieder aufgenommen werden, was der Volksrepublik ein verhaltenes, aber anhaltend solides Wachstum bescheren dürfte, argumentiert Salden. Darüber hinaus hat das Wachstum in den meisten Schwellenländern – den grössten Rohstoffverbrauchern – aufgrund schleppender Impfkampagnen das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht.
Logistische Engpässe und gestörte Lieferketten sorgen für zusätzlichen Druck. Das gilt besonders für die Energienachfrage, weil die gesamte Logistik mit ihrem Strassen-, Schienen- und Luftverkehr rund um die Uhr am Kapazitätslimit arbeitet und fossile Kraftstoffe verbraucht.
Salden meint, dass, sobald der internationale Luftverkehr sich vollständig erholt hat, die Nachfrage nach Öl im vierten Quartal mit rund 100 Mio. Barrel pro Tag wieder den Stand von 2019 erreichen wird. Tatsächlich könnten (geimpfte) internationale Reisende in wenigen Monaten für einen sprunghaften Anstieg der Nachfrage um 500'000 Barrel pro Tag sorgen.
Andere Nachfragefaktoren (Strassenverkehr, Logistik, Petrochemie, Heizenergie) liegen bereits über dem Niveau von 2019. Schliesslich dürfte aufgrund des im Vergleich zu Gas und Kohle niedrigen Ölpreises an den asiatischen Märkten ein Teil des Heizenergiebedarfs durch Öl statt durch Gas und Kohle gedeckt werden.
Saldens zweiter wesentlicher Grund für anhaltend steigende Energiepreise: Öl und Gas sollen den Übergang zu erneuerbaren Energien ermöglichen.
Öl und – in noch grösserem Umfang – Gas werden weiterhin als Brückenenergieträger dienen, bis der Marktanteil erneuerbarer Energien den Energiehunger einer wachsenden Weltbevölkerung abdecken kann. Bis dahin wird die Nachfrage nach Öl und Gas in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren in absoluten Zahlen wachsen, weil der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht mit der Zunahme des Rohstoffverbrauchs Schritt hält.
Darüber hinaus planen die meisten Nicht-OECD-Länder einen Kohleausstieg unter Einsatz von Öl und Gas, was die Nachfrage ebenfalls antreibt. Noch schwerer wiegt, dass der Ausbau der Infrastruktur für erneuerbare Energien (beispielsweise Windparks und Stromnetze) in der Bauphase äusserst energieaufwendig ist, was die Energienachfrage weiter befeuern wird.
Schliesslich das dritte Hauptargument fürs Szenario weiter steigender Energiepreise: Eine globale Investitionslücke bei der Energieinfrastruktur begrenzt die Versorgungskapazität, sagt der Head Commodity der Bank Vontobel.
Die globale Öl- und Gasbranche investiert nicht genug in die herkömmliche Energieinfrastruktur und wird zukünftig nicht in der Lage sein, auch nur die aktuelle Fördermenge zu gewährleisten. Zurzeit beträgt die durch Desinvestitionsrichtlinien und ESG-Druck auf westliche Ölfirmen bedingte Investitionslücke mehr als 300 Mrd. US-Dollar pro Jahr. Folglich ist nur die OPEC+ in der Lage, die Förderkapazitäten zu erhöhen.
Allerdings dürfte das Kartell mit der gegenwärtigen monatlichen Steigerung der Fördermenge (+0,4 Mio. Barrel pro Tag) bis September 2022 an seine Kapazitätsgrenze stossen. Dann wird die Opec+ rund 48 Mio. Barrel täglich fördern – ohne Kapazitätsreserven für ungeplante Förderausfälle und Infrastrukturengpässe.
Der strukturelle Nachfragedruck wird sich auch auf Nicht-Opec-Länder auswirken. In der Vergangenheit trat der US-Schieferölsektor als Randerzeuger auf, sobald der Ölpreis die Breakeven-Förderkosten von 50 bis 60 US-Dollar überschritt. So erhöhte sich das Marktangebot um 5 Mio. Barrel pro Tag.
Allerdings sind die Schieferölförderer zurückhaltender geworden: Sie zielen nicht mehr auf grösstmögliche Förderung ab und zeigen keine Investitionsbereitschaft, obwohl Öl derzeit zu 80 US-Dollar pro Barrel gehandelt wird. Dies ist hauptsächlich auf ESG-Druck und politische Ungewissheit zurückzuführen.
Aufgrund von steigender Nachfrage, rückläufigen Fördermengen und schwindenden Lagerbeständen "bewegt sich der Ölpreis bis Ende 2022 auf 100 US-Dollar zu. Nur neue Pandemiewellen oder die – unwahrscheinliche – Aufhebung der amerikanischen und europäischen Sanktionen gegen den Iran, die dem globalen Markt iranisches Öl im Umfang von 1,6 Mio. Barrel pro Tag zuführen würde, könnten ein Erreichen der 100-Dollar-Marke verhindern", betont Michel Salden.
Auch der Ausblick für Gas lässt eine weitere Preissteigerung erwarten. In den vergangenen zehn Jahren war Erdgas eine Belastung für die Rohstoffindizes, als schlechtester Performer im Energiebereich. Dieses Jahr lieferte es allerdings positive Beiträge (+90%).
Zukünftig dürften Erdgas und Flüssiggas (LNG) in Asien im Zuge des Kohleausstiegs eine wichtige Rolle als Übergangsrohstoffe spielen. Zudem werden die USA ihre LNG-Exporte in den kommenden Jahren steigern, da die internationalen Exportmärkte mittlerweile höhere Preise akzeptieren als Binnenverbraucher in den USA.
Weil die USA nicht in die Gasspeicherung expandieren und die Steigerung der Fördermenge aus den gleichen Gründen wie beim US-Schieferöl stagniert, sind die Märkte volatiler als je zuvor. Die aktuellen Gaspreise basieren mehr auf dem winterlichen Wetter, "doch für das kommende Jahr winkt US-Gas ein Aufwärtspotenzial von mehr als 30%, sofern keine weiteren Förder- und Speicherkapazitäten hinzukommen und das Wetter schlechter wird", meint Salden.