11.12.2025, 12:20 Uhr
«Ein wichtiger Grund für Optimismus ist die bemerkenswerte Stabilität von Wirtschaft und Märkten, an der auch die letzten drei Quartale wenig änderten. All das spricht für einen positiven, geradezu...
«Die Märkte bleiben teuer, mit der KI als Epizentrum der Exzesse. Doch die makroökonomischen Bedingungen rechtfertigen keinen massiven Rückzug aus risikobehafteten Anlagen. Anstatt dem Strom zu folgen, geht es uns darum, das Portfolio rechtzeitig auf das nächste Marktregime auszurichten», schreibt Benjamin Melman, Chief Investment Officer bei Edmond de Rothschild AM in seinem Ausblick.
Die Parallelen zwischen der aktuellen Rallye bei KI-Aktien und der Dotcom-Blase seien zahlreich: die zentrale Rolle von Momentum, extreme Bewertungen, eine hohe Beteiligung privater Anleger sowie grossvolumige, wechselseitige Deals zwischen Akteuren wie OpenAI, Nvidia und Oracle. Angesichts des zunehmend schärferen Wettbewerbs zwischen US-amerikanischen und chinesischen Hyperscalern sowie der bislang nur zögerlich sichtbaren Renditen bleibe abzuwarten, ob die US-Anbieter diese massiven Investitionen tatsächlich monetarisieren können.
In den Vereinigten Staaten zeichnen sich zwei weitere Herausforderungen ab: Einerseits eine unzureichende Energieversorgung bei stark steigender Nachfrage, was die Strompreise in die Höhe treibt, und andererseits erste Stresstests im Markt für Private Credit. Aufgrund seines rasanten Wachstums könnte dieses Segment Prognosen zufolge bis 2030 zu einer der wichtigsten Finanzierungsquellen für Rechenzentren werden.
Aus der Perspektive langfristig orientierter Anleger bleibt das KI-Segment damit hoch spekulativ. Die Ergebnisse des dritten Quartals bestätigen eine Abschwächung: Das Gewinnwachstum in den USA wird nicht mehr primär von den «Magnificent 7»getragen, was für eine Diversifizierung über das Thema KI hinaus spricht.
Frankreich bleibt zwar haushalts- und innenpolitisch verwundbar, das Krisenrisiko bleibt jedoch begrenzt. Südeuropa profitiert weiterhin vom Rückenwind durch den NextGen-EU-Plan und die verbesserte Wettbewerbsfähigkeit der betreffenden Staaten. Den deutlichsten Kurswechsel nimmt jedoch Deutschland vor – mit potenziellen Auswirkungen auf den gesamten Kontinent: ein Konjunktur-und Investitionsprogramm, dessen Impulse ab 2026 wirksam werden sollen, der Wunsch von Bundeskanzler Friedrich Merz, die bislang von Berlin blockierte Kapitalmarktunion voranzutreiben, sowie die Unterstützung für protektionistische europäische Maßnahmen gegen chinesisches Preisdumping bei Stahl. Dies markiert einen echten Bruch mit der Vergangenheit und zielt darauf ab, sowohl die Angebots- als auch die Nachfrageseite in Europa zu stärken.
Im Mai 2026 endet die Amtszeit von US-Notenbankchef Jerome Powell. Noch ist unklar, inwieweit die Unabhängigkeit der Federal Reserve (Fed) künftig gewahrt bleibt. Edmond de Rothschild AM rechnet jedoch mit einer tendenziell grosszügigeren Fed – nicht zuletzt wegen der bereits geplanten personellen Umbesetzungen im Board nach Powells Ausscheiden.
Da die Fiskalpolitik in den drei grössen G7-Volkswirtschaften (USA, Japan und Deutschland) im Jahr 2026 expansiv bleiben dürfte und die Haushaltsdefizite weiter steigen werden, bevorzugen die Investmentteams von Edmond de Rothschild AM derzeit keine langfristigen Anleihen. Der Wiederaufbau der Laufzeitprämie erscheint im historischen Vergleich unvollständig, insbesondere wenn die Fed unter politischem Druck zu locker werden sollte.
Die Marktbewertungen bleiben insgesamt hoch, während die Wahrscheinlichkeit eines Platzens der KI-Blase zunimmt: Je stärker die Investitionen ansteigen, desto grösser werden die Zweifel an der künftigen Rentabilität. Gleichzeitig deuten die makroökonomischen Faktoren aktuell jedoch nicht auf einen anhaltenden Marktrückgang hin.
Wir gehen daher mit einer relativ ausgewogenen Aufteilung zwischen Aktien und Anleihen ins Jahr 2026. Zu Beginn des Jahres ist jedoch Vorsicht geboten, bis mehr Klarheit über die geldpolitische Haltung der Fed besteht. Deshalb haben wir keine eindeutige regionale Präferenz für Aktien.
«Wir sind bei Large-Cap-KI-Aktien, insbesondere den «Magnificent 7», vorsichtig. Stattdessen bevorzugen wir den Bereich Big Data, speziell Anwenderunternehmen, die am besten positioniert sind, um von KI zu profitieren. Zudem rücken wir Unternehmen in den Fokus, die von der Rückkehr der Überlegungen hinsichtlich Resilienz und Souveränität profitieren – sowohl weltweit als auch in Europa, wo die Umsetzung des Draghi-Reports zu den Prioritäten der EU-Kommission zählt.»
In den vergangenen zwei Jahren war die Marktdynamik ein äusserst wichtiger Faktor. Um sich auf einen Regimewechsel vorzubereiten und gleichzeitig langfristig investiert zu bleiben, erscheint es ratsam, den Anteil untergewichteter und unterbewerteter Anlagen, die bereits erste Erholungsanzeichen zeigen, zu erhöhen. Dies gilt insbesondere für europäische Small Caps, die von einer stärkeren Binnenkonjunktur, der Kapitalmarktunion und möglichen Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank profitieren dürften. In den USA bleibt eine expansive Wirtschaftspolitik möglich, wodurch Value-Aktien eine wichtige Rolle in einer Diversifikationsstrategie einnehmen können. Goldaktien, die bereits deutlich gestiegen sind, könnten weiter zulegen, sollte die Umbesetzung der Fed zu einer stärker politisierten Haltung führen.
Die Spreads bei Anleihen sind bereits auf einem historischen Tiefstand. Dennoch sind weitere Verengungen möglich, sollte sich die Bonität von Staaten verschlechtern. Vor diesem Hintergrund bevorzugen wir hybride Anleihen aus dem Finanz- und Unternehmenssektor von Emittenten mit Investment-Grade-Rating sowie Schwellenländeranleihen, die von einer Lockerung der US-Geldpolitik profitieren dürften. Darüber hinaus bevorzugen wir Carry-Strategien.