23.12.2024, 08:37 Uhr
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Im Interview äussert sich Cristian Pappone, Regional Head of Institutional and Wholesale Distribution, Switzerland & Austria bei Nordea Asset Management unter anderem zu den Unterschieden zwischen der Schweiz und Österreich in Sachen Nachhaltigkeit. Der Swiss Stewardship Code ist für ihn «sehr modern und radikal».
Herr Pappone, Sie leiten seit Kurzem das Team von Nordea Asset Management für die Schweiz und Österreich: Wo setzen Sie derzeit Akzente?
Aktuell steht der Ausbau des Teams im Vordergrund. Wir konnten in den vergangenen Monaten sehr erfahrene Teammitglieder gewinnen, mit denen wir das Schweizer Geschäft weiterentwickeln wollen. Dazu zählt auch der kürzlich bekanntgegebene Einstieg in das institutionelle Business. Das bedingt auch, dass ich mich intensiv mit unserer strategischen Stossrichtung auseinandersetze und die Rahmenbedingungen so schaffe, dass das Team bestmöglich zusammenarbeiten kann.
Worin sehen Sie die Unterschiede der Märkte Schweiz und Österreich?
Österreich ist im Bereich der Nachhaltigkeit vielleicht ein bis zwei Schritte weiter als die Schweiz. Der österreichische Markt ist zudem deutlich kleiner und stark fragmentiert. Besonders augenfällig ist der Grössenunterschied beim institutionellen Markt: In Österreich gibt es rund 20 bis 30 Pensionskassen und Vorsorgeeinrichtungen, während in der Schweiz weit über 1’200 Akteure existieren.
Nordea Asset Management übt im Bereich Nachhaltigkeit Active Ownership: Wie gross ist das betreffende Anlageuniversum?
Wir engagieren uns über alle Investments in verschiedenen Anlageklassen hinweg, was einem Universum von mehr als 10'000 Namen entspricht. Das sind aber nicht alles einzelne Unternehmen, da beispielsweise Schuldtitel eines Unternehmens über mehrere Emittenten ausgegeben werden können. Im vergangenen Jahr liefen Engagement-Prozesse bei 52 Prozent unserer Aktienbestände.
Welche zusätzlichen Ressourcen sind notwendig zur Ausübung von Active Ownership?
Ernsthaftes Engagement ist ressourcenintensiv. Nebst einem gut besetzten und erfahrenen Stewardship-Team und einer guten ESG- oder Responsible-Investment-Organisation ist der Zugang zu Daten – vorzugsweise von mehreren Anbietern – wichtig. Bei der Stimmabgabe haben wir unsere eigenen Abstimmungsrichtlinien bei unserem Provy-Voting-Anbieter hinterlegt und verfügen über ein System, mit dem wir alle ökologischen und sozialen Aktionärsanträge herausfiltern. Diese bewerten wir dann manuell. Der Swiss Stewardship Code von 2023 empfiehlt viele dieser Massnahmen und ist sehr modern. Er ist sogar relativ radikal – und das meine ich positiv. Die Berücksichtigung der Klimabilanz beispielsweise wird als Teil der treuhänderischen Pflicht des Investors gesehen. Im Gegensatz zum britischen Code, welcher in meinen Augen der strikteste der Welt ist, sieht der Schweizer Code keine Überprüfung der Stewardship-Praktiken der Institutionen vor, die angeben, mit dem Code in Einklang zu sein. In Grossbritannien führen solche Beurteilungen oft dazu, dass Institute das Recht verlieren, sich als Unterzeichner zu bezeichnen.
Hat Nordea Erfolge vorzuweisen, dass Unternehmen Strategie- oder andere Anpassungen aufgrund von Engagement und Voting vorgenommen hat?
Absolut. Es gibt einige erfolgreiche Engagements, die eingeleitet wurden, weil die entsprechenden Unternehmen im Verdacht standen, unsere Anforderungen nicht zu erfüllen. Werden durch das Engagement schwerwiegende Probleme aufgedeckt oder zeigt das Unternehmen nicht die Absicht, die Probleme zu beheben, kann das zu einem Divestment führen.
Sie sind seit über 20 Jahren im Schweizer Asset Management tätig. Welche Veränderungen nehmen Sie in der Industrie wahr?
Es gab sehr viele Veränderungen in dieser Zeit. Als besonders prägend erachte ich beispielsweise den Trend hin zum passiven Anlegen via ETFs und anderen Formen von Indexfonds und den allgemeinen Margendruck, insbesondere im aktiven Bereich. Aktuell beobachte ich zudem technologische Weiterentwicklungen in den Bereichen der Digitalisierung, künstliche Intelligenz sowie Krypto und vor allem Blockchain mit grossem Interesse. Des Weiteren nimmt das Thema ESG im weitesten Sinne immer mehr an Fahrt auf – auch wenn es durch geopolitische Herausforderungen wie den Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine kürzlich etwas an Popularität verloren hat. Bei der Dekarbonisierung spielt die Asset Management Industrie meines Erachtens eine zentrale Rolle. Es braucht aber mehr globale Standards und Transparenz. Zu viel Regulation halte ich hingegen für kontraproduktiv.
Was sind für die kommenden Jahre die grossen Treiber in der Asset Management Industrie ?
Die vielfältigen globalen Spannungen dürften die Märkte in Zukunft tendenziell viel stärker prägen als wir heute glauben. Beispielsweise könnte die mit der Corona-Pandemie eingesetzte Deglobalisierung mittel- bis langfristig auch im Asset Management stattfinden. In Zukunft dürften sich diejenigen Asset Manager durchsetzen, die neben lokalen Vertriebsteams auch in ihren Zielmärkten Fonds produzieren oder institutionelle Lösungen verwalten. Dazu kommt der zunehmende Druck auf aktive Asset Manager. Künftig werden sie noch besser darlegen müssen, welchen Mehrwert sie gegenüber passiven Produkten schaffen. Nicht zuletzt bin ich überzeugt, dass verantwortungsbewusstes Investieren nicht mehr wegzudenken ist. Auch wenn die ESG-Thematik von vielen Anlegenden aktuell eher kritisch betrachtet wird, wird sie auf lange Sicht nicht von der Agenda verschwinden. Das wird Asset Managern zugutekommen, die sich bereits heute auf nachhaltige Anlagelösungen spezialisieren.
Cristian Pappone ist seit November 2023 Regional Head of Institutional and Wholesale Distribution, Switzerland & Austria bei Nordea Asset Management. Davor war während mehr als 20 Jahren er in leitenden Positionen bei Vontobel Asset Management, bei der Zürcher Kantonalbank, bei RobecoSAM und Credit Suisse tätig. Er absolvierte einen Executive MBA an der Universität Zürich und das Executive Program «Managing international Asset Management» des Swiss Finance Institute.