04.12.2024, 10:51 Uhr
«Während die Märkte von einer lockeren Geldpolitik beflügelt werden, drohen politische Umwälzungen in den USA sowie geopolitische Spannungen», schreibt Nicolas Forest, Chief Investment Officer bei Candriam in...
Europa zeigt Zeichen der Erholung, US-Konjunktur bleibt robust genug für die Zinswende und Japan überrascht positiv. Mikio Kumada von LGT gibt in seinem jüngsten Marktkommentar einen Überblick.
"Je länger sich der Schuldenstreit mit Griechenland hinzieht, desto eher könnte es demnächst zu Marktturbulenzen kommen. Daher lohnt sich ein Blick auf das globale Makro-Gesamtbild. Trotz gewisser Datenschwankungen bleibt die US-Konjunktur nämlich robust genug für die Zinswende. Zugleich überrascht Japan nun immer wieder positiv, während die jüngsten geldpolitischen Impulse im Euroraum erste Vorboten einer allgemeinen Erholung hervorgebracht haben.
Es ist von Zeit zu Zeit sinnvoll, einen Schritt zurück zu setzen, um das Gesamtbild zu betrachten. Dabei wollen wir uns heute mit dem nominalen Wachstum beschäftigen. In Zeiten, in denen die meisten Staaten mit hohen Schuldenquoten und anderen deflationären Strukturfaktoren kämpfen, ist das nominale Bruttoinlandsprodukt (NBIP) von besonderer Bedeutung u.a. weil es die Basis aller Steuereinnahmen darstellt. Anders als das «reale» (d.h. inflationsbereinigte) BIP reflektiert es die statistisch etwas weniger «manipulierbare» Gesamtleistung, die sich aus der Produktivitäts-, Bevölkerungs- und Preisentwicklung ergibt.
Zudem spielt das NBIP eine zunehmende Rolle in der Geldpolitik. In den letzten Jahren haben sich immer mehr Experten mit der Idee des regelbasierten Anpeilens eines stabilen NBIP-Pfades angefreundet. Insbesondere in einem Nullzinsumfeld sei dieser Ansatz effektiver als das Anstreben eines Inflationsziels. Zudem werde die Stabilität und Berechenbarkeit der Geldpolitik erhöht. Jüngstes Beispiel für die wachsende Akzeptanz der Idee ist eine am 27. Mai publizierte Studie der Federal Reserve von St. Louis, zu dessen Autoren auch ihr Präsident, James Bullard, zählt («Optimal Monetary Policy at the Lower Zero Bound»). Kurz: Um den Erfolg «reflationärer» Geldpolitik (z.B. «quantitative Lockerung» bzw. QE) zu messen und Hinweise zu erhalten, was eine Notenbank als nächstes tun könnte, dürften die nominalen Daten aussagekräftiger sein, als die öfter zitierten «realen» Werte.
Stabiles Nominalwachstum in den USA
Das US-NBIP ist gemäss der letztwöchigen Revision im ersten Quartal 2015 um 0.9% geschrumpft (bei allen in diesem Beitrag erwähnten Wachstumsraten handelt es sich um annualisierte Veränderungsraten gegenüber Vorquartal). Dieser Rückgang ging jedoch in hohem Masse auf Konsum-, Freizeit- und Bauaktivitäten zurück, die wetterabhängig sein können. Dazu kam ein Einbruch der Kraftstoffausgaben um 62% was sich allerdings kaum wiederholen dürfte (sofern sich der Rohölpreis demnächst nicht noch einmal innerhalb weniger Monate halbiert). Das NBIP sollte sich also wieder erholen. Zudem bewegt sich der gleitende Vierquartalsschnitt des Wachstums (stellvertretend für den mittelfristigen Trend) seit dem Q3/2010 bemerkenswert stabil um die 4%. So wirkt der Q1- Rückgang lediglich wie eine gelegentliche Schwankung um den Mittelwert (siehe PDF, Abb. 1, Seite 2). In diesem Sinne scheint die US-Konjunktur robust genug geblieben zu sein, um irgendwann im Herbst die erste Leitzinserhöhung «verkraften» zu können die Inflation mag noch unter dem Quasi-Zielwert von 2% notieren, doch das Nominalwachstum zeigt sich stabil auf respektablem Niveau.
Beschleunigung in Japan und Europa
In den anderen grossen Volkswirtschaften mit aktiven QE-Programmen hat sich das NBIP-Wachstum indessen zuletzt wieder beschleunigt. In Japan wuchs es um 7.7%, nach 2.8% im Vorquartal, womit sich der Vierquartalsschnitt wieder auf den rund zweijährigen Trendwert von 2% erholte was beachtlich ist, weil Japans Nominalwachstum in den vorangegangenen 20 Jahren 0% betrug und seine Bevölkerung seit 2009 schrumpft. Auch in der Eurozone, wo die QE-Entscheidung erst im vergangenen Januar fiel, gibt es inzwischen erste Hinweise auf ein beschleunigtes Nominalwachstum nämlich in Spanien und Frankreich (siehe PDF, Abb. 2 & 3, Seite 2).
Diese mittelfristigen Trends implizieren grundsätzlich weiterhin ein positives Umfeld für Aktien selbst wenn es demnächst wieder zu Turbulenzen kommen sollte. Besonders begrüssenswert sind sie zudem im Lichte der Ergebnisse der aktuellsten globalen Markit-Einkaufsmanagerumfragen für die Industrie, die am 31. Mai veröffentlicht wurden. Diese konjunkturellen Frühindikatoren haben sich in 60% der teilnehmenden Länder im positiven Bereich gehalten, darunter in den USA, und in rund 70% der Fälle gegenüber dem Vormonat aufgehellt, darunter in den meisten europäischen Ländern und Japan.
Stabiler Wachstumstrend in den USA
Das Nominalwachstum (saisonal bereinigte, annualisierte Veränderungsrate gegenüber Vorquartal, bzw. «QoQ-SAAR») schwankt von Quartal zu Quartal, wobei die gelegentlichen Rückgänge in den USA in den letzten Jahren während der Winterzeit immer wieder besonders stark ausgefallen sind (siehe PDF, Seite 2). Das mittelfristige US-Trendwachstum (gleitender Vierquartalsschnitt) ist allerdings seit etwa fünf Jahren auffällig stabil geblieben trotz starkem US-Dollar, Ölbaisse und einer eher restriktiven Fiskalpolitik (sinkendes Budgetdefizit). Das US-Wachstum sollte sich daher demnächst wieder in Richtung des Trendwerts erholen. Folglich dürfte die Fed von ihrer frühestens im Herbst erwarteten ersten Zinserhöhung nur dann Abstand nehmen, wenn diese Erholung wider Erwarten ausbleibt.
Aufhellung der Trends in Japan und Europa
Japans NBIP ist im Q1 überraschend um 7.7% angestiegen (QoQ-SAAR, zwecks Vergleichbarkeit mit den US-Daten). Somit hat sich Japan weitgehend vom Effekt der Mehrwertsteuererhöhung vom April 2014 erholt, wie wir erwartet hatten (siehe PDF, Seite 2). Der Vierquartalsschnitt ist jetzt wieder auf dem Niveau, wo er seit rund zwei Jahren notiert. Auch im Euroraum haben sich unter den grösseren Ökonomien Frankreich und Spanien schon im Q1 recht deutlich aufgehellt (obwohl das im Januar angekündigte europäische QE-Programm erst Mitte März effektiv gestartet wurde) was besonders begrüssenswert ist. Denn noch vor einem Jahr lief Frankreich Gefahr, in den negativen Bereich abzurutschen, während Spanien zu den Ländern zählte, die besonders hart von der «Eurokrise» getroffen wurden. Erwähnenswert ist auch, dass Deutschlands Trendwachstum, ähnlich wie in den USA, vergleichsweise stabil auf hohem Niveau notiert (siehe PDF, Seite 2, für Europa und Japan zeigen wir nur die gleitenden Vierquartalsdurchschnittswerte, um die visuelle Komplexität zu reduzieren)."