12.12.2024, 11:18 Uhr
Der Versicherer Helvetia will unter einer neuen Strategie verstärkt auf das Geschäft mit Spezialversicherungen setzen. Die Gruppe will zudem effizienter werden und gibt sich neue Finanzziele für den Zeitraum von...
«Die Industriepolitik und ihre Auswirkungen auf die Staatsfinanzen bestimmen den Jahresausblick für 2025. Wir gehen davon aus, dass die Fiskalpolitik wichtiger und die Geldpolitik unwichtiger wird», schreibt Shannon Saccocia, Chief Investment Officer bei Neuberger Berman Private Wealth.
Der geplante Sparhaushalt wurde der französischen Regierung zum Verhängnis, und Südkoreas kurzes und chaotisches Kriegsrecht hatte laut Saccocia zumindest vordergründig mit der Blockade des Haushaltsentwurfs durch das Parlament zu tun.
In Südkorea wollte die linke Parlamentsmehrheit die Ausgabenpläne von Präsident Yoon Suk-yeol eindampfen. Der Präsident wollte die Staatsausgaben um 3 Prozent erhöhen, um die schwache Wirtschaft zu fördern. Tatsächlich ging es bei dem Streit vor allem um zusätzliches Geld für Behörden, die die Mehrheit der Abgeordneten als ihre Gegner ansieht.
In Frankreich wollte Barniers Mitte-rechts-Regierung die Staatsausgaben kürzen – schliesslich beträgt das Defizit 6 Prozent des BIP, und die Anleihenrenditen sind ähnlich hoch wie in Griechenland. Als Rechts- und Linkspopulisten das Gesetz dann gemeinsam stoppen wollten, wollte die Regierung es ohne Parlamentsabstimmung in Kraft setzen, mit dem berüchtigten Artikel 49.3. Die Folge war ein erfolgreiches Misstrauensvotum.
Da Neuwahlen nach der französischen Verfassung frühestens im nächsten Sommer möglich sind, muss der Präsident einen neuen Premier ernennen. Er könnte dann einen neuen mehrheitsfähigen Haushaltsplan mit weniger Sparmassnahmen vorlegen. Ansonsten käme es zu einer Übergangsregierung, die die Steuern und Ausgaben des 2024er-Haushalts lediglich fortschreiben darf. Dann würde die Fiskalpolitik straffer statt lockerer.
Im deutschen Haushaltsstreit argumentierte Bundeskanzler Olaf Scholz, dass die wirtschaftlichen Probleme des Landes ein Aussetzen der Schuldenbremse rechtfertigten, zumal die Rechtspopulisten von der AfD immer stärker werden. Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner war anderer Meinung.
Nach den derzeitigen Umfragen kommt eine grosse Koalition unter CDU-Führung. Es sei keineswegs sicher, dass der Staat dann wirklich mehr Geld ausgibt. Interessant sei aber, dass Bundesbankchef Joachim Nagel, sonst eher als Falke bekannt, letzte Woche eine lockerere Anwendung der Schuldenbremse forderte.
Im Gegensatz zu diesem (haushalts-)politischen Chaos übernimmt in den USA Anfang 2025 eine neue Regierung mit einer Mehrheit in beiden Parlamentskammern. Die Fiskalpolitik bleibt wohl expansiv, mit der Aussicht auf neue Hilfen für die amerikanische Industrie. Trump 2.0 dürfte früher alle wichtigen Posten besetzen und besser organisiert sein als Trump 1.0 im Jahr 2017.
Das heisst laut Saccocia aber nicht, dass alle Republikaner an einem Strang ziehen. Trump scheint es vor allem um Aussenhandelspolitik und Zölle zu gehen. Vom designierten Finanzminister Scott Bessent heisst es hingegen, er habe einen «3-3-3-Plan» in der Schublade. Er wolle die amerikanische Ölförderung um 3 Millionen Barrel täglich steigern, 3 Prozent Wirtschaftswachstum erreichen und das Haushaltsdefizit auf 3 Prozent senken.
Es dürfte laut der Expertin schwierig werden, all das gleichzeitig zu erreichen. Eine Halbierung des Defizits bei einer Verlängerung der Steuersenkungen dürfte harte Verhandlungen zur Folge haben. Man werde sich darüber verständigen müssen, welche Teile des Inflation Reduction Act, des CHIPS and Science Act sowie anderer industriepolitischer Massnahmen der Vorgängerregierung beendet werden sollen. Eine Einigung sei aber keineswegs sicher; schliesslich profitierten viele republikanische Wähler von diesen Gesetzen. Ausserdem wurde Trump gerade wegen seines Populismus gewählt.
«Alles in allem glauben wir, dass die amerikanische Geld- und Fiskalpolitik Ende 2025 expansiver sein wird als jetzt. Dennoch könnten sich die Republikaner im Kongress über die Fiskalpolitik uneins sein – und das, bevor es nach den Zwischenwahlen 2026 vielleicht noch komplizierter wird», schreibt die CIO.
Industriepolitik, Populismus und expansive Fiskalpolitik in den USA bestimmen die Konjunkturthemen für das neue Jahr. Neuberger Berman glaubt, dass zumindest die US-Wirtschaft über dem Langfristtrend wächst und dass die neue Regierung versuchen werde, etwas für ihre Wähler zu tun – durch höhere Realeinkommen für die Betreiber kleinerer Unternehmen und für weniger Vermögende.
Die Fiskalpolitik dürfte für Investoren jetzt wichtiger sein als die Geldpolitik – zunächst wegen ihrer Auswirkungen auf das Wachstum, dann wegen der Folgen für die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen. Dabei dürften sich die zuletzt volatilen Kurzfristrenditen bei den Anleihen stabilisieren, die längerfristigen Renditen aber volatiler werden.
Eine industriepolitisch motivierte lockerere Fiskalpolitik dürfte laut Saccocia in den USA Small Caps, konjunktursensitiveren Titeln und Substanzwerten helfen. In anderen Ländern sehe man dagegen vor allem Chancen für aktives Management. Hier könnten die Kurse fundamental stabiler Unternehmen darunter leiden, dass die Konjunktur schwächer ist als in den USA und die Fiskalpolitik den Markt weniger treibt. Für dollarbasierte Investoren komme hinzu, dass sie auch mit der Währungsabsicherung ordentlich verdienen können. Schliesslich hätten sich die Zinsen stark auseinanderentwickelt.
«Damit nicht amerikanische Aktien auf breiter Front steigen können, bräuchte es aber vielleicht eine entschlossenere Industriepolitik und weniger politischen Dissens. So müsste Deutschland die Schuldenbremse aussetzen, und China müsste die Wirtschaft nicht nur stabilisieren, sondern wirklich fördern. Die weltweite Marktentwicklung könnte 2025 stark davon abhängen, ob es dazu kommt», so das Fazit.