Corona-Welle kann Optimismus für 2021 nicht brechen

Noch überzieht die Covid-19-Pandemie den Himmel mit dunklen Wolken. Dennoch herrscht Optimismus für 2021 vor. (Bild: Shutterstock.com/Galyna Andrushko)
Noch überzieht die Covid-19-Pandemie den Himmel mit dunklen Wolken. Dennoch herrscht Optimismus für 2021 vor. (Bild: Shutterstock.com/Galyna Andrushko)

Das zu Ende gehende Jahr im Bann der Corona-Pandemie hat die Verletzlichkeit der Zivilisation und der Weltwirtschaft schmerzlich vor Augen geführt. Jetzt haben verfügbare Impfstoffe den Optimismus für eine rasche Erholung im 2021 aufkeimen lassen. Eine grosse Fehlertoleranz gibt es dabei aber nicht.

22.12.2020, 11:38 Uhr

Autor: René Maier, Chefredaktor investrends.ch

Liebe Leserinnen und Leser, ich nehme an, Ihnen geht es wie mir: Ich kann das Wort "Corona" – zu Deutsch "Krone" – nicht mehr hören. Es begleitet uns seit Jahresanfang tagein, tagaus in den Medien, in öffentlichen Bekanntmachungen, in Konversationen im privaten Kreis und mit Arbeitskolleginnen und –kollegen. Informationen über Informationen, die oft mehr verwirrend als klärend sind. Ich auf jeden Fall weiss zuweilen nicht mehr, wo mir unter dieser Krone der Kopf steht.

Klar ist indes, dass wir es mit einem heimtückischen, gefährlichen Virus zu tun haben, das uns pandemisch überfallen hat, uns in einer ersten Welle in einen Lockdown zwang, über die Sommermonate eine Verschnaufpause gönnte, ehe die zweite Covid-19-Ansteckungswelle im Herbst über uns hereingebrochen ist und nun die Feiertage überschwemmt. Und jetzt noch die Meldung aus dem Vereinigten Königreich, dass das Virus mutiert habe und ansteckender geworden sei. Auch wenn es laut Premier Boris Johnson noch keine Hinweise gibt, dass die gerade im Ausrollen begriffenen Covid-19-Impfstoffe nicht effektiv seien gegen das mutierte Virus, hat die Nachricht dem Optimismus für das kommende Jahr einen Schlag versetzt. Die Märkte reagierten am Montag postwendend mit starken Abschlägen, nachdem sie zuvor mit dem eingepreisten Optimismus bereits wieder den Weg zu neuen Höchstständen in Angriff genommen hatten.

Die Notenbanken haben im Vorfeld für 2020 unisono die BIP-Prognosen nach oben korrigiert: So wird das BIP der Schweiz nach Einschätzung der SNB dieses Jahr um rund 3% schrumpfen, im September erwartete die Nationalbank noch -5%. Die EZB rechnet für das laufende Jahr nach der unerwartet starken Belebung im Sommer-Quartal mit einem Einbruch von nur noch 7,3%, bislang war sie von minus 8,0% ausgegangen. Und die Fed geht in diesem Jahr von einer um 2,4% schrumpfenden Wirtschaft aus. Bisher wurde ein Rückgang um 3,7% angenommen. Verhagelt es aber durch die Teil-Lockdowns in vielen Ländern das Weihnachtsgeschäft, könnten die Rückschläge wieder negativer ausfallen.

Rasche Erholung der Wirtschaft erwartet

So oder so stehen 2021 die Sicherung der öffentlichen Gesundheit, eine Rückkehr zu einer normal funktionierenden Wirtschaft und die Wahrung der persönlichen Freiheit im Vordergrund. Dieses Trilemma wollen Politik und Notenbanken weltweit mit ihren beispiellosen Hilfspaketen weiterhin angehen und das Auffangnetz immer grösser spannen, erst recht wenn Unwägbarkeiten die optimistischen Erwartungen durchkreuzen.

So haben sich kurz vor Weihnachten Demokraten und Republikaner im US-Kongress auf ein weiteres gewaltiges Corona-Konjunkturpaket im Umfang von 900 Mrd. USD verständigt. Es handelt sich um das zweitgrösste in der Geschichte des Landes. Der US-Kongress hatte seit März mit der Unterstützung beider Parteien bereits Konjunkturpakete von rund 2,7 Bio. USD auf den Weg gebracht. Mit dem neuen Paket werden es nun deutlich mehr als 3 Bio. USD innerhalb eines Jahres sein. Auch die EU hat sowohl die monetären als auch die fiskalischen Schleusen weit geöffnet.

Vor diesem Hintergrund rechnet die Fed für 2021 mit einem Wirtschaftswachstum von 4,2% und für 2022 mit 3,2%. Die EZB prognostiziert für das kommende Jahr ein BIP-Wachstum von 3,9% statt wie noch im September von 5,0%, sie hat die Erwartungen also zurückgeschraubt. Für 2022 gehen die Notenbank-Ökonomen der EZB von einem Plus von 4,2% und für 2023 von 2,1% aus. Und die SNB erwartet 2021 ein BIP-Wachstum von 2,5% bis 3%.

Die Marktteilnehmer gehen auf breiter Front von einer Wirtschaftserholung im nächsten Jahr aus, ohne die Risiken ausser Acht zu lassen. Auch wenn die Zahl der Neuinfektionen mit dem Corona-Virus nach wie vor erschreckend hoch ist, blickt etwa die DWS mit viel Optimismus auf das Jahr 2021. Das gilt sowohl für die Entwicklung der Realwirtschaft, als auch für die Chancen an den Kapitalmärkten. Die Voraussetzungen für diesen positiven Ausblick fasste Stefan Kreuzkamp, Chefanlagestratege der DWS, beim Jahresausblick des Vermögensverwalters so zusammen: "Entscheidend wird sein, dass sich die Erwartungen erfüllen, die an die Wirksamkeit der Covid-19-Impfung und deren schnelle Einführung gerichtet sind." Für die Impfung bedeute dies, dass sie weitgehend flächendeckend bis spätestens Ende des dritten Quartals 2021 erfolgreich durchgeführt sein müsse. "Die Märkte haben dieses optimistische Szenario eingepreist, eine grosse Fehlertoleranz gibt es dabei nicht», so Kreuzkamp. Verwirklichen sich diese Annahmen, sei mit einer extrem raschen Erholung der Wirtschaft zu rechnen. Das globale Wirtschaftswachstum sieht die DWS 2021 bei 5,2%. Besonders stark (8,2%) werde der Aufschwung in China ausfallen.

Das CIO-Office der Zürcher Kantonalbank erwartet für 2021 eine global starke Wachstumsdynamik, in der vor allem die konjunktursensitiveren Regionen ihr Aufholpotenzial entfalten werden. Das Wachstum dürfte sich in den Folgejahren jedoch auf einem Niveau unterhalb des Vorkrisenniveaus einpendeln. Darum brauche es über einen längeren Zeitraum hinweg die Unterstützung der Geld- und Fiskalpolitik. Aus ökonomischer und anlagepolitischer Sicht werde nicht nur entscheidend sein, wann der Impfstoff das gewohnte Leben wieder zulässt, sondern auch, welche strukturellen Veränderungen die Covid-19-Pandemie bewirke.

Disruptive Geschäftsmodelle setzen sich durch

2020 war ohne Zweifel das Jahr der Wachstumswerte und damit gleichermassen das Jahr der Technologiewerte. Mit zunehmender Gewissheit über die baldige Verbreitung wirksamer Impfstoffe werden jedoch laut DWS die Zykliker und Substanzwerte wieder im Vordergrund stehen. Das Fondshaus der Deutschen Bank geht mittelfristig davon aus, dass die Anleger weiterhin Firmen favorisieren werden, deren disruptive Geschäftsmodelle sich schnell auf veränderte Rahmenbedingungen einstellen können und die zudem allein durch Marktanteilsgewinne wachsen können. Und solche Firmen finde man nicht nur im Technologiesektor, sondern auch bei Telekommunikationsdienstleistern, im Gesundheitssektor, beim nicht-zyklischen Konsum, sowie auch bei den Versorgern aufgrund der rasanten Verlagerung auf erneuerbare Energien.

Für Albert Tsuei von der UBS besteht kein Zweifel, dass die digitale Revolution überall zur Neugestaltung der Geschäftsmodelle führen wird. Aufstrebende Technologieunternehmen und bestehende Marktführer werden neu entwickelte Hard- und Software einsetzen und "unsere Umwelt umkrempeln». Sie werden die Art und Weise, wie wir leben, arbeiten und spielen, unwiderruflich verändern.

Wie sich das beschleunigen kann, haben uns ja die Lockdowns in diesem Jahr vor Augen geführt. Impfstoffe wurden dank disruptiven Technologien in atemberaubendem Tempo entwickelt und auf den Markt gebracht. Und intelligente digitale Plattformen und Apps haben nicht nur im Konsumbereich Lücken gefüllt, sondern auch im Gesundheitswesen enorm wertvolle Dienste geleistet.

investrends.ch auf dem Vormarsch

Investrends.ch hat 2020 einen grossen Sprung vorwärts gemacht. Wir konnten die Zahl der Unique User auf aktuell rund 26'000 pro Monat mehr als verdoppeln und hatten in den letzten 30 Tagen ca. 42'000 Seitenaufrufe.

Wir möchten uns ganz herzlich für Ihre Treue bedanken und werden auch nächstes Jahr bestrebt sein, Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, interessante und vielfältige Inhalte auf unserem B2B-Finanzportal zu bieten.

Ihr investrends.ch-Team

Megatrend Nachhaltigkeit rückt in den Vordergrund

Nachhaltigkeit ist ein weiterer Trend, den die Corona-Krise befeuert hat. Insbesondere auch die Finanzbranche scheint sich in dieser Hinsicht einiges vorgenommen zu haben, wie an den Aktivitäten der Banken und Asset Manager sowie der Vielfalt der Beiträge rund um ESG-Themen (auch auf investrends.ch) zu erkennen ist. Auslöser dafür sind aber auch politische Initiativen und Regulatorien. Felix Brill, CIO der VP Bank bringt es auf den Punkt: »Jeder Staatsfranken, der heute investiert wird, muss unter dem Gesichtspunkt der Klimaneutralität bis 2050 angeschaut werden.» Wie Brill weiter feststellt, macht Europa mit seinem Green Deal vorwärts, auch in China, dem grössten CO2-Verursacher, steht das Thema Klima inzwischen ganz oben auf der Agenda. Und unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden dürften die USA das Pariser Klimaabkommen erneut unterzeichnen. Der Staat allein kann es allerdings nicht richten, aber er kann Hebel ansetzen, wie mit dem "EU Action Plan for Sustainable Finance", wo über die Regulierung Anreize für den Finanzsektor gesetzt werden. Nehme man langfristige Trends wie die Verbreitung der Elektromobilität hinzu, werde klar, dass der nächste Aufschwung nicht nur in der Mache ist, sondern ganz klar grün sein werde.

Mich stimmen solche Entwicklungen trotz der Corona-Krise und den vielen Einschränkungen und Ungewissheiten, die damit einhergehen, zuversichtlich. Die Wahrscheinlichkeit ist gestiegen, dass Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltige Erkenntnisse daraus gewinnen und hoffentlich eine gewisse Demut, aber auch die Bereitschaft zu strukturellen Veränderungen mitnehmen werden.

In diesem Sinne wünscht Ihnen das ganze investrends.ch-Team schöne Feiertage und einen guten Rutsch ins 2021.

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