04.12.2024, 10:51 Uhr
«Während die Märkte von einer lockeren Geldpolitik beflügelt werden, drohen politische Umwälzungen in den USA sowie geopolitische Spannungen», schreibt Nicolas Forest, Chief Investment Officer bei Candriam in...
Am Sonntag senkte Chinas Notenbank zum zweiten Mal seit November den Mindestreservesatz für Banken und bestätigte damit die generelle Lockerung ihrer Grundhaltung. Letztere dürfte, gemäss Mikio Kumada von LGT Capital Partners, Chinas Börsen mittelfristig stützen. Im Gegensatz zu fast allen anderen Märkten notieren China-Aktien schliesslich immer noch unter den Vorkrisenniveaus von 2007. Kurzfristig wirken A-Aktien aber überbewertet, während ihre Pendants in Hongkong weiterhin Potenzial bieten.
"Festlandchinas A-Aktien schlagen seit etwa einem Jahr alles, einschliesslich ihrer eigenen, in Hongkong gehandelten Parallelversionen (H-Aktien). Die Rallye begann im letzten Sommer, als chinesische Privatanleger die Kurse an den Börsen von Shanghai und Shenzhen in die Höhe zu treiben begannen. Der CSI 300, der die Top-Titel des Festlands abbildet, hat letzten Juli gut 100% zugelegt, im Vergleich zu rund 30% für den MSCI China und 26% für den Hang Seng China Enterprises (beide repräsentieren festlandchinesische H-Aktien). Der Hang Seng, welcher für die Hongkonger Firmen steht, ist "nur" um 13% gestiegen.
Mehrere gute Gründe beleben die chinesischen Aktienmärkte
Neben der neuen, marktfreundlicheren Grundhaltung der Notenbank gibt es auch einige weitere Gründe für die A-Aktienrallye. Sie reichen von den grosszügig genutzten Belehnungsregeln der einheimischen Broker (auch wenn diese zuletzt von den Aufsichtsbehörden etwas gestrafft wurden) und der Beliebtheit der rasant aufkeimenden Internet- und IT-Branche des Landes, bis zur Verknüpfung der Hongkonger und Shanghaier Börsen, welche mit der Zeit entsprechend Aufmerksamkeit erweckt haben. Beijings geopolitische Entschlossenheit, mit welcher die Schaffung und Finanzierung der sogenannten "Neuen Seidenstrasse" zwischen dem "Reich der Mitte" und Europa forciert wird, bietet ebenfalls genügend Stoff für Börsenfantasien in den relevanten Branchen, wie etwa Eisenbahnen oder Anlagenbau. Ausserdem wurde Mitte 2014 offenbar der Punkt erreicht, an dem die Bewertungen und Konsenserwartungen gegenüber China zu lange zu tief geblieben waren (Grafiken siehe PDF Seite 2).
Die Intensität der jüngsten A-Aktienrallye muss erst einmal "verdaut" werden
Inzwischen wurde diese Bewertungslücke allerdings weitgehend geschlossen und die aktuelle Situation mahnt zumindest kurzfristig zur Vorsicht. Sie impliziert nämlich, dass A-Aktien ein deutlich höheres Gewinnwachstum als die meisten ihrer Pendants in Übersee, einschliesslich der eigenen H-Aktien, ausweisen werden, was etwas zu optimistisch wirkt. Erstens setzt die strukturell bedingte Wachstumsabschwächung Chinas dem Aufwärtspotenzial der A-Aktien gewisse Grenzen. Zweitens legt auch die langfristige Ertragshistorie der festlandchinesischen Unternehmen im globalen Vergleich eine gewisse Zügelung der überschwänglichen Erwartungen nahe: Beim Gewinnwachstum je Aktie hinkt China in den letzten 20 Jahren - trotz massivem Wirtschaftsboom - im Schnitt den anderen Märkten nämlich klar hinterher (siehe PDF Seite 2). Auch aus diesem Grund erscheint ein gewisser Bewertungsabschlag für A-Aktien zumindest bis auf weiteres doch berechtigt. Dieser Abschlag ist im Laufe der letzten Monate jedoch weggeschmolzen.
Hongkong bietet aber weiter Aufwärtspotenzial
Im Gegensatz dazu bleiben H-Aktien nach wie vor attraktiv. Das Kurs-Gewinnverhältnis des MSCI China beträgt weniger als 12, des Hang Seng China Enterprises sogar weniger als 9, im Vergleich zu 16.2 und 16.5 für den CSI 300 bzw. MSCI World All-Countries (auf Basis der auf ein Jahr vorausgeschätzten Erträge, vgl. Tabelle, PDF Seite 4). Wir geben dabei gern zu, dass A-Aktien noch extreme Niveaus erreichen könnten - es wäre keinesfalls das erste Mal. Während Chinas letzter Mega-Rallye von Juni 2005 bis Oktober 2007 versiebenfachte sich der CSI 300, obwohl die Firmengewinne nur um vergleichsweise bescheidene 123% zulegten. Im Verlauf der nächsten 12 Monate gab das Barometer schliesslich zwei Drittel seines Wertes wieder ab, sodass am Ende der Gesamtperiode ein halbwegs vernünftiges Gleichgewicht widerhergestellt war. Aktienkurse können sich gewiss lange von der wirtschaftlichen Realität loslösen. Am Ende folgen sie jedoch in der einen oder anderen Art auch in China der zugrundeliegenden Ertragsentwicklung. Und in diesem Zusammenhang bieten die H-Aktien aus unserer Sicht jedenfalls attraktivere Gesamtaussichten als die A-Aktien.
Beim Gewinnwachstum hinkt China nach
Die erste Grafik (siehe PDF Seite 2) zeigt die durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten der Betriebsergebnisse (EBIT) und Gewinne je Aktie der MSCI-Firmen diverser Märkte seit Beginn der Datenreihen für alle im November 1995. Obwohl es immer wieder Zyklen der über- und unterdurchschnittlichen Performance gab, hinkt China über den gesamten Zeitraum gesehen den anderen Märkten klar hinterher. Daten für A-Aktien gehen historisch weniger weit zurück, doch auch hier ist das Ertragswachstum seit einem zyklischen Hoch im Februar 2010 mit 3.4% p.a. doch erheblich tiefer als in den USA (ca. 12%), Japan (11%) oder der Eurozone (knapp 5%). Das bedeutet nicht, dass sich die Situation in China nie verbessern wird. Im Gegenteil: China hat auf längere Sicht enormes Aufwärtspotenzial. Unsere Zweifel beziehen sich auf Tempo und Ausmass der aktuell implizierten Ertragsexplosion. Die Intensität A-Aktienhausse kann nicht mit einer entsprechenden Verbesserung der Profitabilität begründet werden. Chinas Aktien sollten daher aus fundamentaler Sicht weiter mit einem gewissen Abschlag gegenüber den anderen Märkten gehandelt werden - zumindest bis es bessere Anzeichen dafür gibt, dass die antizipierte Ertragserholung tatsächlich stattfindet.
H-Aktien werden weiter mit vernünftigem Abschlag bewertet
Die nächste Grafik (siehe PDF Seite 2) zeigt die Gewinn- und Kurstrends für den CSI 300 (in CNY) sowie den Hang Seng China Enterprises (in HKD). Preise können sehr lange von der Ertragsentwicklung in beiden Richtungen abweichen. Nachdem Extreme oft "ausgereizt" werden, überwiegt am Ende doch der Ertragstrend. So fand Mitte 2009 bis Mitte 2014 eine "negative" Abweichung statt, die anschliessend, ab Mitte 2014, innerhalb weniger Monate "korrigiert" wurde. Inzwischen wird den A-Aktienmärkten wieder im "positiven" Sinn übertrieben. Das sagt uns zwar noch nicht, wann genau diese Entwicklung "korrigiert" wird. Bewertungen weisen bekanntlich inzwischen auch anderswo eine steigende Tendenz auf, z.B. in den USA. Allerdings ist diese Entwicklung nirgendwo so extrem wie in China. Selbst wenn sich Chinas Gewinnwachstum tatsächlich sehr stark erholen sollte, dürften doch noch ein paar Monate vergehen, bis es stichhaltige Hinweise dafür gibt, dass es sich dabei um einen neuen Trend handelt. So erscheinen uns A-Aktieninvestoren inzwischen doch etwas überschwänglich zu sein. H-Aktien, die erst kürzlich von den Festlandanlegern "entdeckt" wurden, bieten hingegen trotz der jüngsten Kursgewinne weiterhin Potenzial, einschliesslich eines gewissen Spielraums für Übertreibungen."
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