23.12.2024, 08:37 Uhr
Der Spezialkunststoff-Hersteller Gurit will sich künftig ganz auf profitablere Regionen und Geschäftsbereiche konzentrieren. Im Zuge der angekündigten Restrukturierung sollen Werke in Dänemark, Indien und der...
Wer erinnert sich noch an die letzte Zinserhöhung der EZB? Jean-Claude Trichet erhöhte trotz der Schuldenkrise in der Eurozone den Leitzins auf 1,50%. Die Inflation musste bekämpft werden, da sie die "gefährliche" Marke von 2,50% erreichte. Nicolas Forest von Candriam blickt zurück und zieht Vergleiche mit der jetzigen Situation.
Vor mehr als 10 Jahren, im Juli 2011, fand die letzte Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) statt. "Uns allen ist bekannt, was daraufhin geschah. Viele Anleihenanleger waren angesichts der Schuldenkrise in den Peripherieländern und der Deflation in Europa schockiert", erinnert sich Nicolas Forest, Global Head of Fixed Income and Member of the Executive Committee bei Candriam.
Elf Jahre später lade die Lage dazu ein, diese beiden Situationen zu vergleichen: Christine Lagarde, die Nachfolgerin von Mario Draghi, müsse sich erneut mit dem Dilemma auseinandersetzen, die Inflation zu bekämpfen und dabei die Finanzstabilität zu wahren. Während die EZB ihre Inflationsprognosen kontinuierlich nach oben korrigierte, hinke sie hinterher. "Sie sieht sich einem Jahresanstieg von mehr als 8% gegenüber und muss somit Märkte auf eine erste Anhebung der Leitzinsen im Juli vorbereiten, und es folgen mindestens zwei weitere Anhebungen bis zum Jahresende. Die Einlagenzinsen könnten somit aus dem negativen Bereich gelangen und von -0.50% auf +0.25% ansteigen", meint Forest.
Dieser von den Geldmärkten weitgehend erwartete Restriktionszyklus könnte jedoch den Wandel der Anleihen, die von steigenden Zinsen und einer erhöhten Volatilität an den Finanzmärkten geprägt sind, verstärken. Forest geht der Frage nach, welche Konsequenzen sich daraus für die Anleger ergeben.
Die Inflationserwartungen, die in den kommenden Monaten weiterhin hoch bleiben und die EZB veranlassen dürften, ihre Inflationserwartungen im Juni anzuheben, sprechen laut dem Global Head of Fixed Income für eine schnellere und stärkere Zinsanhebung der EZB im Jahr 2022. Vor diesem Hintergrund dürften die kurzfristigen Zinsen weiter unter Druck bleiben, während die Aufwärtsbewegung im 10-jährigen Segment aufgrund der negativen Auswirkungen der restriktiveren Politik der EZB begrenzt sein könnte. Die Euro-Kurve dürfte sich somit in den kommenden Monaten weiter verflachen; vor allem, wenn sich die Konjunktur weiter verlangsamt.
Wie Forest weiter erläutert, verändert der Preisanstieg das Verhalten der Wirtschaftsteilnehmer und verteilt ihre Einnahmen entsprechend ihrer jeweiligen Wahrnehmung anderweitig. Die durch diese Situation beunruhigten Verbraucher beschleunigen ihre Einkäufe zunächst und verhandeln ihre Löhne neu aus. Die Unternehmen heben die Preise angesichts steigender Kosten an, um die Margen zu schützen. Nicht alle Unternehmen haben die Möglichkeit, diesen Preisanstieg weiterzugeben. Angesichts des Inflationsdrucks und der geldpolitischen Straffung dürfte die Streuung zunehmen. "Die kommenden Veröffentlichungen der Quartalsergebnisse werden diese Unterschiede ans Tageslicht bringen und eine hohe Selektivität am Kreditmarkt rechtfertigen", sagt er und fügt die Frage an: "Wie kann man sich auf diesen Zinsanhebungszyklus vorbereiten?"
Der Zinssatz für variabel verzinsliche Anleihen wird in regelmässigen Abständen auf der Grundlage eines Referenzzinssatzes (der dreimonatige Interbankenzinssatz) und einem vom Markt bestimmten Kreditspread zurückgesetzt. Die Anleger seien daher auf eine natürliche Art und Weise vor steigenden Zinsen geschützt, so Forest.
Eine durchschnittliche Kreditprämie von fast 120 Basispunkten sei aktuell realistisch. Eine derartige Strategie dürfte sich nach Ansicht Foresters bezahlt machen. Wenn man davon ausgehe, dass die kurzfristigen Zinssätze über 1% liegen, könnte sich eine solche Strategie auszahlen. Darüber hinaus sei die Entwicklung der variabel verzinslichen Anleihen mit der Rendite von Staatsanleihen negativ korreliert. Sie bieten somit im Rahmen eines Anleihenportfolios eine gute Diversifikation.
Da die Inflationszahlen in Europa in den kommenden Monaten weiterhin über den Erwartungen liegen dürften und der Inflationsdruck zunimmt (Rohstoffpreise, Deglobalisierung, Probleme in der Lieferkette usw.), sind inflationsindexierte Anleihen ein attraktives Anlageinstrument, um sich gegen das Risiko von Inflationsüberraschungen zu schützen. "Nach dem jüngsten Rückgang der Inflationserwartungen erscheinen sie unserer Ansicht nach eine sinnvolle Alternative zu Nominalanleihen, vor allem im kurzen Ende der Kurve. Die in den kommenden Monaten anhaltende Inflation bietet somit einen nicht unerheblichen Schutz vor steigenden Realzinsen", sagt der Fixed-Income-Experte.
"Das Thema 'Inflation' steht tatsächlich wieder auf der Tagesordnung", betont Forest. Es werde die Finanzmärkte in den kommenden Monaten auch weiterhin beschäftigen. Es könnte sogar nach dem russischen Ölembargo und einem möglichen Abbruch von Gas in Europa noch mehr an Bedeutung zunehmen. "Die Auswirkungen der geldpolitischen Straffung auf das Wirtschaftswachstum dürften in der zweiten Jahreshälfte spürbarer sein. Vor diesem Hintergrund wird es für Anleihenanleger am sinnvollsten sein, sich für eine aktive und flexible Verwaltung zu entscheiden", empfiehlt Forest.