20.12.2024, 14:24 Uhr
Das neue Diätmittel CagriSema von Novo Nordisk ist zwar besser als das alte Mittel, aber nicht besser als die Konkurrenz. Das führt zu einem Kurssturz weil mehr erwartet worden war.
Die Energiewende belastet die Margen der traditionellen Autokonzerne durch Verlust bei profitablen Verbrennern und geringer Auslastung bei E-Autos. «Die potenzielle Disruption durch AI-basierte Technologie betrifft nicht nur den Automobilmarkt, sondern auch andere Mobilitätsdienstleistungen», schreibt Philipp Stumpfegger, Portfolio Manager & Sector Analyst Automotive and Industrials, bei DJE Kapital AG.
In der europäischen Automobilindustrie scheint auf den ersten Blick etwas Ruhe eingekehrt zu sein. Die Post-Corona-Lieferkettenprobleme bei Halbleitern sind weitestgehend gelöst, die Kosteninflation hat sich mittlerweile wieder normalisiert, die Absatzzahlen überschreiten Vor-Corona-Niveaus und die meisten Automobilkonzerne erzielen historisch gesehen hervorragende Margen nahe an Rekordniveaus. Allerdings verändert die Transformation in Richtung Elektromobilität den Automobilmarkt grundlegend – nicht nur technologisch, sondern auch strukturell und finanziell.
Trotz der starken Wachstumsraten, welche die Elektromobilität vorzuweisen hat, sollte nicht vergessen werden, dass der gesamte globale Automobilmarkt über den Zyklus hinweg in der Regel nur auf BIP-Niveau wächst und somit kein starkes Wachstum verzeichnet, auch wenn natürlich einzelne OEMs (Originalteile-Hersteller) oder Zulieferer stärker wachsen können. Als Referenz: Laut IHS Markit-Prognosen sollte der globale Automobilabsatz 2023 bei etwa 87 Millionen Fahrzeugen liegen, was im Kontext der letzten zehn Jahre durchaus als überdurchschnittliches Jahr bezeichnet werden kann.
Das Angebot, vor allem durch E-Mobilität getrieben, wächst allerdings gewaltig. Auch wenn der E-Mobilitätsmarkt seit seinen Anfängen mittlerweile massiv konsolidiert hat – in China ist beispielsweise die Anzahl der E-Auto Firmen seit 2019 von etwa 500 auf nahezu 100 gesunken – sind hieraus einige hoch wettbewerbsfähige Firmen mit enormen Wachstumsplänen entstanden.
Aber auch aus den USA gibt es erhebliche Konkurrenz, wie beispielsweise einen bekannten US-Elektroautohersteller. Dabei geht es hier nicht darum, eine Aussage zu treffen, ob der börsennotierte Konzern ein AI-Technologieunternehmen kurz vor einem revolutionären Durchbruch beim autonomen Fahren ist, oder ein völlig überbewerteter konventioneller Automobilhersteller. Es geht vielmehr schlicht um die verfolgte Strategie und die Konsequenzen für die Automobilwelt. Das Unternehmen baut aktuell pro Quartal knapp 500’000 Autos beziehungsweise hat etwa 2,3 Prozent Weltmarktanteil, Tendenz stark steigend. Ab 2030 plant die Firma mit einem Absatz von 20 Millionen Fahrzeugen pro Jahr, also mehr als die beiden grössten Hersteller Toyota und VW zusammen. Auch mit moderaten Marktwachstumsraten (zwei Prozent CAGR) würde dies einen Marktanteil von weniger als 20 Prozent bedeuten. Ob diese ambitionierte Planzahl in der Form erreicht wird, ist alles andere als sicher. Sie ist allerdings richtungsweisend und lässt erahnen, wie wettbewerbsintensiv der Automobilmarkt noch werden wird. Dass der Konzern umsetzungsstark ist, hat er in der Vergangenheit schon bewiesen. 2015 rief er beispielsweise ein Absatzziel von 500’000 Autos für 2020 aus, welches viele ihm nicht zutrauten, welches er aber bis auf 450 Autos erreichte.
Dem Management geht es zum aktuellen Zeitpunkt explizit nicht um Gewinnmaximierung bei der Automobilproduktion – es verfolgt das Ziel des echten autonomen Fahrens auf Basis der eigenen Technologie. Das System für autonomes Fahren basiert im Gegensatz zu vielen anderen Herstellern auf Kamera-basiertem AI-Learning, somit ist die Anzahl der gefahrenen Kilometer mit ihrer FSD-Lösung (Fully Self Driving) aus Sicht des Unternehmens der Schlüssel zum Erfolg. Mit anderen Worten: Ziel ist es, kurzfristig möglichst viele Autos in den Markt zu drücken, auch wenn die Marge darunter leidet.
Mit autonomem Fahren, basierend auf ihrer eigenen AI-basierten Technologie, hätte die Firma nach der E-Auto-Revolution nach Jahren wieder eine massiv disruptive Technologie in den Händen. So arbeitet man beispielsweise an Robotaxis, welche nach eigener Aussage bezogen auf Kosten pro Kilometer das günstigste Transportmittel wären, auch günstiger als Zugfahren. Für das Taxigewerbe, Geschäftsmodelle wie Uber oder auch klassische Mietwagenfirmen könnte ein Durchbruch hier zu erheblichen Verwerfungen führen – auch für die restliche Automobilindustrie wäre ein solcher Erfolg nicht unproblematisch.
Die realen Auswirkungen der Strategie sind am Automobilmarkt schon jetzt klar erkennbar: Das Management hat dieses Jahr zum siebten Mal in Folge die Preise gesenkt, zuletzt im August in China. Erschreckend für die Konkurrenz ist, dass der Auto- und Batteriehersteller aufgrund seiner enorm effizienten Produktion und hohen Margen mit die höchsten Spielräume für weitere Preissenkungen hat. Das Management sieht die Situation wohl pragmatisch – wenn die Nachfrage deutlich unter dem Planvolumen liegt, muss der Markt mit attraktiveren Preisen stimuliert werden.
Der Pionier in der Elektromobilität ist nicht der einzige Konzern in der Automobilbranche, der stark wächst und weitere aggressive Pläne hat. Ein weiteres Beispiel ist ein führender chinesischer Hersteller, der aktuell der grösste E-Auto Produzent der Welt (Stand 2022, inklusive Hybrid) ist. Der hochintegrierte Konzern ist dieses Jahr in den europäischen Markt eingetreten und plant mittelfristig in die Top 5 in Europa zu kommen. Auch die Übernahme der stillgelegten Ford-Werke in Saarlouis wird in der Presse diskutiert und könnte die Europaexpansion des Unternehmens mittelfristig weiter beschleunigen und zudem vor Protektionismus schützen. Chinesische PKWs sind in Europa in den letzten Jahren stark auf dem Vormarsch – dieser Trend wird sich aller Vermutung nach weiter fortsetzen.
Auch beim Export zeichnet sich ein ähnlicher Trend ab. Dieser zeigt klar, dass seit 2019 die chinesischen Exporteure auf dem Vormarsch und deutsche sowie japanische Unternehmen die relativen Verlierer sind. Dieser Trend wird sich wohl weiter fortsetzen, auch wenn in Gesprächen mit der Industrie die Gefahr für Europa tendenziell kleingeredet wird. Die Kapazität in der E-Mobilität weitet sich massiv aus und die Nachfrage wird aller Voraussicht nach nicht schritthalten können. Was das Automobilvolumen angeht, ist die Industrie nahezu ein Nullsummenspiel – was einer gewinnt, muss ein anderer verlieren.
E-Autos haben margenseitig zwei Probleme: Einerseits die Batterie, welche einer der grössten Kostenblöcke im Auto ist. Diese fällt bei einem Verbrenner in der Form schlicht und ergreifend weg. Daher sind E-Autos derselben Klasse in aller Regel teurer als Verbrenner. Beispielsweise ist ein E-Mini in Deutschland im Grundpreis rund 20 Prozent teurer als die Verbrenner-Version. Gerade bei grossen Modellen, welche grosse Batterien benötigen, sind die Kosten hier proportional hoch. Der erwähnte US- Elektroautohersteller geht beispielsweise davon aus, dass der Cybertruck, bei welchem noch dieses Jahr mit der Auslieferung begonnen werden soll, mit negativer Bruttomarge starten wird und auch mittelfristig aufgrund der Batteriegrösse deutlich unter den anderen Modellen liegen soll. Aus Sicht des Kunden gibt es in der Regel eine preisliche Abwägung zwischen Verbrenner und E-Auto. Dies könnte den Anteil an E- Autos, vor allem ohne staatliche Förderungen, ins Stocken geraten lassen. In China werden E-Autos (unter Berücksichtigung staatlicher Subventionen) vereinzelt zu niedrigeren Preisen angeboten als ihre Verbrenner-Pendants.
Das zweite Problem, welches vor allem konventionelle OEMs (Original Equipment Manufacturer) betrifft, ist das Thema Auslastung. Der Grossteil der westlichen Automobilkonzerne hat ambitionierte Wachstumsziele für Autos mit Elektroantrieb. Die Anlaufphase hier belastet die Marge auf zwei Wegen: Die aktuell hochprofitablen Verbrenner verlieren Volumen, was die Auslastung belastet und die E-Autos wiederum starten mit relativ geringen Volumen, somit fehlt auch hier die Auslastung.
Man muss in der Automobilwelt aber auch klar differenzieren. Volumenhersteller ohne starke Marken und Differenzierung sind hoch anfällig in dem drohenden Sturm. Luxusmarken und – in geringerem Masse – Premiummarken sollten sich dagegen in einem schwierigeren Umfeld besser behaupten, zumindest relativ gesehen.
Die Halbleiterkrise hat klar veranschaulicht: Preise sind für den Sektor wichtiger als Volumen. Die globalen Absatzzahlen sind 2020 und 2021 auf 10-Jahres-Tiefststände gefallen. Dennoch konnten die meisten westlichen Automobilkonzerne durch Reduzierung der Rabatte, Preiserhöhungen und oftmals auch positive Veränderungen im Mix (Halbleiter wurden in Richtung Modellreihen mit höherer Profitabilität allokiert) starke Margen und auch absolut gute Gewinne erzielen.
Historisch gesehen gab es bei Überkapazitäten im Automobilmarkt eine leider nur geringe Preisdisziplin, was sich neben der konjunkturellen Anfälligkeit des Sektors in den langfristig optisch günstigen Aktienbewertungen widerspiegelt.
Gerade mit Blick auf die zweite Jahreshälfte verbessert sich die Verfügbarkeit der Autos erheblich – Preisnachlässe nehmen zuletzt auch wieder deutlich zu. PwC Strategy berichtete zuletzt, dass Rabatte im Juli für Premium E-Autos in Deutschland durchschnittlich 14 Prozent betrugen – etwa ein Viertel über dem Vormonat.
Mit Blick auf diverse Aktien im Sektor stellt sich die Frage, was sich inkrementell verbessern kann, und hier sehen wir vor allem bei den klassischen Automobilherstellern im Volumenbereich aktuell wenig Positives und vor allem margenseitig erhebliche Risiken.