23.11.2024, 12:00 Uhr
Matt Quinlan, Portfoliomanager bei der Franklin Equity Group, erläutert die entscheidende Rolle, die Dividenden bei der Steigerung der Gesamtrendite und bei der Verringerung der Gesamtvolatilität für Aktienanleger...
Die Fälle Wegelin und SNB sind nur die letzten einer langen Kette von Ereignissen, welche das Vertrauen der Anleger und der Öffentlichkeit in die Finanzbranche erschüttern. Oft fehlt es sogar an verbindlichen Verhaltensregeln, um derartige Skandale zu vermeiden.
Geplatzte Börsenblasen, Kreditkrisen, Bankpleiten, Buchhaltungsskandale, Bonusexzesse, Schwarzgelder, Staatsdefizite und Nullperformance: Diese unselige Kette von Ereignissen hat seit Ende der 90er Jahre am Vertrauen der Anleger genagt. Ehemals bekannte Brands wie Long Term Capital Management, Enron und Lehman Brothers haben weltweiten Symbolcharakter erlangt. In der Schweiz sind es Namen wie BVK, Gemini, UBS und neuerdings auch altehrwürdige Labels wie Wegelin und Schweizerische Nationalbank SNB, die Kratzer abgekommen haben.
Musste bei der SNB der Chef wegen lapidaren Devisengeschäften den Hut nehmen, ist bei Wegelin die älteste Privatbankendynastie der Schweiz gar in den Abgrund gestürzt. Das Institut ist über US-Steuersünder gestolpert und dürfte über kurz oder lang von der Bildfläche verschwinden. Das Vermögensverwaltungsgeschäft mit steuerehrlichen Kunden wird mit dem neuen Brand Notenstein Privatbank unter dem vertrauenswürdigen Dach der Raiffeisengruppe weitergeführt.
Waren Banquiers und Vermögensverwalter vor zehn Jahren noch hochgeachtete Persönlichkeiten, so sehen sich die Anlageprofis heute verstärkter Kritik ausgesetzt. Das stellen Berufsverbände wie das CFA Institute, dem weltweit rund 200000 Mitgliederinnen und Mitglieder angeschlossen sind, vor Herausforderungen. Denn wie immer in solchen Krisen sind es nur eine Handvoll schwarzer Schafe, die das Rénommée einer ganzen Industrie belasten.
Eine Handvoll schwarzer Schafe
Das Ziel eines jeden Berufsverbandes ist es, die Reputation und Qualität seiner Branche hochzuhalten und zu pflegen. Dazu hat das CFA Institute nicht nur anspruchsvolle und weltweit beachtete Weiterbildungsprogramme lanciert, sondern auch strenge Verhaltensvorschriften eingeführt. die konsequent durchgesetzt werden. Um dem Vertrauensschwund der Anleger entgegenzuwirken, hat das CFA Institute in den vergangenen Jahren ausserdem das Thema Ethik verstärkt in seine Weiterbildungs- und Konferenzprogramme implementiert und das Sanktionswesen personell verstärkt. Ausserdem kann sich jedermann über Mitglieder des CFA Instituts oder Kandidaten von CFA Bildungsprogrammen online beschweren.
Wer die Standesregeln missachtet, die im CFA Institute Standards of Professional Conduct definiert sind, muss seit einigen Jahren verstärkt mit dem Verlust seines CFA-Titels und entsprechenden Reputationsschäden rechnen. So sprang die Zahl der vom CFA Institute untersuchten Fälle seit der Krise 2008 von rund 200 auf mehr als 300 pro Jahr an.
Industriestandard für die Anlage- und Finanzprofis
Der CFA-Kodex definiert die grundlegenden Verhaltensaspekte für die Verbandsmitglieder. Sie gelten inzwischen als Industriestandards und werden oft auch von anderen Institutionen angewendet. Denn sie schaffen für Finanzinstitute sowohl intern gegenüber den Arbeitnehmern wie auch extern gegenüber den Kunden und Partner eine klare, vertrauensbildende Basis. Kernpunkte des Verhaltenskodex sind die Einhaltung von Insidernormen, die Loyalität gegenüber Kunden und Angestellten sowie die Offenlegung von möglichen Interessenkonflikten.
So ist es CFA-Mitgliedern oder -Kandidaten nicht erlaubt, nicht-öffentliche Informationen für sich oder andere zu nutzen, welche den Wert eines Investments beeinflussen könnten. Wenn nämlich der Eindruck entsteht, dass Personen in speziellen Positionen unfairerweise Vorteile aus ihrem Insiderwissen ziehen, würde die breite Anlegerschaft den Kapitalmärkten das Vertrauen entziehen.
Offenlegung von Interessenkonflikten
Die CFA-Standards schreiben ihren Mitgliedern zudem Loyalität gegenüber ihren Kunden vor. Sie müssen mit der gebotenen Sorgfalt und gesundem Menschenverstand zum Vorteil ihrer Kunden handeln und die eigenen Interessen sowie diejenigen ihres Unternehmens hintenanstellen. Die CFA-Regeln bestimmen ferner, dass die Standesmitglieder Interessenkonflikte, die ihre Unabhängigkeit und Objektivität beinträchtigen und im Widerspruch zu den Kundeninteressen stehen könnten, klar offenlegen.
Indem die CFA-Normen bestimmen, dass die Eigeninteressen eines Unternehmens oder deren Beschäftigten hinter diejenigen der Kunden und der Finanzmärkte zu stellen sind, kann sich sogar ergeben, dass ein Angestellter gegen die Interessen seines Arbeitgeber handeln darf. Klar darf dabei kein höherstehendes Gesetz wie das Bankengesetz gebrochen werden.
Ohne gesundes Urteilsvermögen geht es nicht
Die klare Definition und strikte Einhaltung von Verhaltensvorschriften ist die beste Medizin, um sich vor Vertrauensverlust zu schützen. Für die Finanzindustrie bieten die CFA Institute Standards of Professional Conduct eine bewährte Grundlage. Doch ist oft nicht Genüge getan, wenn Gesetze und andere schriftliche Regeln eingehalten werden. Wichtiger noch sind ein gesunder Menschenverstand, ein intaktes moralisches Urteilsvermögen und die Fähigkeit, individuelle und situative Interessenkonflikte zu erkennen und zu vermeiden.
Der rasche Abgang von Nationalbankpräsident Hildebrand sowie das abrupte Ende der Wegelin-Erfolgsstory sind in der Schweiz wie Bomben eingeschlagen. Diese Ereignisse sind starke Symptome für die laufende tiefgreifende Bereinigung in der Banken- und Anlagebranche. Sie werden dazu beitragen, die ethische und mentale Neuorientierung in der Branche zu beschleunigen, die schwarzen Schafe auszumerzen und das Anlegervertrauen allmählich wieder zurückzugewinnen.