23.12.2024, 08:37 Uhr
Der Spezialkunststoff-Hersteller Gurit will sich künftig ganz auf profitablere Regionen und Geschäftsbereiche konzentrieren. Im Zuge der angekündigten Restrukturierung sollen Werke in Dänemark, Indien und der...
Matt Siddle ist Portfolio Manager bei Fidelity International und seit 2012 verantwortlich für den FF- European Growth Fund und seit 2010 für den FF-European Larger Companies Fund. Wie er im Interview mit Fondstrends erklärt, ist seine Devise: Die europäischen Aktien von einem optimistischen Standpunkt zu betrachten, auch wenn einige entscheidende Differenzen zwischen Ländern, Branchen und Unternehmen weiter bestehen.
Im zweiten Semester des vergangenen Jahres zeigte die Gewinnkurve bei vielen europäischen Unternehmen nach oben. Wo sehen Sie die Gründe dafür?
Die Wirtschaftsdaten im Euroraum und in Grossbritannien haben in der zweiten Jahreshälfte positiv überrascht. Nach vier bis fünf Jahren mit überwiegend negativen Gewinnkorrekturen haben die Prognosen inzwischen unter dem Strich wieder ins Plus gedreht. Aktuell werden die Gewinne so stark nach oben korrigiert wie seit der Erholung 2009/10 nicht mehr. Die europäische Wirtschaft erlebt in vielen Bereichen einem Aufschwung. Die Arbeitslosenquote ist rückläufig, die Fahrzeugverkäufe steigen an und die Inflation zieht an.
Viele Fachleute gehen von einer zunehmenden Dynamik in Europa aus. Teilen Sie diese Meinung und wo sehen Sie die Gründe für diese Erwartungen?
Die Dynamik wird überwiegend durch die politische Agenda getrieben. Gerade haben wir die holländischen Wahlen gut überstanden, schon nähern sich die Präsidentschaftswahlen in Frankreich. Die Brexit-Verhandlungen werden sicherlich ebenfalls herausfordernd werden. Dabei darf man aber die Fundamentaldaten der Unternehmungen nicht vergessen. Im aktuellen Jahr dürfte es für Aktienanleger trotzdem positiv weitergehen. Die Ära Trump könnte die Entwicklung europäischer Aktien in den kommenden Monaten positiv beeinflussen: Steuersenkungen in den USA sollten ebenfalls eine stimulierende Wirkung haben.
In grossen Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Italien stehen wichtige politische Entscheide an, die bisher für Unsicherheit gesorgt haben. Schwindet nun diese Unsicherheit in den Märkten?
Wirtschaftlich zeigt sich gerade in Deutschland aktuell eine rekordhohe Beschäftigung und steigende Löhne. Andere Länder wie beispielsweise Irland und Spanien haben sich von der Schuldenkrise gut erholt. Auf der politischen Seite wäre der Sieg von Le Pen ein Schock. Bleibt in Europa der Populismus auf dem Vormarsch, besteht hier die Gefahr starker Marktschwankungen. Aber vergessen wir nicht, dass Europa viele Weltmarktführer beheimatet. Die Unternehmen erwirtschaften beinahe die Hälfte ihres Umsatzes ausserhalb Europas und profitieren vom Wachstum in anderen Regionen. Dies relativiert das Risiko von starken Marktschwankungen aufgrund der politischen Situation, was auch unsere Bewertungsmethodik in den letzten Jahren vielfach bestätigt hat. Als Härtetest erwies sich letztes Jahr das EU-Referendum der Briten. Obwohl britische Aktien im Fonds übergewichtet sind, zeigte es an, dass die britische Wirtschaftsentwicklung keinen übermässigen Einfluss auf das Portfolio haben würde, da die meisten britischen Unternehmen im Fonds international aktiv sind.
Wie schätzen Sie das Verhalten der EZB für 2017 ein und wie wirkt sich dies auf die Märkte aus?
Auch wenn in Amerika die Zinsen nun mit ersten kleinen Schritten angehoben wurden, gehe ich wie viele Anleger auch von einer Weiterführung des bisherigen Kaufprogramms aus. Gefahr droht daher eigentlich nur, wenn diese Strategie unvermittelt und heftig korrigiert wird, was einige Volkswirtschaften der Peripherie und die Finanzmärkte vor grosse Schwierigkeiten stellen würde.
Welche konkrete Anlagestrategie verfolgen Sie bei europäischen Aktien?
Ich suche in erster Linie Qualitätsunternehmen zu einem attraktiven Preis. Viele anleihenähnliche und volatilitätsarme Aktien haben kräftig zugelegt und sind inzwischen teuer. Deshalb durchleuchte ich das ganze Spektrum von Qualitätsunternehmen auf der Suche nach besonders günstig bewerteten, durch ihr attraktives Risiko-Ertrags-Profil überzeugenden Titeln. Qualitätsunternehmen sind diese Firmen, die mit hohen Kapitalrenditen, schnellerem Wachstum als die Konkurrenz und hohen Kapitalflüssen überzeugen. Solche Unternehmen sollten über einen kompletten Wirtschaftszyklus gesehen insgesamt eine höhere Rendite liefern und vor allem in Phasen negativer Märkte ihre defensiven Eigenschaften ausspielen können. Gegenüber rein auf Qualität fokussierten Fonds ist das ein gewichtiger Vorteil, der 2016 entscheidend zur starken Rendite beigetragen hat.
Welche sind für Sie die wichtigsten Kriterien bei der Titelauswahl?
Im ersten Schritt wird eine Auswahl umsatzstarker Unternehmen mit soliden Bilanzen ausgewählt. Dabei liegt der Fokus auf Firmen mit langfristiger Qualität und Wachstumspotenzial. Aus etwa 1'000 Titeln kommen ca. 500 in die Auswahl, die dann anhand der Bewertungsmatrix analysiert werden. Diese hat zwei Dimensionen: Qualität und aktuelle Bewertung. Solide Unternehmen mit attraktiver Bewertung stehen dabei im Fokus. Dank der Bewertungsmatrix gelangen dann ungefähr 100 Titel in die engere Auswahl für das Portfolio. Letztlich entscheide ich mich für 60 bis 90 Titel, die zum einen mit einer soliden langfristigen Wertentwicklung und zum anderen mit geringen Verlustrisiken in schwierigen Zeiten überzeugen.
In welchen Branchen sehen Sie die grössten Perspektiven?
Gute Anlagechancen bieten sich momentan bei Technologieaktien, wo ich vielerorts intakte Wachstumschancen sehe. Im Gesundheitssektor bieten Qualitätstitel Potenzial, die Kurskorrekturen wieder aufzuholen, die damals insbesondere durch Aussagen im US-Wahlkampf ausgelöst wurden. Titel aus der Energiebranche mögen zwar etwas weiter unten auf der Qualitätsskala angesiedelt sein, dafür sind sie aber äusserst attraktiv bewertet und bieten eine reizvolle Mischung aus Risiko und Chance.
Lohnt sich der Einstieg in europäische Aktien zum jetzigen Zeitpunkt auch noch?
Die Bewertungen für europäische Aktien sind verglichen mit dem Rest der Welt momentan sogar sehr attraktiv. Der Kurs-Gewinn-Abschlag von Europa zu Amerika hat sich zuletzt auf 21% ausgeweitet, das ist signifikant günstiger als im Durchschnitt. Auf einer zyklisch-adjustierten Basis war Europa selten so günstig, es gibt also grossen Aufholbedarf. Dank Bewertungen, die weit besser sind als viele andere Alternativen, sehe ich gute Möglichkeiten für Langzeitinvestoren.
Welches sind die grössten Risiken, die die Entwicklungen im europäischen Markt bremsen könnten?
Die politische Agenda ist bestimmt das grösste Risiko und auch der Hauptgrund, weshalb in den letzten 12 Monaten über EUR 100 Milliarden aus europäischen Aktienanlagen abgezogen wurden. Politische Entscheide haben einen bedeutenden Einfluss auf die Stimmung der Anleger. In den meisten Fällen lösen sie Unsicherheit aus, was Gift für die Aktienmärkte ist und sehr oft den Blick auf die Tatsachen vernebelt.