11.12.2024, 09:37 Uhr
Die Aussichten für 2025 basieren auf einem gutem Umfeld. «Es gibt jedoch Gefahren und es braucht eine sorgfältige Auswahl», erklärt Nicolas Besson, Chief Investment Officer von Reyl Intesa Sanpaolo in Genf im...
«Nicht nur unser Basisszenario dürfte gut für Rohstoffe sein. Auch wenn Extremrisiken eintreten, können Rohstoffe andere Assetklassen hinter sich lassen und ein Portfolio stabilisieren», schreiben Erik Knutzen, Chief Investment Officer – Multi-Asset Class und Hakan Kaya, Senior Portfolio Manager – Commodities bei Neuberger Berman.
Rohstoffe sind laut den beiden Experten in drei Marktszenarien erfolgreich. In der Reflation: Wenn sich das Wirtschaftswachstum nach einem Abschwung erholt und Verbraucher wie Unternehmen ihre Lager wieder auffüllen, steigt die Rohstoffnachfrage.
Bei hoher Inflation – oder genauer – bei einem unerwarteten Inflationsschock: Oft sei ein plötzlicher Rohstoffpreisanstieg der Grund, sei es durch unerwartete Angebotsstörungen oder eine überraschend hohe Nachfrage.
Schliesslich steigen die Rohstoffpreise oft auch bei einer unsicheren Weltlage: Auslöser können Konflikte und Kriege sein, die die Förderung erschweren und damit die Teuerung anheizen. Das gelte erst recht bei Auseinandersetzungen in einer Region, in der wichtige Rohstoffe wie Öl gefördert werden oder die für ihren Transport wichtig ist. Oft steige die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher schon, wenn sie Angebotsprobleme nur fürchten – und oft profitiere auch Gold, gilt es doch als der sichere Hafen schlechthin.
«Auch für 2024 erwarten wir Reflation und eine unsichere Weltlage – und schliessen das Extremrisiko einer erneut hohen Inflation nicht aus. Das spricht für Rohstoffe als Kernposition, um vom Wirtschaftswachstum zu profitieren, oder um sich vor einem überraschenden Preisanstieg zu schützen», schreiben Knutzen und Kaya.
Seit Jahresbeginn wurden Rohöl um 18 Prozent und Gold um 16 Prozent teurer. Die «beispiellosen Engpässe am Kakaomarkt, ausgelöst durch schlechtes Wetter und Hamsterkäufe», liessen hier den Preis seit Jahresbeginn sogar schon um 140 Prozent steigen. «Unser Basisszenario bleibt die Reflation – ein recht hohes Nominalwachstum durch eine hartnäckige Teuerung und eine Erholung der Weltwirtschaft. Das könnte nicht nur Aktien, sondern auch Rohstoffen guttun.»
In den letzten drei Wochen war der sehr starken US-Arbeitsmarktbericht – nach den sehr hohen US-Einzelhandelsumsätzen und einer erneut besseren Weltwirtschaftsprognose des Internationalen Währungsfonds die dritte Datenveröffentlichung in Folge, die für eine höhere Teuerung spreche. Selbst China, wo die Konjunktur seit Corona schwach war, habe durch Konjunkturprogramme im 1. Quartal ein unerwartet hohes Wachstum von 5,3 Prozent zum Vorjahre. Die Rezession des verarbeitenden Gewerbes aus dem letzten Jahr scheine vorbei und vor allem in Europa würden die Rohstofflager wieder aufgefüllt.
Meist wachse die Ölnachfrage etwa halb so stark wie die Weltwirtschaft, und in den letzten sechs Monaten wurden die Lagerbestände «schneller abgebaut als normal». Beim aktuellen Wachstumsausblick könnte die Nachfrage um 1,55 Millionen Barrel täglich steigen. Die OPEC bleibe bei einer zurückhaltenden Förderpolitik und nur wenig spreche dafür, dass amerikanisches Öl die Lücke füllen kann. Es könnte also schwierig werden, den Bedarf zu decken.
Die strukturelle Nachfrage nach Kupfer und anderen Industriemetallen sei schon jetzt hoch, da sie für die Elektrifizierung und Dekarbonisierung der Wirtschaft ebenso wichtig seien wie für den Ausbau des 5G-Netzes und Datenzentren. «Hinzu kommt die Erholung der Industriekonjunktur. Auch profitieren diese Rohstoffe traditionell besonders stark von Zinssenkungen ausserhalb einer Rezession», erwarten die Autoren.
Die jüngste Eskalation des Konflikts zwischen Israel und dem Iran zeige, wie anfällig die iranische Ölförderung und die Öltransporte durch die Strasse von Hormus sind. «Zwar halten wir eine vollständige Blockade durch den Iran für unwahrscheinlich, weil der Oman die Schiffsrouten kontrolliert. Dennoch wachsen die Risiken für die Ölinfrastruktur, und auch einzelne Angriffe durch Irans Verbündete sind nicht auszuschliessen.»
Auch der Krieg in der Ukraine berge noch immer Risiken. Ukrainische Angriffe auf russische Raffinerien sorgten für erhebliche Störungen, und auch die russischen Exporthäfen seien bedroht.
Das zweite Risiko sei eine Rückkehr zu einer problematisch hohen Inflation – oder, eng damit verbunden, von Zweifeln an Staatsfinanzen und Währungsstabilität. Neben der schwierigeren Lage im Nahen Osten scheine das ein wichtiger Grund für die diesjährige Gold- und Silberrallye zu sein. «Unserer Ansicht nach profitieren Edelmetalle nicht nur von der strukturellen Dekarbonisierung, sondern auch davon, dass man sich mit ihnen gegen eine Überhitzung der Konjunktur absichern kann», begründen die beiden.
«Wir glauben, dass die zwar hartnäckige, aber doch fallende Inflation und das hohe Nominalwachstum risikoreichen Titeln grundsätzlich nützen. Andererseits sind manche Assetklassen und Marktsegmente aber schon jetzt recht teuer. Zusammen mit der Inflation und den weltpolitischen Inflationsrisiken spricht das für ein breites und ausgewogenes Portfolio. Rohstoffe können darin eine wichtige Rolle spielen. Vor allem dank ihrer Vielfalt und der einzigartigen Angebots- und Nachfragedynamik halten wir sie für eine der wenigen Assetklassen, denen unser Basisszenario für 2024 hilft. Und wenn die Extremrisiken Realität werden, ist erheblicher Mehrertrag möglich», heisst es als Fazit.