Riskante Staats-Milliarden für die Chip-Industrie

Der IWF kritisiert die Milliarden Subventionen für die Halbleiter-Hersteller. (Bild Jochen Gittel/Shutterstock)
Der IWF kritisiert die Milliarden Subventionen für die Halbleiter-Hersteller. (Bild Jochen Gittel/Shutterstock)

Vor allem Amerika und Japan verteilen Milliarden an die Chip-Hersteller. Allein Intel kassiert fast 20 Milliarden Dollar vom Staat. Das ist hochriskant, kritisiert der Internationale Währungsfonds.

11.04.2024, 13:24 Uhr
Regulierung

Redaktion: sw

Erst Anfang der Woche hatte die US-Regierung dem Taiwaner Auftragsfertiger TSMC insgesamt bis zu 11,6 Milliarden Dollar an Staatshilfen zugesagt. Auch in Deutschland erwarten die Halbleiterhersteller in nächster Zeit opulente Zuwendungen vom Staat – und zuletzt war auch noch Indien in den globalen Subventionswettlauf eingestiegen.

Dieses Verhalten wird nun in einer neuen Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) scharf kritisiert. Derartige Industriepolitik sei in der Vergangenheit geprägt gewesen «von Negativbeispielen, politischen Fehlern, hohen fiskalischen Kosten und negativen Spillover-Effekten in anderen Ländern».

Ein Hauptfehler sei laut IWF, dass Subventionen nach dem Giesskannenprinzip verteilt würden, anstatt sie sparsam zu dosieren. Das zweite grosse Problem, das die Experten ausmachen: Es werde zu wenig für Forschung ausgegeben, dabei «sind sie der Beginn jeder Innovation». Steuerliche Anreize kamen zudem häufig nur «den grossen, ohnehin etablierten Unternehmen zugute».

Intel kassiert vom Staat

TSMC erhält von den USA sechs Milliarden als Zuschuss, den Rest bekommt der Auftragsfertiger über günstige Kredite und Steuererleichterungen. Als Gegenleistung sollen die Asiaten drei hochmoderne Werke in Arizona errichten – und Ende des Jahrzehnts Chips mit den kleinsten Strukturgrössen von zwei Nanometern produzieren.

«Zum ersten Mal überhaupt werden wir hier in den Vereinigten Staaten von Amerika die fortschrittlichsten Halbleiterchips der Welt in grossem Maßstab herstellen, übrigens mit amerikanischen Arbeitern», hatte Handelsministerin Gina Raimondo die Förderung begründet.

Kurz zuvor hatten die Vereinigten Staaten dem Chipkonzern Intel 8,5 Milliarden Dollar an Subventionen und bis zu elf Milliarden an attraktiven Darlehen in Aussicht gestellt. Die Firma aus dem Silicon Valley baut unter anderem in den US-Bundesstaaten Arizona und Ohio neue Fabriken. Darüber hinaus bekommt der Speicherchipspezialist Samsung aus Korea voraussichtlich etwa sechs Milliarden Dollar, um in Texas zu expandieren.

Vergangene Woche hat das japanische Wirtschaftsministerium die Subventionen für das Start-up Rapidus um 3,3 Milliarden auf umgerechnet fast sechs Milliarden Euro aufgestockt.

In Japan bekommt TSMC darüber hinaus mehr als sieben Milliarden Euro für neue Werke, die der Konzern zusammen mit lokalen Partnern wie Sony baut. In der ersten Fabrik von TSMC in Japan soll bis Jahresende die Serienproduktion starten.

Neu auch Indien

Japan ist eine traditionsreiche Chipnation, die immer noch auf zehn Prozent Weltmarktanteil kommt. Doch es drängen auch Länder auf die Landkarte der Halbleiterproduktion, die bislang keine Rolle in der Branche spielten. Zum Beispiel Indien: Im Februar hat die Regierung mehr als 15 Milliarden Dollar an Subventionen für Chipwerke zugesagt. Elf Milliarden davon soll die indische Tata-Gruppe kassieren für eine grosse neue Fabrik.

Im Vergleich zu Japan und den USA, aber auch zu Korea und China ist Deutschland spät dran mit Staatshilfen für die Chipindustrie. Zwar hat die Koalition Intel zehn Milliarden Euro und TSMC fünf Milliarden Euro für neue Werke hierzulande in Aussicht gestellt. Noch hat die EU die Förderung aber nicht abschliessend bewilligt. Die Bundesregierung will durch die Subventionen dafür sorgen, dass die deutsche Industrie künftig verlässlich mit Halbleitern versorgt wird.

Mitarbeiter fehlen

Der IWF warnt die Staaten, sich mit ihren eigenen Chipwerken abzuschotten. Die meisten Nationen, selbst die grossen Volkswirtschaften, seien auf Innovationen aus anderen Ländern angewiesen.

Ein Problem lässt sich derweil selbst mit den Milliarden vom Staat nicht so einfach lösen: Es fehlt weltweit an geeignetem Personal, um die neuen Chipstandorte zu errichten und zu betreiben. Und das aus einem einfachen Grund, sagt Ondrej Burkacky von der Beratungsgesellschaft McKinsey gegenüber dem Handelsblatt: «Es werden mehr Fabriken gleichzeitig gebaut als früher.» Mit den üppigen Subventionen sorgt der Staat also dafür, dass sich der Kampf um die Fachkräfte weltweit noch verschärft. Berater Burkacky: «Die Chipindustrie benötigt immer häufiger Fähigkeiten, nach denen andere Branchen auch suchen.»

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