13.11.2024, 13:49 Uhr
«Das grosse Interesse an risikoreichen Titeln könnte bis zum Jahresende anhalten. Aber dann wird es schwieriger», schreibt Shannon Saccocia, Chief Investment Officer bei NB Private Wealth.
«Staatsanleihen gaben zuletzt kräftig nach. Trotzdem glauben wir nicht, dass man jetzt kaufen sollte», schreiben Ashok Bhatia und Brad Tank, Co-Chief Investment Officer, Fixed Income bei Neuberger Berman.
In den vergangenen sechs Wochen haben internationale Staatsanleihen stark verloren. Seit ihrem Tiefststand Mitte September ist die US-Zweijahresrendite um fast 50 Basispunkte gestiegen. Die Fünf- und die Zehnjahresrendite legten um etwa 60 Basispunkte zu, auf 4,0 % respektive 4,2%.
Als im August die erste Zinssenkung der Fed nahte, riet Neuberger Berman, ab jetzt auf Veränderungen zu achten. Sobald die generelle Richtung der Geldpolitik sicher sein würde, hängen Zinsen und Anleihenkurse künftig stärker von Details ab – von der erwarteten Höhe der Zinssenkungen wie auch ihrer Häufigkeit und Regelmässigkeit.
«Nach den jüngsten Senkungen glauben wir, dass der Markt nicht falsch liegt, wenn er ein Leitzinsminimum von etwa 3,5% erwartet – und laut der Terminkurve wird der Weg dorthin nahezu linear sein», schreiben die Experten.
Im jüngsten Asset Allocation Committee Outlook und dem Fixed Income Investment Outlook stellte Neuberger Berman zwar weitere Zinssenkungen um 25 Basispunkte nächste Woche und im Dezember in Aussicht. «Danach halten wir aber eine Pause für möglich, vielleicht schon im 1. Quartal, wobei insgesamt noch weitere 100 Basispunkte Senkungen folgen dürften.»
Die Anleihenrenditen sind deshalb so stark gestiegen, weil nach dem schwachen August viele US-Zahlen im September unerwartet hoch waren – allen voran der Beschäftigungszuwachs, aber auch Einzelhandelsumsätze und die Inflation.
Die amerikanischen Einkaufsmanagerindizes, die Verkäufe neuer Immobilien und die Arbeitslosengeldanträge bestätigten letzte Woche dieses Bild. Nach dem GDPNow Model der Atlanta Fed ist die US-Wirtschaft im 3. Quartal annualisiert um 3,4% gewachsen. Die USA waren eine der wenigen Volkswirtschaften, für die der IWF seine Wachstumsprognose für 2025 letzte Woche angehoben hat, auf 2,2%.
Unterdessen wecken die Spannungen im Nahen Osten und die bevorstehenden US-Wahlen Zweifel an Preisstabilität und Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen. Wie Joe Amato letzte Woche schrieb, will keiner der beiden Kandidaten das US-Haushaltsdefizit wirklich ernsthaft angehen, und Trumps jüngste Gewinne in den Meinungsumfragen machen eine äusserst inflationstreibende Zollpolitik wahrscheinlicher. Diese Risiken zeigen sich schon in den Inflationserwartungen am Markt und nicht zuletzt auch beim Goldpreis.
«Wir halten es für schwer vorstellbar, dass die Fed die Zinsen im nächsten Jahr immer weiter mechanisch senkt, wenn die Wirtschaft um 2,5% wächst und die Inflation zunehmend hartnäckiger wird», schreiben die beiden Spezialisten.
Das könnte unabhängig von der Laufzeit starke Auswirkungen auf die Anleihenrenditen haben – aus zwei Gründen.
Erstens könnten Anleger bei einer Zinspause der Fed auch wieder an Zinserhöhungen denken. Weil «das Ziel wichtiger war als der Weg», hat vor allem der feste Glaube an Zinssenkungen Anleihen in den letzten zwölf bis 18 Monaten gestützt.
Zweitens hat der jüngste Ausverkauf die Renditen wieder auf das Niveau von Ende Juli steigen lassen, kurz bevor ein sehr schwacher US-Arbeitsmarktbericht und die Abwicklung der Yen-Carry-Trades die Nachfrage nach Anleihen kräftig steigen liessen. «Wir wären nicht überrascht, wenn die amerikanische Fünfjahresrendite um weitere 50% zulegte, bis auf die Höchststände von Mitte 2024», heisst es dazu.
Deshalb liege die Duration des flexibelsten Portfolios jetzt am unteren Ende der vorgesehenen Spanne, bei etwa 3,5 Jahren. Das ist nur gut die Hälfte der grossen Investmentgrade-Benchmarks.
Hinzu kommt, dass die amerikanischen Investmentgrade-Spreads heute so eng sind wie seit fast 20 Jahren nicht mehr. Daher ist Neuberger Berman bei Unternehmensanleihen vorsichtig. Ein erneuter Anstieg der Fünfjahresrendite auf 4,5% könnte ungeordnete Verkäufe auslösen. Anstelle von Unternehmensanleihen könnten sich strukturierte Produkte anbieten, etwa Investmentgrade-CLOs oder Mortgage-Backed Securities (MBS), deren Spreads noch immer einen grösseren Puffer bieten.