22.11.2024, 13:09 Uhr
Die Kerninflation in Japan lag im Oktober bei 2,3 Prozent, das ist etwas weniger als noch im September. Aber minimal mehr als erwartet worden war.
Die Inflation im Euroland und in den USA ist ähnlich hoch. Um sie zu bekämpfen, müsste die Europäische Zentralbank daher gleich energisch vorgehen wie die US-Notenbank. Doch ihre Lage ist verzwickter: Überschuldete Länder in der Peripherie, der Öl- und Gaspreisschock und der serbelnde Euro sind enorme Hindernisse. Was wird die EZB diesen Donnerstag und in der weiteren Zukunft beschliessen?
In den USA wurde der Leitzins letztmals Ende Juli um 0,75 Prozentpunkte auf inzwischen 2,5% verteuert. Um mit der US-Notenbank Schritt zu halten, muss die EZB ihren Referenzsatz diesen Donnerstag ebenfalls um 0,75% anheben. Der Leitzins wäre mit 0,75% immer noch deutlich niedriger als in den USA.
Theoretisch wäre also eine noch stärkere Verteuerung notwendig, um der Inflation gleich energisch entgegenzutreten zu wie in Vereinigten Staaten, die im Übrigen dank weitgehend autarker Energieversorgung ungleich weniger unter dem Energiepreisboom leiden als Europa. Und wenn man bedenkt, dass am 21. September in den USA eine weitere Leitzinserhöhung des Fed um 0,75 Prozentpunkte ansteht, so der Konsens, bleibt der Druck auf die EZB auch nach diesem Donnerstag unvermindert gross.
Was aber ist auf im Euroland an Zinsverteuerung machbar, ohne die überschuldeten Länder ins Elend zu stürzen? In diesem Zwiespalt ist die EZB gefangen, seit 2021 die Inflation zurückgekehrt und sich immer mehr akzentuiert hat. Wie stufen globale Vermögensverwalter und Banken die Situation ein? Ein Überblick.
J.P. Morgan Asset Management: Die Märkte preisen die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung um 75 Basispunkte an diesem Donnerstag ein. Darüber hinaus befindet sich die EZB in einer schwierigen Lage. Jeder Versuch der Regierungen, die Verbraucher vor höheren Energiepreisen zu schützen, könnte bedeuten, dass die Geld- und Fiskalpolitik aus inflationärer Sicht in die entgegengesetzte Richtung wirkt. Sollten weitere Fiskalanreize also eine Rezession verhindern, würde sich das Risiko erhöhen, dass die EZB die Zinsen noch bis 2023 anheben muss.
Pimco: Nachdem die EZB im Juli die Zinssätze wieder auf null Prozent angehoben hat, wird sie die Leitzinsen um weitere 50 Basispunkte anheben. Sie wird darauf abzielen wird, die Leitzinsen relativ schnell in den neutralen Bereich zu bringen. Wir erwarten daher weitere Leitzinserhöhungen um 50 Basispunkte im Oktober und Dezember. Für nächstes Jahr erwarten wir, dass die EZB zu Schritten von 25 Basispunkten übergehen wird. Sie scheint entschlossen zu sein, den Kampf gegen die Inflation über die Wachstumssorgen zu stellen. Die makroökonomische Konfiguration bleibt komplex und die politischen Risiken sind erhöht.
BlackRock: Die hohen Energiepreise dürften weiterhin die Kaufkraft der Konsumenten schwächen. Erhöhte Zinsen als Reaktion auf die Inflation werden die Kauf- und Investitionsbereitschaft weiter senken. Die Anhebung der drei Leitzinssätze um jeweils 0,5 Prozentpunkte gilt als ausgemachte Sache. Es könnten sogar 0,75 werden. Dies spricht dafür, dass die EZB die Zinsen so stark erhöhen möchte wie möglich, bevor sich über der Volkswirtschaft dunkle Wolken bilden.
Vontobel Asset Management zum Euro: Die Folgen einer europäischen Rezession auf den Euro hängen nicht nur von den ökonomischen Kosten, sondern auch von den Risiken einer erneut aufkommenden Schuldenkrise in der Peripherie. Aggressive Zinserhöhungen der EZB in den kommenden Monaten gepaart mit einem starken Konjunkturabschwung könnten die Refinanzierungskosten in Ländern wie Italien deutlich steigen lassen. Ein Anstieg der Risikoprämie auf den Euro scheint daher mehr als möglich, insbesondere wenn es in Italien zu einem politischen Rechtsrutsch kommt. Zwar hat die EZB bereits Instrumente zum Gegensteuern der Fragmentierung (Ausweitung der Spreads) innerhalb der EWU, allerdings besteht weiterhin Rechtsunsicherheit bezüglich dieses Instruments. ....
.... Wenn der Angebotsschock die Umstellung auf alternative Energien und Investitionen in Infrastruktur in den nächsten Jahren beflügelt, könnte dies Europa in der zweiten Hälfte der 2020er Jahre die benötigte Wettbewerbsfähigkeit zurückgeben. Für den Euro liegt dieses Szenario noch zu weit in der Zukunft, weshalb der EUR/USD-Kurs seinen Boden wohl nicht schon finden dürfte.
Barings Investment Institute: Die EZB wird die Zinsen wahrscheinlich bis zu 75 Basispunkte anheben, um die Verbraucher zum Sparen zu bewegen – bei Gas, Strom, Lebensmitteln, Waren und sogar Dienstleistungen – und die Nachfrage auf breiter Front zu verringern. Diese grosse Zinserhöhung wird nichts zur Rettung des Euro beitragen. Eine Rezession steht bevor und geopolitische Bedenken sind unkontrollierbar. Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass steigende Zinsen mit Inflation und Rezession im nächsten Jahr zusammenfallen.... Die EZB wird 2023 nicht aufhören, die Zinsen zu erhöhen.
Abrdn: Das Risiko für Anleger besteht in erneuten Staatsverschuldungen, insbesondere im Zusammenhang mit den Wahlen in Italien. Die Reinvestitionspolitik des Asset Purchase Programms könnte ebenfalls zur Diskussion stehen, auch wenn eine Entscheidung erst zu einem späteren Zeitpunkt fallen könnte. Ein weiteres Risiko für die Anleger ist die Destabilisierung des Euro. Eine beschleunigte Straffung der Geldpolitik würde die Währung zwar stützen, doch der stagflationäre Energieschock scheint das zu untergraben.