22.11.2024, 13:09 Uhr
Die Kerninflation in Japan lag im Oktober bei 2,3 Prozent, das ist etwas weniger als noch im September. Aber minimal mehr als erwartet worden war.
Die drittgrösste Volkswirtschaft der Welt ist derzeit in aller Munde. «Dafür gibt es mindestens drei gute Gründe: Das Land der Kirschblüten und aufgehenden Sonne ist kostengünstig, sprudelt vor Geld und ist mitten in einer umfassenden Reform zur Unternehmensführung», schreibt Nicola Takada Wood, Portfolio Managerin des Redwheel Nissay Japan Stewardship Fonds.
Japan ist die drittgrösste Volkswirtschaft der Welt, sie umfasst unter anderem knapp 4000 börsenkotierte Unternehmen. Trotz acht Wochen in Folge mit Nettokäufen liegen die ausländischen Beteiligungen auf einem Mehrjahrestief. «Und dies, obwohl Japans Unternehmen über zehn Jahre hinweg niedrige zweistellige Renditen erzielten, die auf Dividenden und ein höheres EPS-Wachstum als der S&P zurückzuführen sind», schreibt Takada Wood. Nun werde für 2023 das höchste BIP-Wachstum unter den Industrieländern erwartet und die Aussichten für das Gewinnwachstum seien gut. Das Land profitiere von der im Oktober 2022 erfolgten Wiederaufnahme des Reiseverkehrs mit dem Ausland, vor allem mit dem grössten Handelspartner China.
Geopolitische Spannungen und weltweite Verlagerungsbestrebungen lenken den Fokus der Investoren auf einen politisch und sozial stabilen, tiefen und liquiden alternativen Markt, der bisher eher im Verborgenen blieb. «Japan gilt als wichtiges Ziel für Kapital, das innovative und dynamische Unternehmen sucht, die geopolitisch mit dem Westen verbunden sind», folgert die Portfoliiomanagerin.
Inmitten der weltweiten Inflationsangst sei Japan weniger betroffen und habe durch hohe Bargeldbestände sowohl bei Unternehmen als auch Haushalten antiinflationäre Eigenschaften. «Einzigartig ist, dass Japan einen Teil des Inflationsdrucks aufnimmt, der fast ausschliesslich durch höhere Energie- und Lebensmittelpreise importiert wird. Da dieser Kostendruck im Laufe des Jahres nachlassen dürfte, wird für das zweite Halbjahr ein positives Reallohnwachstum erwartet, was die Binnennachfrage ankurbeln könnte», folgert Takada Wood.
Das Beinahe-Machtmonopol, das die Liberaldemokratische Partei seit den 1950er Jahren innehat, bedeutet, dass die japanische Politik nicht die Dramatik einer «Seifenoper» hat, wie sie anderswo üblich ist. Die fein choreografierte Zusammenarbeit zwischen der Regierung, der Zentralbank, den Finanzinstituten und den Regulierungsbehörden sei eine charakteristische Stärke Japans und biete eine gute Basis, von der aus langfristig Ziele festgelegt und erreicht werden können – wie in den letzten Jahren die Corporate-Governance-Reformen der Abe-Regierung, die durch die jüngsten Ankündigungen der Tokioter Börse neuen Schub erhielten.
Die Veränderung tief verwurzelter Unternehmenskultur und -werte brauche jedoch Zeit und erfordere in Japan ein gewisses Mass an «Herdenmentalität». Diese kritische Masse sei nun erreicht. «Vor 18 Jahren, bei der Auflegung unserer Stewardship-Strategie des Redwheel Nissay, waren Stewardship und Engagement neue Konzepte in japanischen Unternehmen. Es war oft ein langwieriger Prozess, Unternehmensführungsteams zu finden, die bereit waren, sich auf Veränderungen einzulassen und Aktionäre als Partner zu sehen, mit denen sie auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten konnten. Heute ist Stewardship etabliert und Engagement ein anerkanntes Instrument für verantwortungsvolle Investments. In allen japanischen Unternehmen gibt es klare Signale für einen Wandel in vielen Bereichen, von der Geschlechtervielfalt bis zur Aktionärsrendite, und obwohl das Tempo anzieht, wurde die Saat dieses Wandels schon vor vielen Jahren gelegt», schreibt die Spezialistin.
Im vergangenen Jahr hat die Tokioter Börse (TSE) ihre Börsenkategorien und -anforderungen umstrukturiert (in TSE Prime, Standard und Growth) und den Unternehmen eine unbeschränkte Nachfrist eingeräumt, um die neuen Kriterien zu erfüllen. Anfang 2023 wurde jedoch bekannt gegeben, dass diese Frist im März 2026 abläuft. Es wird erwartet, dass Unternehmen, die die Anforderungen bis dahin nicht erfüllen, herabgestuft oder von der Börse genommen werden. Derzeit gibt es noch keine konkreten Massnahmen seitens der TSE, doch ihre Sprache ist eindringlicher denn je. Von den Unternehmen wird erwartet, dass sie ihre Finanzkompetenz unter Beweis stellen, einschliesslich der Bewertung, Erklärung und Verteidigung ihres Aktienkurses und ihrer Kapitaleffizienz.
Das Marketing-Meisterstück für Japan kommt jedoch aus einem so unwahrscheinlichen Ort wie Omaha. Auf Waren Buffets viel beachteten jüngsten Besuch in Tokio folgte kurz darauf sein Kommentar, dass «wir in Japan noch nicht fertig sind» auf der Jahrestagung von Berkshire Hathaway und Value-Investoren weltweit versuchen herauszufinden, wo Buffett als nächstes zuschlägt.
Die Warnung der TSE bezieht sich auf mehr als 40 Prozent der Aktien im Index, also auf rund 2000 Firmen, darunter Unternehmensriesen wie Toyota Motor und Mitsubishi UFJ Group. Für Anleger sei es daher verlockend, einen Teil des TOPIX zu kaufen und das Beste zu hoffen. «Wir sind jedoch der Meinung, dass sich die meisten dieser Unternehmen trotz der grossen Fortschritte, die im Gesamtmarkt erzielt wurden, nicht ändern werden, selbst wenn die TSE oder Investoren Druck ausüben.» Erst kürzlich hätten Unternehmen, vom globalen Einzelhändler Seven & I Holdings bis zum drittgrössten Ölraffinerieunternehmen des Landes, Cosmo Energy, Schritte unternommen, um aktivistische Investoren zu vertreiben. Kleinere, eher inländische Unternehmen seien womöglich noch schwerer zu überzeugen.
Ressourcen vor Ort und die Fähigkeit, geeignete Unternehmen zu finden, seien daher wichtiger denn je, um von der günstigen Konstellation in Japan zu profitieren. Man könne die Bedeutung von Unternehmensreformen in einem Markt mit wirklich hervorragenden, weltweit führenden Unternehmen gar nicht hoch genug einschätzen. «Nach einem langsamen Start hat dies nun Fahrt aufgenommen, während zugleich einige Unternehmen Opfer von Stilwechseln am Markt wurden und trotz solider Gewinne und steter Reformen ins Straucheln geraten sind. Es bietet sich nun die Gelegenheit, in hervorragende, stark unterbewertete Unternehmen zu investieren, in einem Umfeld, das aktives Engagement noch nie so sehr gefördert hat», so das Fazit.