Geben Sie der Zentralbank nicht die Schuld

Wer meinte, die Unabhängigkeit der Zentralbanken sei die beste Möglichkeit, die Preisstabilität zu schützen und zugleich die Wirtschaft angemessen anzuregen, musste feststellen, dass dies nicht immer funktioniert, sagt Maximilien Macmillan, Investment Manager, Fixed Income - EMEA bei Aberdeen Asset Management.

16.11.2016, 10:27 Uhr
Notenbanken

Redaktion: jog

Die Bausteine der Weltwirtschaft sind aus dem Lot geraten. Die unwirksame öffentliche Politik belastet die Nachfrage, während die technologische Entwicklung dabei ist, ein weit grösseres Angebot zu schaffen. Der technologische Fortschritt kann (und sollte) nicht aufgehalten werden. Wie können wir dieses Ungleichgewicht dann beheben? Die offensichtlichste Lösung scheint darin zu bestehen, die Beziehung zwischen der Fiskal- und der Geldpolitik anzugehen, die für die schwache Nachfrage sorgt.

Aus dem Lot
Ein Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, ist ein eigenartiges Konzept. Im transaktionalen Sinn entspricht das Angebot immer der Nachfrage: Alles was verkauft wird, wird gekauft. Unter bestimmten Umständen bedeuten eine Nachfrageschwäche, ein voraussichtlicher Mangel an Investitionserträgen und die fehlende Zugkraft sinkender Finanzierungskosten, dass das Wachstum unter dem Niveau verharrt, das die Wirtschaft hervorbringen könnte.

Die weltweit niedrigen Inflationsraten bestätigen die Tatsache, dass das wirtschaftliche Potenzial nicht ausgeschöpft wird und die Nachfrage unter der Angebotskapazität liegt. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass sich die Angebotskapazität selbst steigern könnte, unter anderem aufgrund von Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz und Robotik. Wichtiger sind in diesem Zusammenhang jedoch die Nachwirkungen der globalen Finanzkrise, die ein Loch in das Gebäude der Wirtschaft geschlagen hat, das noch nicht vollständig repariert ist.

Angebot und Nachfrage können also durchaus aus dem Lot geraten und Wirtschaftskrisen sind eine Tatsache. Keynes tat dazu den berühmten Ausspruch, dass Geld manchmal gehortet und nicht für Produkte ausgegeben wird. Die Aktivität geht zurück und der öffentliche Sektor sollte eingreifen, um die Nachfrage zu stützen. Die Dualität, die den öffentlichen Sektor derzeit in Fiskal- und Geldpolitik spaltet, schafft jedoch wirtschaftliche Probleme, die es nicht geben müsste.

Dualismus
Geldpolitik und Fiskalpolitik sind zwei gesonderte Funktionen. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Zentralbank eine völlig unabhängige Institution sein muss.

Die Einführung dieser Trennung hatte gute Gründe. Politiker wurden nicht als würdige Hüter der Fiatwährungen angesehen. Sie gelten als anfällig dafür, die Wirtschaft vor Wahlen durch eine populistische Politik zu stark zu stimulieren und den Wert des Geldes durch eine Inflation zu vernichten. Diese Besorgnis gilt noch immer. Aber die absolute Unabhängigkeit der Zentralbank muss nicht die einzige Möglichkeit sein, die Währung vor der Entwertung zu schützen und die Steuerung der wirtschaftlichen Nachfrage streng zu regeln. Tatsächlich sorgt die scheinbare Dualität im öffentlichen Sektor für Verwirrung über die öffentliche Politik.

Die Spaltung der öffentlichen Politik bedeutete, dass Regierungen ihre Schulden nicht monetarisieren (das heisst, Ausgaben durch den Druck von Geld decken) konnten. Dies führte zu einem starken Anstieg der Verschuldungsquote gegenüber dem Bruttoinlandsprodukt, die weitere Impulse verhindert. Die Zentralbanken, die nicht direkt Geld in die Wirtschaft pumpen können, versuchten, die Aktivität indirekt anzuregen, gewissermassen wie ein Geist in der grossen Maschine der Wirtschaft. Bei der Zinsuntergrenze von 0% mussten sie eine ganze Reihe unkonventioneller Massnahmen erfinden, die immer weniger wirkungsvoll waren, aber in zunehmendem Masse verzerrende Folgen für die Finanzmärkte hatten.

Vor allem aber schwindet die Glaubwürdigkeit der Zentralbanken, da die Theorie, auf die sie sich stützen, in Frage gestellt wird. Angeblich sollen ihre Massnahmen dazu dienen, die Inflationserwartungen anzuheben und so die Realzinsen zu senken, was wiederum das Wachstum anregen und so für die Inflation sorgen sollte, die die Erwartungen erfüllt.

Davon ist jedoch nichts zu sehen. Die Zentralbankmassnahmen waren, wie Keynes damals Roosevelt warnte, "als würde man versuchen dick zu werden, indem man sich einen längeren Gürtel kauft". In einer Welt, in der es an der nominalen Nachfrage mangelt, weigert sich der Markt zu Recht, zu glauben, dass niedrigere Realzinsen die Antwort sind. Die Inflationserwartungen steigen nicht, wenn die Zentralbanken die Geldpolitik lockern, die Realzinsen nicht weiter sinken und die Wirtschaft nicht stimuliert wird eine klassische Liquiditätsfalle.

Um die Angelegenheit noch weiter zu verwirren, scheinen Institutionen wie der Internationale Währungsfonds auf schizophrene Weise abwechselnd fiskalische Sparmassnahmen und Impulse anzuraten. Die Zentralbanken appellieren in ihrer Verzweiflung immer wieder an die Regierung, zur Unterstützung der Nachfrage beizutragen. Doch die Regierungen sprechen davon, die Verschuldung unter Kontrolle zu bringen und überhöhte Ausgaben zu zügeln.

Der Schwerpunkt politischer Debatten wechselt ständig von der Geldpolitik zur Fiskalpolitik und wieder zurück. Beobachter fühlen sich, als würden sie einem Tennismatch zusehen. Langsam kommt jedoch der Gedanke auf, dass die beiden Hebel der öffentlichen Politik nicht mehr isoliert für sich wirken können. Der heissdebattierte Einsatz von "Helikoptergeld" ist ein anschauliches Beispiel für die zunehmend verworrene Logik der Trennung von Geld- und Fiskalpolitik nach dem Modell von Staat und Kirche. Irgendetwas muss unbedingt geschehen.

Die Lösung könnte ganz einfach sein. Dazu wäre ein anderer Denkansatz erforderlich. Die öffentliche Politik kann wesentlich effektiver sein, wenn sie als Arbeit einer einzigen übergeordneten Institution gestaltet wird, die die Geld- und Fiskalpolitik angemessen koordiniert.

In unserem Fiatgeldsystem sollte der öffentliche Sektor in der Lage sein, ein nominales Nachfragedefizit auszugleichen, indem er sein eigenes Geld druckt und ausgibt. Der Einsatz der Notenpresse muss natürlich begrenzt werden, um eine übermässige Stimulierung zu vermeiden, die zur Entwertung der Währung führen würde. Dafür wäre ein neuer institutioneller Rahmen nötig. Dies sollte uns jedoch nicht daran hindern, einen Ausweg aus der aktuellen Sackgasse des Nachfragedefizits zu finden.

Folgen für die grossen Volkswirtschaften der Welt
In der nächsten Zeit wird die Diskrepanz zwischen Angebotskapazität und Gesamtnachfrage fortbestehen und weiter für eine anämische Inflation und einen zugrunde liegenden Abwärtstrend der Anleihenrenditen von Industrieländern sorgen, da Bargeld gehortet wird.

Die Normalisierung der Geldpolitik der US-Notenbank wird weiter durch die Gefahr begrenzt werden, die sie für die prekäre Verfassung der Weltwirtschaft darstellt. Als globale Reservewährung ist der US-Dollar ein unwillkommener Verbreitungskanal für die US-Geldpolitik in Länder mit völlig unterschiedlichen wirtschaftlichen Bedürfnissen.

Wenn die Zinssätze in den USA steigen, stehen Länder wie China und andere Schwellenländer unter Druck, die Geldpolitik zu straffen, um eine übermässige Währungsabwertung zu verhindern. Diese Länder haben ohnehin schon unter einem Kapitalabzug gelitten, da die Kosten für US-Dollar-Finanzierungen in den letzten Jahren stiegen, während die Rohstoffpreise fielen. In einem solchen Umfeld ist eine geldpolitische Straffung besonders schädlich.

Ähnlich wie bei dem Problem der Eurozone, das die Gefahr eines einheitlichen Zentralbanksatzes für alle verdeutlicht, läuft die Fed mit ihren Massnahmen ständig Gefahr, zu viel Druck auf eine Nadel auszuüben, die gegen einen aufgeblasenen Ballon gepresst ist.

Die Vermeidung einer Zinsnormalisierung in den USA ist jedoch kein Allheilmittel. Dies würde Risikoanlagen vorübergehend unterstützen und den Schwellenländern eine Verschnaufpause verschaffen. Dabei bliebe jedoch die Frage offen, was passiert, wenn die hohe Wahrscheinlichkeit eines wenig wahrscheinlichen Schocks eintritt oder die Fed ihren Zinssatz später schliesslich doch stark anheben muss, weil die Situation im eigenen Land dies erfordert.

Es ist zwar möglich, dass die Umstände vorteilhaft und die Märkte relativ stabil bleiben, aber es drohen auch Abwärtsrisiken. Sofern keine wesentliche strukturelle Veränderung eintritt, die das Wachstum belebt und es uns ermöglicht, von der anhaltenden technologischen Revolution zu profitieren, steht zu erwarten, dass sich die Volatilitätszyklen fortsetzen und die Gewinne von Risikoanlagen mit ohnehin hohen Bewertungen begrenzen.

Es ist an der Zeit, die Vorstellung einer isolierten und unabhängigen Zentralbank in Frage zu stellen, die danach strebt, die Nachfrage indirekt zu beeinflussen, indem sie lediglich den Preis von Geld festsetzt. Wir hatten gedacht, die Unabhängigkeit der Zentralbanken sei die beste Möglichkeit, die Preisstabilität zu schützen und zugleich die Wirtschaft angemessen anzuregen, mussten aber feststellen, dass dies nicht unter allen Umständen funktionieren kann. Nun besteht die Gefahr darin, auf unserem Standpunkt zu verharren und unsere Fehler nicht zu erkennen. Wir müssen vernünftig sein und über die Grenzen unserer gegenwärtigen Sichtweise und die daraus resultierenden institutionellen Arrangements hinausblicken und sie verbessern. Wenn wir das tun, wird es der Weltwirtschaft sicherlich zugutekommen.

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