19.12.2024, 10:35 Uhr
Die schwedische Zentralbank hat ihren Leitzins schon zum fünften Mal in diesem Jahr gesenkt. Und weitere Schritte dürften folgen.
Die US-Notenbank hat am Dienstag überraschend das Zielband für den US-Leitzins um 0,5 Prozent auf 1 bis 1,25 Prozent gesenkt. Damit reagiert die Fed auf die Auswirkungen des Coronavirus auf die Finanzmärkte und die Wirtschaft.
Der Dow Jones lag am Dienstag kurz nach 16 Uhr um rund 0,5% im Minus bei 26'560 Punkte. Am Montag war der US-Leitindex um mehr als 5% nach oben geschnellt, nachdem er in der Vorwoche über 12% abgesackt war. SMI, SPI und SLI hatten letzte Woche ebenfalls über 11% verloren und holten zu Wochenbeginn bis am Dienstag um 16 Uhr zwischen 3,5 und 4% auf.
Dann platzte um 16:15 Uhr die Fed mit der Mitteilung einer Zinssenkung des Zielbandes um ein halbes Prozent auf 1 bis 1,25% in die Märkte. Die US-Börsen Dow Jones, Nasdaq und S&P 500 reagierten mit einem Plus von jeweils rund 1%. Der Eurostoxx50 legte um 3,3% zu, der grösste Kurssprung in drei Jahren. Der SMI verbesserte sich nach einem guten Handelstag moderat auf ein Plus von 2,4%, schloss dann aber bei 1,37%, der Eurostoxx50 bei 0,99%. Der Dow Jones fiel in der Folge ins Minus und beendete den Handelstag mit -2,94%.
Im Verlaufe des Tages hatten die G7-Finanzminister und -Notenbankchefs verlauten lassen, dass sie die Verbreitung des Coronavirus sowie die Auswirkungen auf Finanzmärkte und Wirtschaft genau beobachten würden. Die Finanzminister seien bereit, auch fiskalische Massnahmen - also beispielsweise höhere Staatsausgaben - zu ergreifen, soweit dies notwendig sei.
Die OECD-Experten hatten bereits ihre Erwartungen für das diesjährige globale Wachstum im Vergleich zum November um 0,5% nach unten korrigiert. Das jährliche globale BIP-Wachstum werde von 2,9% im Jahr 2019 auf 2,4% im Jahr 2020 zurückgehen. Die Annahmen dieses Basisszenarios beruhen allerdings darauf, dass die Epidemie in China im ersten Quartal 2020 ihren Höhepunkt erreicht hat und die Ausbrüche in anderen Ländern sich als mild und eindämmbar erweisen. Kommt es hingegen zu einem länger anhaltenden, intensiveren und weit verbreiteten Ausbruch des Coronavirus, könnte das weltweite Wachstum 2020 laut den Experten auf 1,5% zurückgehen.
Die sprunghafte Verbreitung des Virus ausserhalb Chinas macht die Revision vieler Annahmen für Wirtschaftswachstum und Gewinnwachstum erforderlich. Die Märkte erlebten in den letzten zehn Tagen einen historisch heftigen Ausverkauf, wobei Öl und Aktien am stärksten betroffen waren und 10-jährige US-Staatsanleihen neue Tiefststände erreichten. "Auch wenn die Kapitalmärkte in den kommenden Tagen volatil bleiben dürften, halten wir aber an unserem positiven strategischen Ausblick fest", schreibt etwa DWS in einem Kommentar. Dieser setzt auf ein Abflachen neuer Infektionen ausserhalb Chinas vor Ende des zweiten Quartals.
Allerdings hat mit der weltweiten Verbreitung des Virus auch der Ausverkauf der Märkte seinen Lauf genommen. Darin spiegelt sich sicherlich auch der Umstand wider, dass die Bewertung der Märkte an ihrer Spitze keinerlei Wendung zum Negativen einzupreisen schienen. Hinsichtlich der Geschwindigkeit der Kursstürze haben laut DWS aber auch technische Faktoren (so etwa das Reaktionsmuster gewisser quantitativ orientierter Fonds) eine Rolle gespielt. Das Trommelfeuer bestehend aus Unternehmen, die vor Gewinnen warnen, Ökonomen, die ihre Prognosen kürzen, Schulen, die geschlossen werden, und Politikern, die hilflos aussehen, werde wahrscheinlich noch (mindestens) einige Tage andauern.
"Dennoch glauben wir, dass die Marktpanik, wenn auch nicht unbedingt die Infektionsrate, relativ bald ihren Höhepunkt erreichen dürfte. Epidemiologische Standardmodelle haben für das neuartige Coronavirus sowohl in China als auch anderswo bisher recht gut funktioniert. Sie deuten darauf hin, dass diese zweite Welle in Westeuropa in den kommenden Wochen wahrscheinlich auch ihren Höhepunkt erreicht haben wird", erwartet DWS. Natürlich bleibe die Lage weiterhin ernst. Insbesondere, da es immer wahrscheinlicher scheine, dass sich Covid 19 in Ländern ausbreiten werde, in denen die Gefahr bestehe, dass die lokalen Gesundheitssysteme überfordert würden.
In Bezug auf das globale Wachstum scheint es nun so gut wie sicher, dass der Schaden nicht auf Chinas Wirtschaft und nicht auf das erste Quartal beschränkt bleiben wird. Es wird immer wahrscheinlicher, dass das globale Wachstum in der ersten Jahreshälfte beeinträchtigt werden wird, wodurch auch die Wachstumsraten für das Gesamtjahr 2020 sinken dürften. Dennoch glauben die Experten von DWS, dass die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte mindestens an ihren vormaligen Wachstumspfad anknüpfen wird.
Bis heute wurden Lieferketten, Reisen, Produktion, grenzüberschreitende Zahlungen und viele global integrierte Geschäftsmodelle negativ von der Ausbreitung des Coronavirus beeinflusst. Es besteht kein Zweifel, dass das erste Quartal insbesondere für China schwach sein wird, aber das Coronavirus auch Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben wird.
Ermutigend sei, dass der Aktienmarkt begonnen hat, diese kurzfristige Schrumpfung einzupreisen, finden die Experten von Investec. Ihrer Ansicht nach sind die jüngsten Liquiditätsspritzen und die anschliessenden Massnahmen zur Wiederbelebung der Wirtschaft in China - wo das Aktivitätsniveau jetzt wieder steigt - ein gutes Vorzeichen für eine allmähliche Erholung. "Wir glauben nicht, dass dies die Form eines klassischen 'V' annehmen wird, sondern erwarten eine Rückkehr zu einem normaleren Wachstumsniveau in zwei Quartalen", beurteilen sie die Lage. Einige Volkswirtschaften - wie Italien und Japan - würden auch nach einer Erholung weiterhin nur ein sehr geringes reales BIP-Wachstum verzeichnen.
Ein medizinischer Durchbruch beim Coronavirus wäre ein Gamechanger. Bis dahin erwarten die Experten von Investec jedoch, dass sich die Behörden weltweit auf Massnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung konzentrieren werden: "Im wahrscheinlichsten Szenario wird der Ausbruch weitgehend eingedämmt und eine Pandemie in vollem Umfang vermieden." Die Auswirkungen auf die Märkte und die Weltwirtschaft seien zwar kurzfristig offensichtlich, würden aber langfristig voraussichtlich sehr begrenzt sein. Ähnliche historische Episoden würden diese Ansicht hinsichtlich der langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen stützen - die Marktvolatilität in den kommenden Wochen eingeschlossen.