19.12.2024, 10:35 Uhr
Die schwedische Zentralbank hat ihren Leitzins schon zum fünften Mal in diesem Jahr gesenkt. Und weitere Schritte dürften folgen.
Die EZB ergreift angesichts der Inflationsrisiken die Flucht nach vorne. Sie hebt die Leitzinsen gleich um 50 Basispunkte an und setzt den Negativzinsen ein Ende. Zusätzlich wird ein neues Anti-Krisen-Programm installiert, um sicherzustellen, dass die Transmission des geldpolitischen Kurses in allen Ländern des Euroraums reibungslos erfolgt.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag einen grösseren ersten Schritt zur Leitzinsnormalisierung beschlossen, als sie auf ihrer letzten Sitzung signalisiert hatte. Sie hebt die drei Leitzinssätze um jeweils 50 Basispunkte an. Dementsprechend werden der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte sowie die Zinssätze für die Spitzenrefinanzierungsfazilität und die Einlagefazilität mit Wirkung zum 27. Juli 2022 auf 0,50%, 0,75% bzw. 0,00% erhöht. Damit entfällt der Negativzins von -0,50% für geparkte Gelder von Geschäftsbanken. Viele Institute gaben diese Belastung in den vergangenen Jahren an Privatkunden als sogenanntes Verwahrentgelt weiter. Der Leitzins, zu dem sich Kreditinstitute bei der EZB Geld leihen können, steigt von 0% auf 0,50%.
Dieser Beschluss basiere auf der aktualisierten Beurteilung der Inflationsrisiken durch den EZB-Rat sowie auf der verstärkten Unterstützung einer effektiven Transmission der Geldpolitik durch das angekündigte Instrument zur Absicherung der Transmission. Die EZB will die Rückkehr der Inflation auf das mittelfristige Ziel von 2% unterstützen, indem sie die Verankerung der Inflationserwartungen stärkt und die Nachfragebedingungen zurückbindet.
Die Notenbanker haben für die kommenden Sitzungen eine weitere Normalisierung der Zinssätze – also weitere Zinserhöhungen – als angemessen angekündigt. Durch das heutige Vorziehen des Ausstiegs aus den Negativzinsen könne der EZB-Rat zudem zu einem Ansatz übergehen, bei dem Zinsbeschlüsse von Sitzung zu Sitzung gefasst werden.
Um sicherzustellen, dass Zinserhöhungen Länder wie zum Beispiel das hoch verschuldete Italien nicht über Gebühr belasten und um eine Fragmentierung des Währungsraums zu verhindern, legt die EZB ein neues Anti-Krisen-Programm auf, das sogenannte Transmission Protection Instrument (TPI).
Nach Einschätzung der EZB ist die Einrichtung des TPI erforderlich, um die effektive Transmission der Geldpolitik zu unterstützen. Während die EZB die Normalisierung ihrer Geldpolitik fortsetze, werde das TPI sicherstellen, dass die Transmission des geldpolitischen Kurses in allen Ländern des Euroraums reibungslos erfolge. Die Einheitlichkeit der Geldpolitik sei eine Voraussetzung dafür, dass die EZB ihr Preisstabilitätsmandat erfüllen könne.
Wie es in der EZB-Medienmitteilung vom Donnerstag heisst, wird das TPI das Instrumentarium des EZB-Rats ergänzen und kann aktiviert werden, um ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamiken entgegenzuwirken, die eine ernsthafte Bedrohung für die Transmission der Geldpolitik im Euroraum darstellen. Der Umfang von Ankäufen im Rahmen des TPI hänge von der Schwere der Risiken für die geldpolitische Transmission ab. Die Ankäufe seien nicht von vornherein beschränkt. Das TPI werde den Transmissionsmechanismus absichern und dem EZB-Rat dadurch eine effektivere Erfüllung seines Preisstabilitätsmandats ermöglichen.
Anlass für die schnelle Ausarbeitung des TPI waren grosse Schwankungen an den Finanzmärkten Mitte Juni. Der Renditeabstand – der Spread – zwischen Staatsanleihen aus Deutschland und denen höher verschuldeter Euroländer, insbesondere Italiens, hatte sich nach der EZB-Ankündigung einer ersten Zinserhöhung im Sommer ausgeweitet. Für Länder wie Italien wird es teurer, sich frisches Geld zu besorgen, während der Schuldendienst aufgrund höherer Zinsen ebenfalls teurer wird. Das könnte für solche Staaten angesichts schon gewaltiger Schuldenberge zum Problem werden.
Der Rücktritt des international geachteten italienischen Regierungschefs und früheren EZB-Präsidenten Mario Draghi löst zudem Unruhe auf den Finanzmärkten aus. Der Spread zwischen den zehnjährigen Staatsanleihen Italiens und Deutschlands war schon am Mittwochabend in Erwartung eines Rücktritts Draghis angestiegen und erreichte am Donnerstag Mittag 2,37 Prozentpunkte.