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"Am kurzen Ende der Zinskurve wird sich wenig bewegen"

Antonio Serpico, Senior Vice President und Senior Portfolio Manager im European Fixed Income Team, Neuberger Berman (Bild: ZVG)
Antonio Serpico, Senior Vice President und Senior Portfolio Manager im European Fixed Income Team, Neuberger Berman (Bild: ZVG)

Antonio Serpico, Senior Portfolio Manager des europäischen Fixed-Income-Teams von Neuberger Berman, spricht über die Zinsentwicklung an den Märkten und erklärt, warum sein Short Term Bond Fund im ultra-kurzlaufenden Euro-Bondmarkt eine echte Alternative zu Geldmarktfonds ist.

07.02.2022, 15:10 Uhr
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Redaktion: rem

Die Corona-Krise lässt uns nicht los. Jetzt macht sich mit Omikron eine neue Virusvariante breit. Ist damit auch die Konjunkturerholung gefährdet?

Antonio Serpico:
Es könnte so kommen. Wenn die Hospitalisierungen wirklich stark zunehmen, kann es erneut zu Restriktionen kommen, die die Wirtschaftserholung bremsen, speziell in Europa, wo sich Omikron sehr stark verbreitet. Wir denken jedoch aufgrund des Impfschutzes und der vorliegenden Daten, dass wir heute in einer wesentlich besseren Situation sind als vor einem Jahr und auch gelernt haben, mit der Pandemie umzugehen. Wir gehen davon aus, dass Omikron schon bald eingedämmt werden kann.

Wo sehen Sie aktuell die grössten Konjunkturrisiken?

Ein grundsätzliches Risiko besteht darin, dass Corona weiterhin nicht unter Kontrolle gebracht werden kann, und die Wirtschaftserholung insbesondere in den Emerging Markets und im Speziellen in China ausgebremst wird. Das könnte wirklich ein Problem werden. Eine sanfte Landung könnte man dabei noch managen, weil das Wachstum, das wir in den entwickelten Ländern sehen, sehr stark ist. Käme es hingegen zu einer grösseren Krise, würde auch der Rückschlag der globalen Wirtschaft stärker ausfallen. Wenn es also zu einem grossen Ausverkauf bzw. einer starken Korrektur in der chinesischen Wirtschaft kommt, könnte das einen Impact haben. Aber nochmals: Wir gehen nicht von einem solchen Szenario aus, wir sind auf der optimistischen Seite.

Nun ist die Inflation in den USA auf 7% gestiegen und hält sich unerwartet hartnäckig, auch in Europa liegt sie deutlich über dem Ziel von 2.0%. Welche Folgen hat das auf die Cash-Bestände im Euro-Raum?

Cash-Bestände sind beeinflusst durch die Guidance der Zentralbanken und ihre Zinsentscheide. Der Einfluss ist besonders stark, weil die Notenbanker das kurze Ende der Zinskurve negativ halten. Das könnte sich ändern, wenn die Zentralbanken in den nächsten Monaten die Zinsen erhöhen. Wir gehen davon aus, dass die Fed und die BOE das tun werden und auch mit den Anleihekäufen zurückfahren.

Und die EZB?

Die Politik der EZB wird von der realen Inflation bestimmt sein, die im zweiten Halbjahr 2022 abkühlen und auf 2% oder weniger zurückgehen dürfte. Daher glauben wir, dass die EZB die Zinsen im Jahr 2022 nicht anheben wird. Vielmehr rechnen wir mit der ersten Zinserhöhung in der zweiten Jahreshälfte 2023. Wir dürften also sehr tiefe und negative Zinsen am kurzen Ende der Zinskurve haben. Dadurch bleiben die Bedingungen am Geldmarkt in diesem Jahr schwierig und die aktuelle Situation in Europa wird wahrscheinlich noch eine Weile anhalten.

Die US-Notenbank wird also ihre Geldpolitik straffen und Marktbeobachter sprechen schon von bis zu vier Zinsschritten in diesem Jahr. Inwiefern hat dies einen Einfluss auf den Euro-Bondmarkt und Ihre Strategie mit dem Ultra Short Term Euro Bond Fund?

Wenn es im US-Markt Volatilität gibt, wird sich das auch auf den europäischen Markt auswirken. Diese Volatilität ist aktuell günstig für aktive Mandate und Portfolio Manager, die aktive Strategien in Bezug auf Cash-Bestände und derivative Instrumente wie Futures nutzen. Aber am Ende des Tages wird die Forward Guidance der EZB nicht unbedingt beeinflusst von dem, was die Fed entscheidet. Am längeren Ende der Zinskurve werden die Zinsen vielleicht raufgehen. Aber am kurzen Ende der Zinskurve wird sich wenig bewegen.

Also haben Sie mit Ihrem Fonds eine Antwort auf die aktuelle ökonomische Situation?

Wenn die Zinsen tief bleiben und Geldmarktfonds negative Returns abwerfen, haben Investoren in Geldmarktfonds keine Alternativen ausser in Short Term Bond Funds zu investieren. Unser Fonds wird aktiv nach einer flexiblen Philosophie gemanagt und das sollte auch 2022 eine gute Lösung sein.

Dann ist Ihr Fonds als Anlage im ultra-kurzlaufenden Euro-Bondmarkt im aktuellen Umfeld die eigentliche Alternative zu Geldmarktfonds?

Ja, der Fonds wurde tatsächlich entwickelt als eine Alternative zu Geldmarktfonds. Die Performance von Geldmarktfonds bewegt sich seit sechs Jahren zwischen -20 und -60 BP nach Gebühren. Seit seiner Auflegung hat unser Fonds eine viel bessere Performance erzielt.

Wie schaffen Sie das?

Wir investieren am kurzen Ende der Zinskurve, aber wir sind flexibel. Unser Fonds ist Benchmark-agnostisch, er funktioniert wie ein Total Return Fund. Dabei verfolgen wir zwei Ziele: Über eine Investment-Periode von 12 Monaten wollen wir Geld verdienen und in der kürzeren Periode von sechs Monaten den Kapitalerhalt sicherstellen. Das erreichen wir, indem wir flexibel bleiben beim Spread Management – also der aktiven Steuerung des Risikos durch Erhöhung oder Verringerung des Spreads des Portfolios – und beim Durationsmanagement, also der Steuerung der Zinssensitivität durch den Einsatz von Futures, wodurch der Fonds entweder eine lange oder eine kurze Duration innerhalb der Spanne von -1/+2 Jahren haben kann.

Wie funktioniert das in der Praxis?

Wir nehmen einen Bond und achten auf den Spread und die Duration. Wenn wir denken, dass die Spreads raufgehen, machen wir eine Short-Position auf diesem Bond. Auf der anderen Seite nehmen wir eine Long-Position dazu. Mit der Duration gehen wir sehr ähnlich vor. Wenn wir denken, dass die Zinsen steigen, werden wir die Duration des Fonds mit Futures verringern, und wir können auch auf der Kurve spielen, indem wir kürzer oder länger gehen. Diese beiden Vorgehensweisen sind die zwei wichtigsten Alpha-Motoren des Fonds.

Also ein stark aktives Management.

Ja, die Umschichtungsquote ist mit durchschnittlich 150% bis 200% recht hoch. Wir sind sowohl im Spread- als auch im Durationsmanagement aktiv. Wenn wir bullish am Markt sind, werden wir die Spread Duration steigern, wenn wir bearish sind, machen wir das Gegenteil, indem wir High Beta Bonds verkaufen. Auch die Sektor-Rotation ist ein wichtiger Bestandteil der Gleichung, zusammen mit Relative-Value- und Curve-Trades, die Teil des täglichen Fondsmanagements sind. Beim Durationsmanagement haben wir eine langfristige, aber auch eine kurzfristige Sichtweise, die es uns ermöglicht, taktische Trades durchzuführen. Dies erfolgt zum Beispiel vor den Sitzungen der Zentralbanken oder der Veröffentlichung von Wirtschaftsdaten. Wir nutzen auch aktiv CDS zur Absicherung des Fonds.

Welche Assetklassen, welche Bonds sind interessant für Ihren Fonds?

Der Fonds investiert in das gesamte Universum: Credits, Staatsanleihen, Asset Backed Securities und Inflation-Linked Bonds. Derzeit ist Short Term Credit besonders attraktiv für uns, vor allem wegen den Spread-Ausweitungen über das letzte Quartal. Wir sehen zudem starke Fundamentaldaten bei Credit. Ein Teil des Fonds, der zwischen 10% und 20% liegt, wird in europäische Asset-Backed-Securities mit AAA-Rating investiert, die aufgrund ihrer variablen Verzinsung kein Durationsrisiko aufweisen. Ein weiterer Teil ist High Yield Credit. Davon halten wir 6-7%, letztes Jahr waren es um 20%. Die Inflation-linked Bonds mögen wir auch, reduzieren sie aber. Ende Dezember 2021 hielten wir etwa 5%, im Sommer hatten wir um die 10% im Portfolio.

Welche Rolle spielen ESG-Faktoren für Sie?

ESG wird immer wichtiger für Neuberger Berman und ich würde sagen, dass wir die Kriterien schon ziemlich streng umsetzen, auf Unternehmensebene sind wir bereits seit zehn Jahren sehr aktiv darin. Im Neuberger Berman Ultra Short Term Euro Bond Fund sind 100% der Werte ESG-bewusst und 80-85% der Unternehmen im Fonds werden einem internen ESG-Rating unterzogen. Ein starkes Research-Team ist heutzutage wirklich wichtig, um den Anforderungen zu genügen. So haben wir 80 Kreditanalysten rund um die Welt, um das interne Rating zu erstellen. Ausserdem haben wir 2020 beschlossen, den Fonds tabakfrei zu machen. Und wir wollen den Fonds bis 2030 vollständig dekarbonisieren. Der Fonds ist als Artikel-8-Fonds gemäss der europäischen Offenlegungsverordnung eingestuft.

Hat die Anwendung von strengen ESG-Kriterien zu einer Reduktion der Alpha-Performance geführt?

Ich war zuerst skeptisch im Hinblick auf ESG, denn ich bin ein Alpha Manager und will wirklich das grösste Alpha für meine Kunden herausholen. Zuerst dachte ich, wir werden Geld und Opportunitäten verlieren. Doch ich habe festgestellt, dass die ESG-Filter, die angewendet werden, nicht zu einer grossen Reduktion von Alpha führen. Es handelt sich in einem Universum, das aus mehr als 500 Namen besteht, um etwa acht Bonds. Heute umfasst der Fonds 200 verschiedene Bonds. Wenn acht bis neun ausscheiden, ist das kein grosses Problem für die Alpha-Kreation.

Welche Performance kann der Investor erwarten?

Auf sechs Monate zielt der Fonds auf Kapitalerhalt, über ein Jahr streben wir rund 1% Rendite an. Dafür müssen wir die Cash Benchmark, die bei minus 55 BP handelt, um mehr als 1,5% outperformen. Die Cash-Benchmark des Fonds ist der ICE BofA 0-1 Year AAA Euro Government Index, aber eigentlich ist der Fonds eine Total Return Strategie. Seit der Auflegung des Fonds vor drei Jahren hat er eine Performance von mehr als 1,6% netto erzielt. Heute sind wir bei 93 BP für das laufende Jahr. Wir denken, dass wir das in 2022 wieder erreichen können, wenn die Volatilität über das Jahr anhält.

Wo holt der Fonds am meisten Alpha raus?

Zuerst ist es das aktive Management von Risiko, Spreads und Duration. Und dann hängt es natürlich von den Marktbedingungen ab, die herrschen. 2021 kam das grösste Alpha vom Duration Management. 2020 generierte das Spread Management den grössten Mehrwert gegenüber der Benchmark, weil wir im März und April Risiko dazu nahmen und eine grosse Rotation des Fonds von nicht-zyklischen zu zyklischen Sektoren in den ersten Aprilwochen vornahmen. Wir verkauften also defensive Sektoren und kauften zyklische hinzu. Spreads und Durationsmanagement sind also der Motor für das Alpha.

Sind Sie optimistisch für die nähere Zukunft?

Die ökonomische Erholung sollte sich 2022 und 2023 fortsetzen. Wir sind für die Wirtschaft ziemlich optimistisch für die nächsten paar Jahre: Die Inflation dürfte nicht strukturell hoch bleiben und bereits 2022 zurückgehen. Die Zentralbanken werden die Zinsen nicht signifikant erhöhen. Und wenn die Zinsen relativ tief bleiben, ist das gut für den Fixed-Income-Markt, für Credits und Asset Backed Securities.

Zur Person

Antonio Serpico, Senior Vice President, stiess 2018 zu Neuberger Berman. Er ist Senior Portfolio Manager im European Fixed Income Team, verantwortlich für IG-Kredite, mit Schwerpunkt auf Krediten mit hohem Beta und Management von erweiterten Cash-Lösungen. Zuvor verwaltete Serpico ABS-Fonds und CDOs für Fortis Investments und war zuletzt als Portfoliomanager für Flaggschiff-Fonds bei BNP Paribas Asset Management tätig. Er begann seine Karriere im Jahr 2000 als Associate Analyst im Bereich Structured Finance Research bei Moody’s Investors Service. Serpico erhielt seinen Abschluss in Wirtschaftsingenieurwesen von der Universität Padova.

Sie können also die gute Performance mit Ihrem Fonds fortsetzen?

Ja, ich denke schon.

Wenn Sie das Risiko zwischen Halten von Euro Cash und einem Investment in Ihren Fonds abwägen: Wie würden Sie die Differenz definieren?

Es hängt vom Investment-Horizont ab. Wenn dieser länger als sechs Monate ist, nehmen Sie vielleicht das Risiko und kommen in den Fonds. Wenn der Horizont nur wenige Wochen oder ein paar Monate ist, bleiben Sie wahrscheinlich besser im Cash. Das Ziel ist ja der Kapitalerhalt. Der Grund ist sehr einfach: Man nimmt Risiko, um Alpha zu generieren. Und wenn man Risiko nimmt, kann die Volatilität auch zu Rückschlägen führen. Wenn man weniger als sechs Monate drin ist, ist man der Volatilität ausgesetzt. In einem Zeitraum von mehr als sechs Monaten sollten wir in der Lage sein, mit unserem aktiven Stil das Kapital zu bewahren.

Der Fonds ist noch relativ jung. Ist er gut unterwegs?

Wir lancierten den Fonds vor drei Jahren mit 5 Mio. Euro Startgeld. Jetzt sind wir bei 1 Milliarde, die EUR-Anteilsklasse I akkumulierend hat ein 5-Sterne-Rating von Morningstar und erzielte seit ihrer Auflegung jedes Jahr eine Performance im oberen Dezil. Noch ist unser Fonds klein, aber wir bekommen zunehmend Beachtung und der Fonds wird immer mehr nachgefragt. Ich war kürzlich in Lugano und Zürich. Wir trafen viele Pensionskassen, die von den Negativzinsen auf ihren Cash-Beständen hart getroffen werden. Wenn es sich dabei um eine strukturelle Liquidität handelt mit einer Duration, die länger als sechs Monate ist, könnte unser Fonds eine Lösung für diese PKs sein. Deshalb haben wir beschlossen, den Fonds auch über eine auf CHF lautende Aktie für den Schweizer Markt zugänglich zu machen.

(Das Interview mit Antonio Serpico wurde am 17. Dezember 2021 geführt)

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