«Die Kreislauf-Bioökonomie braucht neue Wertschöpfungsketten»

An der COP 16 waren die meisten Unternehmen aller bisherigen Biodiversitätskonventionen vertreten. (Bild pd)
An der COP 16 waren die meisten Unternehmen aller bisherigen Biodiversitätskonventionen vertreten. (Bild pd)

«Wir müssen unbedingt mutig und entschlossen handeln und die auf der COP 16 gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um den Übergang zu einer Netto-Null-Wirtschaft und einer naturverträglichen Wirtschaft zu beschleunigen», schreiben Marc Palahi, Chief Nature Officer, und Laura Garcia Velez, Nature Specialist bei Lombard Odier Investment Managers.

05.12.2024, 10:54 Uhr
Nachhaltigkeit

Die COP 16 brachte die Verhandlungen nicht wie erwartet voran. Es wurde keine Einigung über den Rahmen für die Überwachung des globalen Biodiversitätsrahmens erzielt, und obwohl die Ankündigung von 163 Millionen Dollar an öffentlichen Mitteln für den GBF zu begrüssen sei, stelle dies nur 2 Prozent des Betrags dar, der jedes Jahr mobilisiert werden muss, um die Finanzierungslücke im Naturschutz zu schliessen.

Auch wenn die Bemühungen des Privatsektors, diese Lücke zu schliessen, mit einem Anteil von nur 18 Prozent an der Naturfinanzierung begrenzt waren, war es laut den Experten «doch ermutigend, dass auf der COP 16 mit mindestens 1300 Vertretern die meisten Unternehmen aller bisherigen Biodiversitätskonventionen vertreten waren, während es auf der COP 14 nur eine Handvoll waren.»

Zu den Teilnehmern gehörten die Industrie und ein breites Spektrum von Akteuren aus dem gesamten Finanzsektor, wie zum Beispiel Versicherungsgesellschaften, Vermögensverwalter, Geschäftsbanken, Vermögenseigentümer und Pensionsfonds, die sich zur Einführung von Naturinformationen verpflichteten, aber auch die Regierungen aufforderten, mutige Massnahmen für die Natur zu ergreifen und die Rolle des Privatsektors beim Übergang zu einer naturfreundlichen Wirtschaft anzuerkennen.

Umwandlung bestehender Wertschöpfungsketten

Dieses kollektive Engagement spiegle auch ein wachsendes Bewusstsein für die Notwendigkeit wider, bestehende Wertschöpfungsketten zu verändern. So präsentierten einige Unternehmen der Lebensmittel- und Getränkeindustrie auf der COP 16, wie sie regenerative landwirtschaftliche Praktiken skalieren, um ihren Übergang zu Netto-Null-Ergebnissen und naturfreundlichen Ergebnissen zu beschleunigen und gleichzeitig den Lebensunterhalt von Landwirten und lokalen Gemeinschaften zu sichern.

Diese Initiativen verdeutlichten einen breiteren Trend, der darauf abzielt, wie Unternehmen ihre Wertschöpfungsketten in grossem Massstab effektiver umgestalten können. Durch die ganzheitliche Berücksichtigung von Klima-, Natur- und sozialen Aspekten unterstreichen sie die Relevanz der zirkulären Bioökonomie, die laut der Circular Bioeconomy Alliance ein wirtschaftliches Paradigma ist, das die Notwendigkeit eines Wechsels von extraktiven, linearen Produktions- und Verbrauchsmodellen zu solchen anerkennt, die Abfall und Verschmutzung vermeiden und Produkte und Materialien wiederverwenden.

Dieses Paradigma macht sich auch die zirkuläre, erneuerbare und regenerative Kraft der Natur zunutze und konzentriert sich daher auf die Umsetzung naturbasierter Lösungen (nature-based solutions, NbS), wissenschaftlicher Erkenntnisse und Technologien über Wertschöpfungsketten hinweg. Wichtig ist laut Lombard Odier, dass dieses Paradigma auch in den zehn hochrangigen Grundsätzen für die Kreislauf-Bioökonomieverankert ist, die von der G20 im September letzten Jahres aufgestellt wurden und die unter anderem sicherstellen sollen, dass die Kreislauf-Bioökonomie zur sozialen Integration und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beiträgt.

Ein revolutionäres Material

In einer zirkulären Bioökonomie sind NbS wie die Agroforstwirtschaft und die Verwendung organischer Inputs von zentraler Bedeutung für die Wertschöpfungsketten. Diese Lösungen können nicht nur zur Produktion von biologischen Ressourcen wie Lebensmitteln, Baumwolle und Holz genutzt werden, sondern auch wichtige Ökosystemleistungen wie Kohlenstoffbindung, Schädlingsbekämpfung sowie Boden- und Wasserregulierung erbringen. Darüber hinaus können NbS und fortschrittliche Technologien andere Sektoren umgestalten, die derzeit auf fossile Brennstoffe und nicht erneuerbare Ressourcen angewiesen sind, wie zum Beispiel die Chemie-, Textil-, Kunststoff- oder Baubranche.

So kann beispielsweise Holz, eines der vielseitigsten biologischen Materialien der Erde, in Nanozellulose umgewandelt werden – ein revolutionäres Material, das fünfmal stärker als Stahl und wesentlich leichter ist. Das erste Auto aus Nanocellulose wurde vor einigen Jahren in Japan hergestellt. Darüber hinaus ist jetzt eine neue Generation nachhaltiger Textilien auf Holzbasis möglich, deren Kohlenstoff-Fussabdruck fünfmal geringer ist als der von Kunststofffasern wie Polyester. Holzbauprodukte sind auch eine der wirksamsten Möglichkeiten zur Verringerung der Kohlenstoffemissionen in städtischen Gebieten und im Bausektor, der derzeit von Beton und Stahl dominiert wird.

Hilfe des privaten Finanzsektors

In dem Masse, wie das Bewusstsein für das Paradigma der Bio-Kreislaufwirtschaft wächst, verstärkt der Finanzsektor seine Bemühungen, schädliche Anreize, die sich negativ auf die Natur auswirken, zu beseitigen und eine naturfreundliche Finanzierung zu fördern. Dazu gehören Mechanismen wie Zahlungen für Ökosystemleistungen, grüne Anleihen und Biodiversitätskredite.

Auf der COP 16 wurde ein Rahmen für die Entwicklung eines hochintegrierten Marktes für Biodiversitätsgutschriften geschaffen. Dieser Rahmen fördert die Verwendung von Biodiversitätsgutschriften, um nachweislich zu den Zielen der Natur beizutragen, einen lokalen Ausgleich für die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt unter strengen Kriterien zu schaffen und proaktive Investitionen innerhalb der Lieferketten der Käufer zu erleichtern. Auch wenn dieses neue Anreiz- und Finanzierungsinstrument für die biologische Vielfalt, das vor allem datengestützt ist, mit grossem Enthusiasmus aufgenommen wurde, muss seine Umsetzung mit Vorsicht angegangen werden.

Wie die Circular Bioeconomy Alliance hervorhebt, muss die Industrie in erster Linie in die Natur investieren und symbiotisch mit ihr zusammenarbeiten, um ihre Wertschöpfungsketten umzugestalten und zu überdenken. In diesem Zusammenhang fordert die zirkuläre Bioökonomie, dass nicht nur Lösungen für alle Sektoren, die für erhebliche globale Treibhausgasemissionen und Umweltzerstörung verantwortlich sind, Vorrang haben, sondern auch die Finanzierung von Instrumenten, die direkt in die land- und forstwirtschaftlichen Lieferketten integriert werden können, die das Weltwirtschaftsforum kürzlich auf über 21 Milliarden US-Dollar beziffert hat.

Natur als Inspirationsquelle

Schliesslich sei es wichtig zu bedenken, dass die Natur auch als Inspirationsquelle für neue Unternehmen in der Kreislauf-Bioökonomie dient. Auf der COP 16 war es «inspirierend zu hören», wie die Biomimikry – eine Disziplin, die von den Strategien lebender Organismen lernt und diese nachahmt, um gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen – Investitionen in Höhe von über 125 Millionen Dollar in von der Natur inspirierte Start-ups ausgelöst hat.

Ein bemerkenswertes Beispiel ist für die Experten Sparxell, ein Unternehmen, das Farben aus Zellulose herstellt, die von den physikalischen Strukturen inspiriert sind, die die leuchtenden Farben von Vögeln und Schmetterlingen hervorbringen, wodurch chemische Farbstoffe überflüssig werden. Darüber hinaus erfuhren wir von den Bemühungen des Versicherungssektors, Instrumente zu entwickeln, die nicht nur dazu beitragen, das Risiko von Naturinvestitionen zu verringern, sondern auch Naturgüter wie Korallenriffe und Mangroven zu versichern, da sie lokalen Unternehmen Schutz vor Küstenstürmen bieten.

Eine weitere wichtige Errungenschaft der COP 16, die auf dem Thema der Wertschätzung der Natur aufbaut, war die Vereinbarung, den Cali-Fonds einzurichten. Dieser Fonds ist Teil eines Mechanismus zur gemeinsamen Nutzung der Vorteile, die sich aus digitalen Sequenzinformationen (DSI) über genetische Ressourcen ergeben. Dieser Beschluss befasst sich mit der Frage, wie bei der Anwendung von DSI in Bereichen wie Medizin, Landwirtschaft, Biotechnologie und öffentliche Gesundheit sichergestellt werden soll, dass die Vorteile mit Entwicklungsländern, indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften geteilt werden.

Und was nun?

«Während wir uns auf die bevorstehende Klimakonferenz COP 30 in Brasilien im nächsten Jahr vorbereiten, auf der die Kreislaufwirtschaft ein zentrales Thema sein wird, ist es wichtig zu erkennen, dass, auch wenn die COP 16 nicht den erwarteten Verhandlungsdurchbruch gebracht hat, dem Privatsektor bereits zahlreiche Optionen zur Verfügung stehen, um seine Bemühungen zur Verringerung schädlicher Investitionen in die Natur und zur Steigerung naturfreundlicher Finanzierungen voranzutreiben», schreiben die Experten.

Die zirkuläre Bioökonomie mache deutlich, dass alle Massnahmen, die derzeit zur Bewältigung der Natur- und Klimakrise ergriffen werden, miteinander verknüpft sind und gleichzeitig auch soziale Aspekte berücksichtigen. Von Basisinitiativen bis hin zu bahnbrechender Forschung und der aktiven Beteiligung von Unternehmen und Finanzinstituten an der Umgestaltung bestehender Wertschöpfungsketten. Dieser Ansatz bietet auch einen Fahrplan für den privaten Finanzsektor, um vorrangige Bereiche für Investitionen zu ermitteln.

«Wir müssen unbedingt mutig und entschlossen handeln und die auf der COP 16 gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um den Übergang zu einer Netto-Null-Wirtschaft und einer naturverträglichen Wirtschaft zu beschleunigen», so das Fazit.

Alle Artikel anzeigen

Diese Website verwendet Cookies, um Ihnen eine bestmögliche Nutzung zu ermöglichen. Mit der Annahme der Cookies bestätigen Sie, dass Sie ein professioneller Anleger mit Sitz in der Schweiz sind.> Datenschutzerklärung