25.11.2024, 14:58 Uhr
Laut Mitteilung hat Robeco seine ersten aktiven börsengehandelten Fonds an der SIX Swiss Exchange notiert. Die aktiven ETFs waren seit dem 15. Oktober an der Frankfurter Börse notiert, weitere europäische...
Die Energiekrise hat Auswirkungen auf europäische Aktien und die Energiewende vollzieht sich nicht nur in eine Richtung, sagt Niall Gallagher, Investment Director bei GAM Investments.
Im historischen Vergleich und im Verhältnis zu den Fundamentaldaten sind die Gaspreise sehr hoch. In den vergangenen Wochen lag der Gaspreis zwischen dem 15- und 20-fachen des Durchschnittspreises der letzten fünf Jahre bis Ende 2020. Darüber hinaus haben die Gaspreise die Strompreise in Europa in die Höhe getrieben, die im historischen Vergleich ebenfalls hoch sind und zwischen dem 20- und 25-fachen des Durchschnittspreises bis zum Jahr 2021 liegen.
"Es ist viel darüber gesagt und geschrieben worden, dass diese Entwicklung letztlich das Ergebnis der russischen Invasion in die Ukraine ist", sagt Niall Gallagher, Investment Director bei GAM Investments, "das ist für die Politiker bequem, da sie sich auf diese Weise von der Verantwortung zu befreien glauben. Tatsächlich wurden jedoch viele der Grundlagen für das, was wir im Gas- und Stromsektor erlebt haben, schon vor langer Zeit gelegt. Das europäische Energiesystem weist einige schwerwiegende Schwachstellen auf, die unserer Ansicht nach zumindest teilweise auf eine mangelhaft organisierte Energiewende zurückzuführen sind."
Damit soll laut Gallagher keineswegs die Bedeutung der Energiewende geschmälert oder behauptet werden, dass wir die Kohlenstoffemissionen unserer Energieversorgung nicht reduzieren müssen. "Wird der Übergang jedoch nicht effizient vollzogen, wird es vermutlich zu Fehlentwicklungen wie im dritten Quartal kommen, die nach unserer Einschätzung das direkte Ergebnis einer mangelhaften Energiepolitik über einen längeren Zeitraum auf dem gesamten europäischen Kontinent sind."
Bei den Energiepreisen herrschen auch erhebliche Unterschiede zwischen den Märkten und Regionen der Welt. Während die Gaspreise in den USA seit der Pandemie um nahezu 400% gestiegen sind, liegt dieser Wert in Europa bei etwa 2000%.
Auch das Stromsystem wurde in der letzten Zeit ausgiebig kommentiert, insbesondere die Tatsache, dass der Gaspreis den Strompreis bestimmt. Über die Gründe hierfür herrscht allgemeine Verwirrung. "Wir verfügen über erneuerbare und kohlenstoffarme Energiequellen wie Wasser, Wind, Sonne und Kernkraft, deren Betrieb theoretisch kostengünstig ist, sofern Wind oder Sonne für die Stromerzeugung eingesetzt werden", sagt Gallagher. Dabei werde jedoch vernachlässigt, dass das derzeitige System der Preisfindung von den Grenzkosten bestimmt wird, die die Grenzerlöse bestimmen. Als diese Systematik vor langer Zeit entwickelt wurde, lag die dahinterstehende Logik darin, durch teuren Strom einen Anreiz für die Produktion kostengünstigeren Stroms zu schaffen, und somit teuren Strom zu verdrängen. Es sei ein klassisches Argument aus dem Lehrbuch der Wirtschaftswissenschaften, wonach der billigere Strom den teureren ersetzt. Dies habe in einem traditionellen Stromsystem gut funktioniert, das im Wesentlichen auf die Umstellung von Kohle auf Gas ausgelegt war, während die Kernkraftwerke mehr oder weniger kontinuierlich weiter betrieben wurden. Abhängig vom jeweils günstigeren Preis - Kohle oder Gas - verdrängte das eine das andere.
Die Schwierigkeiten lagen in der Art und Weise, wie die Bepreisung von Kohlenstoff berücksichtigt wurde, zum Beispiel durch die Einführung von Kohlenstoffpreisen, die die höhere Kohlenstoffintensität von Kohle im Vergleich zu Gas widerspiegeln. Dies führte dazu, dass die Arbitrage bzw. der Wechsel zwischen Kohle und Gas unmöglich wurde. Hinzu kommt laut Gallagher, dass die Produktion erneuerbarer Energien unzuverlässig erfolgt. Insgesamt bedeutet dies, dass Gas im Energiemix zunehmend wichtiger wurde und den Strompreis bestimmte.
Was bedeutet dies nun? Für einen typischen Haushalt beispielsweise im Vereinigten Königreich sind die Energiepreise drastisch gestiegen, obwohl die Regierung eine Obergrenze für die Stromtarife für Privathaushalte eingeführt hat. Dies könnte dazu führen, dass viele Menschen einen grossen Teil ihres versteuerten Einkommens für Rechnungen von Versorgungsunternehmen einsetzen müssen, was sich auf den Verbrauch auswirken wird. Für Menschen mit geringem Einkommen könnte dies katastrophale Folgen haben, und auch die Auswirkungen auf kleine Unternehmen könnten enorm sein.
Diese Kosten werden sich auf ganz Europa auswirken, da hier dieselben Triebkräfte wirken wie im Vereinigten Königreich, auch wenn sich dies noch nicht unmittelbar in den Rechnungen niedergeschlagen hat. "Betragen die Kosten für Gas und Strom in Europa ein Vielfaches der Preise in den USA und Asien, könnte dies zu einer erheblichen Deindustrialisierung in Europa führen," zeigt sich Gallagher besorgt. Die Schwerindustrie könnte in andere Regionen abwandern, sollten die Produktionskosten in Europa zu hoch werden. "Infolgedessen halten wir es für sehr wahrscheinlich, dass es zu Interventionen auf den europäischen Märkten kommen wird und die Regierungen werden versuchen, den Strompreis zu deckeln oder massiv zu subventionieren. Dies geschieht im Vereinigten Königreich bereits."
Dass der Einmarsch der Russen in der Ukraine für die hohen Energiereise verantworltich sein sollen, grift für Gallagher zu kurz. So gingen die Investitionen in Öl und Gas seit 2014 um etwa zwei Drittel zurück. Der Klimawandel drängte die Öl- und Gasunternehmen zu Recht dazu, nicht in Öl und Gas zu investieren, doch dies geschieht zu einem Zeitpunkt, an dem die Nachfrage nach beiden Energieträgern aufgrund der Entwicklung der Schwellenländer und des globalen Bevölkerungswachstums weltweit unverändert steigt. "Wir können hoffen, dass wir uns zügig aus der Abhängigkeit von Öl und Gas lösen können. Dieser Prozess muss jedoch gesteuert werden, und es muss darüber Klarheit bestehen, dass 80% der Weltbevölkerung unverändert in den Schwellenländern lebt; deren Nachfrage wird steigen, wenn sich ihre wirtschaftliche Entwicklung dem Niveau der Industrieländer annähert," sagt Gallagher.
Die Energiewende ist kein Selbstläufer, gibt Gallagher zu bedenken. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien gebe es einige Engpässe, insbesondere beim Übergang. So habe es keinen Sinn, Offshore-Windparks in der Nordsee zu errichten, wenn keine Übertragungsleitungen verlegt werden, um den Strom zu den grossen Nachfragezentren zu befördern. Es gibt auch Zeiten, in denen eine geringe laufende Produktion Backups erfordert - dieses Backup wird in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich Gas sein. Auch auf der Nachfrageseite lässt sich einiges tun: Eine höhere Energieeffizienz von Gebäuden wird den Energieverbrauch senken.
Sollte es eine zentrale Botschaft geben, dann lautet sie für Gallagher: Die politischen Entscheidungsträger müssen damit beginnen, dieses Thema ernst zu nehmen. Über einen langen Zeitraum wurde die Energiepolitik vernachlässigt: "Die politischen Entscheidungsträger müssen sich auf die Umsetzung einer gut geplanten Energiewende konzentrieren, damit wir das fragile Energiesystem, das wir in den letzten Jahren erlebt haben, hinter uns lassen."