18.12.2024, 14:33 Uhr
Während in den USA und Europa die Zahl der Börsengänge im laufenden Jahr noch zugenommen hat, ist das Geschäft in China eingebrochen. Dort sanken die Erlöse gegenüber dem Vorjahr laut EY um 65 Prozent.
Dank einem besonnenen Umgang mit der Corona-Pandemie sind Japans Unternehmen gut für den Aufschwung nach der Krise vorbereitet, meint Kwok Chern-Yeh von Aberdeen Standard Investments. Ganz egal, ob die Olympischen Spiele im nächsten Jahr nun stattfinden oder nicht.
In dieser Woche sollte Tokio eigentlich die Welt zu den 32. Olympischen Spielen willkommen heissen – ein Sommerfest der sportlichen Höchstleistungen. Die Stadtverwaltung hatte viele Milliarden Yen für die Durchführung des Mega-Ereignisses "Tokio 2020" bereitgestellt. Doch zum ersten Mal in der Geschichte wurden die Olympischen Spiele und die Paralympics nicht abgesagt, sondern verschoben. Abgesagt wurden die Wettkämpfe bisher drei Mal – jedes Mal war einer der Weltkriege Grund für die Nichtaustragung. So auch 1940. Die Ironie der Geschichte: Auch damals wäre Tokio der Austragungsort gewesen.
In diesem Jahr war es die Corona-Pandemie, die die sportlichen Pläne durchkreuzte. Tokio verschob daraufhin die Spiele auf Juli/August 2021. Immer noch trägt der Mega-Event den Namen "Tokio 2020". Er werde in diesen unruhigen Zeiten nun als Leuchtturm der Hoffnung für die Welt hochstilisiert, sagt Kwok Chern-Yeh, Deputy Head of Equities, Asia Pacific, und Head of Investment Management, Japan, bei Aberdeen Standard Investments. "Aber ohne einen wirksamen Impfstoff lässt sich den Spielen im nächsten Jahr kaum mit Zuversicht entgegensehen." Kwok Chern-Yeh verweist darauf, dass das Virus in den Volkswirtschaften rund um den Globus unverändert verheerenden Schaden anrichte. Vielerorts komme es zu neuen Ausbrüchen, kaum würden die Lockdown-Massnahmen gelockert.
Auch Japan erlebt gegenwärtig einen starken Wiederanstieg der Infektionszahlen. Mit seiner alternden Gesellschaft, in der mehr als ein Viertel der Menschen 65 Jahre oder älter ist, bleibt es besonders anfällig für Covid-19. Dennoch musste Nippon bislang nur 21'500 Infektionen und weniger als 1'000 Todesfälle melden, was im globalen Vergleich erstaunlich wenig sei: "Ermutigend ist, dass Japans Regierung nicht zu extremen Ausgangssperren greifen musste. Dies ist auch ein Grund, warum sich die wirtschaftlichen Folgen verglichen mit anderen Ländern stark in Grenzen halten", so Chern-Yeh.
Japan habe einen Plan: Statt Menschen stichprobenartig zu testen, setze das Land der aufgehenden Sonne auf eine strikte Kontaktverfolgung, um potenzielle Super-Spreader aufzuspüren und zu isolieren. Denn Lockdowns scheinen die Ausbreitung dieses neuartigen Virus nur vorübergehend einzudämmen. Werden sie aufgehoben, breite sich Covid-19 wieder aus, so Kwok Chern-Yeh.
Japan hat Erfahrung mit der Bewältigung grosser wirtschaftlicher Schocks. Normalerweise sind es Naturkatastrophen, die das Land heimsuchen. Mit der Mobilisierung fiskalischer Ressourcen kennen sich die Japaner gemäss Chern-Yeh nach jahrzehntelanger wirtschaftlicher Stagnation ebenfalls bestens aus.
Um der Corona-Krise entgegenzuwirken, hat die Regierung Konjunktur- und Hilfspakete in der Höhe von 1 Bio. US-Dollar aufgelegt. Das entspricht fast 20% der Wirtschaftsleistung des Landes. Zugleich hat die Regierung eine neue Wachstumsstrategie vorgestellt, mit der der bargeldlose Zahlungsverkehr, die Digitalisierung und diverse Arbeitsformen zusätzlichen Schub bekommen sollen. "Für ein Land, in dem immer noch Bares Wahres ist, ist dies ein schwieriges Unterfangen. Doch Japan hat in der Vergangenheit immer wieder grundlegende Veränderungen vollzogen und ist aus jeder gestärkt hervorgekommen", sagt Chern-Yeh. Dank seiner schrumpfenden Bevölkerung habe Japan eine niedrige Arbeitslosigkeit. Zudem schützten Arbeitsmarktprogramme die Menschen besser vor Einkommensverlusten. Diese grössere Arbeitsplatzsicherheit in Japan könne die Verbraucherausgaben so nachhaltig schützen, wie dies nur in wenigen anderen Ländern möglich sei.
Darüber hinaus seien Nippons Firmen aufgrund der Erfahrungen aus der Schuldenkrise der 1990er Jahre, als die Banken die Kreditvergabe einschränkten und den Unternehmen das Betriebskapital knapp wurde, im Vergleich ziemlich kapitalkräftig: 55% der Nicht-Finanzunternehmen verfügen über eine Netto-Cash-Position, während es in den USA nur 14% sind. Auch bei der sinkenden Verschuldung der japanischen Unternehmen seit sechs Jahren in Folge sieht der Experte eine Chance: "Dadurch sind sie besser in der Lage, nicht nur der Konjunkturabkühlung infolge des Coronavirus standzuhalten, sondern auch Wachstumsinitiativen umzusetzen – auch wenn die kurzfristigen Gewinnaussichten eher diffus sind." Parallel zu den Erholungsplänen für die Zeit nach Corona beobachtet Chern-Yeh, wie japanische Firmen ihre Bilanz in Bezug auf ESG verbessern. Zudem gebe es positive Veränderungen bei deren Kapitaleffizienz und Unternehmensführung.
Noch schwanken die Märkte zwischen der Vorbereitung auf eine nachhaltige Erholung und dem Wappnen gegen die nächste Welle der Pandemie. "Anleger, die bereit sind, den damit verbundenen Schwankungen zu trotzen, können Unternehmen aufspüren, die von sich aus schlanker und produktiver werden. Denn solche Firmen versprechen ein gutes längerfristiges Wachstumspotenzial", so Chern-Yeh.
Und genau solche Firmen lassen sich auch in Japan finden, ist das Land doch nach wie vor Heimat zahlreicher Unternehmen von Weltrang. Viele sind in ihren Branchen global führend, haben solide Geschäftsmodelle und sind in Bereichen mit strukturellem Wachstum tätig – sei es in der Robotik, bei Basiskonsumgütern oder Innovationen im Gesundheitswesen. Deshalb ist Chern-Yeh überzeugt: "Japans Qualitätsfirmen können ihren Aktionären auch weiterhin Wachstum bieten – ganz unabhängig von der Corona-Pandemie und ganz gleich, ob Japan durch das Nachholen der Olympischen Spiele im nächsten Jahr einen Boom im Tourismus erlebt."