18.12.2024, 14:33 Uhr
Während in den USA und Europa die Zahl der Börsengänge im laufenden Jahr noch zugenommen hat, ist das Geschäft in China eingebrochen. Dort sanken die Erlöse gegenüber dem Vorjahr laut EY um 65 Prozent.
Obwohl in Argentinien viel politische und wirtschaftliche Unsicherheit herrscht, gibt es in einzelnen Bereichen chancenreiche Aktien, findet Oliver Bell von T. Rowe Price.
Die Geschicke der argentinischen Börse werden derzeit von lokalen Faktoren bestimmt, insbesondere der Unsicherheit im Vorfeld der anstehenden Wahlen und der schlechten Wirtschaftslage. "Bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober, auf die einen Monat später eine Stichwahl folgen dürfte, ist nicht gänzlich auszuschliessen, dass die linksgerichteten Populisten Alberto Fernández und Cristina Kirchner (als Vizepräsidentin) an die Macht gelangen", sagt Oliver Bell, Portfolio Manager bei T. Rowe Price. Dieses Szenario sei zwar unwahrscheinlich, doch falls es eintreten sollte, könnte am Ende eine Wiedereinführung von Kapitalverkehrskontrollen drohen. Dies würde Risiken für alle Segmente des argentinischen Kapitalmarkts bedeuten und könnte zu einer erneuten Staatspleite führen, befürchtet er.
Dass eine Rückkehr von Kirchner überhaupt denkbar erscheine, stelle ein wesentliches Problem für den amtierenden Staatschef Mauricio Macri dar. Allein die Möglichkeit könnte einen Teufelskreis in Form einer negativen Entwicklung von Währung, Inflation und Konjunktur in Gang setzen – was wiederum die Wahlchancen von Macri schwächen würde, so Bell. Tatsächlich steht die argentinische Wirtschaft zurzeit auf äusserst wackeligen Füssen: Es ist zwar eine Erholung der Reallöhne zu erwarten und die Währung scheint sich zu stabilisieren, doch diese positiven Trends könnten durch die Ergebnisse von Wahlumfragen oder exogene Schocks untergraben werden.
Die Experten von T. Rowe Price finden dennoch in einzelnen Bereichen chancenreiche Titel. Dazu zählen beispielsweise Aktien von Unternehmen mit realen Vermögenswerten oder besser diversifizierten (und damit weniger konjunkturabhängigen) Ertragsflüssen. "Auf unserer jüngsten Researchreise nach Argentinien haben wir mit Vertretern solcher Unternehmen sehr interessante Gespräche geführt. Zu Abstinenz raten wir derzeit indessen bei Versorgern, die empfindlich auf Entwicklungen in dem Land reagieren. Bankwerte könnten hingegen von einer Aufhellung des makroökonomischen Umfelds profitieren und mit attraktiven Risiko-Rendite-Merkmalen überzeugen", sagt Bell.
Ungeachtet einiger Lichtblicke überwiegen zurzeit die negativen Faktoren. Der argentinische Peso hat sich etwas stabilisiert, allerdings in erster Linie dank eines Hilfspakets des Internationalen Währungsfonds im Volumen von 57 Milliarden US-Dollar. Dadurch ist zwar der Finanzbedarf für das Jahr 2019 weitgehend gesichert, doch das Paket ist mit strengen geld- und haushaltspolitischen Auflagen verbunden. Prognosen zufolge wird Argentiniens Leistungsbilanzdefizit in diesem Jahr auf 2% sinken (von 5% im Vorjahr). Dennoch befindet sich das Land in der Rezession. Im vergangenen Jahr schrumpfte die Wirtschaftsleistung um 2,6%, und für 2019 wird ein weiterer Rückgang um 1% erwartet. Die Inflationsrate betrug zum Jahreswechsel etwa 47%, und die monatlich veröffentlichten Daten stossen immer auf sehr grosses Interesse. Die Zinsen liegen mit 50% weiter auf hohem Niveau.
"Die Präsidentschaftswahlen im Oktober werden Aufschluss geben, ob das Land den eingeschlagenen Weg der Reformen und der makroökonomischen Normalisierung fortsetzen oder ob in den nächsten Jahren eine eher populistische Agenda die argentinische Politik bestimmen wird", meint Bell. Vor dem Hintergrund der hohen Inflation und des deutlichen Konjunktureinbruchs haben sich die Umfragewerte des amtierenden Präsidenten Mauricio Macri, der eine Wiederwahl anstrebt, zuletzt verschlechtert. Zugleich hat die ehemalige Präsidentin Cristina Kirchner mit der Ankündigung, für das Amt der Vizepräsidentin unter einem Präsidenten Alberto Fernández kandidieren zu wollen, an der Börse für Überraschung gesorgt.
Trotz des mittlerweile geschrumpften Vorsprungs von Macri halten wir einen Wahlsieg des Gespanns Fernandez-Kirchner für unwahrscheinlich. Wir gehen davon aus, dass die argentinischen Finanzmärkte auf jedes Ergebnis, bei dem der Wahlsieger nicht Cristina Kirchner heisst, mit einer Rally reagieren werden. Zugleich dürfte die Inflation angesichts der rezessiven Bedingungen und der frei schwankenden Währung auf ein moderateres Niveau zurückgehen. Wir rechnen überdies damit, dass anziehende Reallöhne und steigende Exporte den Konsum und eine allgemeine wirtschaftliche Erholung unterstützen werden. Unseres Erachtens haben die Anleger auf negative Entwicklungen überreagiert, sodass viele Vermögenswerte mittlerweile deutlich unterbewertet sind. Dadurch könnten sich attraktive Einstiegschancen eröffnen.
Wie Bell weiter ausführt, wir in den kommenden Monaten das wirtschaftliche Umfeld, insbesondere die Entwicklung der Inflation, der Reallöhne und der Währung, von entscheidender Bedeutung sein. Ein Risiko sehen die Experten von T. Rowe Price darin, dass der Peso durch einen externen Schock in Bedrängnis geraten könnte. Gleichzeitig dürften sich mit jeder weiteren Abschwächung der Wirtschaft die Wahlchancen von Cristina Kirchner verbessern. Hingegen würden schon bescheidene positive Entwicklungen die Marktteilnehmer beruhigen und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Mauricio Macri im Amt bestätigt wird.
Trotz aller wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten bieten sich laut Bell Anlegern durchaus attraktive Möglichkeiten, sofern sie in der Lage sind, vor Ort gründliche Analysen vorzunehmen. Die Experten von T. Rowe Price sind auf ihrer letzten Researchreise mit Vertretern einiger vielversprechender Unternehmen zusammengetroffen, die sich ihres Erachtens auch in einem turbulenten Umfeld, wie es ihnen möglicherweise bevorsteht, gut behaupten würden:
Loma Negra, ein führender argentinischer Zementhersteller: Nach einem Absatzrückgang um 15% im Januar wird mit einer Erholung im zweiten Halbjahr gerechnet. Das Unternehmen konnte bei seinen Kunden Preiserhöhungen von 75% durchsetzen, das ist mehr als die Inflation. Überdies dürfte die Inbetriebnahme des neuen Zementwerks L'Amali die Gewinnmarge steigen lassen. Loma Negra zeichnet sich auch durch eine solide Bilanz aus.
Tenaris: Der Stahlrohrhersteller ist nur in geringem Masse vom argentinischen Markt abhängig, da rund 90% der Umsätze im Ausland erzielt werden. Das Unternehmen steht kurz vor dem Markteintritt in Russland, wovon ein leichter Anstieg der Gewinnmargen erwartet wird. Es generiert einen freien Cashflow von über 1 Milliarde US-Dollar pro Jahr und sollte damit den erforderlichen Spielraum für Dividendenerhöhungen haben.
Grupo Financiero Galicia, Banco Frances: Für die Banken stellt sich das Umfeld angesichts der schwachen Kreditnachfrage und steigender Ausfallquoten nicht sehr günstig dar. Dank der hohen Zinsen und ausreichender Liquidität entwickeln sich die Margen jedoch stabil. Bei einem Kreditvolumen von zurzeit nur 15% des Bruttoinlandsprodukts erscheinen argentinische Bankwerte – ein Wahlsieg von Macri vorausgesetzt – attraktiv.
MercadoLibre: Der Online-Marktplatz-Betreiber und Digitalanbieter von Finanzdienstleistungen hat eine führende Position sowohl im privaten als auch im B2B-Segment. Durch sein grosses Vertriebsnetz fliessen ihm die erforderlichen Mittel für die Akquisition von Neukunden zu. MercadoLibre konzentriert sich darauf, in neue Produktkategorien zu expandieren und die Logistik zu optimieren. Trotz seiner Präsenz in Argentinien erzielt das Unternehmen über 50% seiner Gewinne in Brasilien und anderen lateinamerikanischen Ländern.
Nach wie vor ist T. Rowe Price in einigen argentinischen Titeln mit attraktivem Risiko-Rendite-Profil investiert. "Wir werden die wirtschaftliche und politische Entwicklung in dem Land und ihre Auswirkungen auf Unternehmen mit binnenwirtschaftlicher Ausrichtung sowie solche mit weniger konjunkturabhängigen Erträgen genau beobachten. Unsere Präferenz gilt nach wie vor Letzteren, und wir werden die Entwicklung dieser Titel in dem sich wandelnden Umfeld weiterhin aufmerksam verfolgen", schliesst Bell seine Einschätzung.