19.12.2024, 10:18 Uhr
Jacques-Aurélien Marcireau, Co-Head of Equities bei Edmond de Rothschild Asset Management, erwartet dass das thematische Trio aus Momentum, generativer Künstlicher Intelligenz (KI) und «Trump-Trade» seine starke...
Der jüngste Anstieg der Inflation in den USA hat Sorgen geweckt, dass die US-Notenbank die Zinssätze doch noch länger auf einem höheren Niveau halten könnte. Paul Jackson, Global Head of Asset Allocation Research von Invesco, sieht zwar mehr Hinweise auf einen nachlassenden Preisdruck, gibt jedoch zu bedenken, dass die oberflächlich hartnäckige Inflation die Fed zu einer geldpolitischen Fehlentscheidung veranlassen könnte – mit negativen Folgen für Wirtschaft und Märkte.
Nachdem sie in den beiden vorangegangenen Quartalen jeweils bei 2,0 Prozent gelegen hatte, ist die annualisierte PCE-Kerninflation (persönliche Konsumausgaben ohne Lebensmittel- und Energiepreise) in den USA im ersten Quartal 2024 gegenüber dem Vorquartal auf 3,7 Prozent gestiegen.
«Die PCE-Kerninflation ist das von der Fed bevorzugte Inflationsmass. Daher könnten diese Zahlen die erste Zinssenkung weiter hinauszögern, obwohl die am Folgetag veröffentlichten monatlichen PCE-Daten mit Jahresraten von 2,7 Prozent für die Gesamtinflation und 2,8 Prozent für die Kerninflation beruhigender ausfielen», schreibt Jackson in der neuesten Ausgabe der Invesco-Publikation Uncommon Truths. Die von den Marktkommentatoren bevorzugte Verbraucherpreisinflation (CPI) bewegt sich in den USA seit Juni 2023 zwischen 3 und 4 Prozent.
Jackson sieht mehrere Gründe für die hartnäckig hohe Teuerung. An erster Stelle gehört dazu die Tatsache, dass sich die Rohstoffpreise und der Druck in den Lieferketten - zwei Schlüsselfaktoren, die die Inflation in den letzten Jahren zunächst angeheizt und dann wieder gedämpft hatten - jetzt im «neutralen» Bereich befinden.
Auf der Grundlage schwächerer BIP-Daten, einer sinkenden Lohninflation und insbesondere eines weiterhin negativen Geldmengenwachstums in den USA sieht Jackson einen weiterhin abwärts gerichteten Inflationstrend. «Der Inflationsschub in den USA kam, nachdem das M2-Wachstum Anfang 2021 mit 27 Prozent seinen Höchststand erreichte. Anschliessend folgte die Inflation dem Geldmengenwachstum nach unten, ein Prozess, den die US-Wirtschaft meiner Ansicht nach noch nicht abgeschlossen hat», schreibt der Invesco-Experte.
Nachdem Löhne und Kerninflation zuletzt durch den schnellen Anstieg und anschliessenden Rückgang der Gesamtinflation beeinflusst wurden, sieht Jackson jetzt die Kerninflation als potenziell wichtigsten Treiber der Gesamtinflation. Vor dem Hintergrund der in den USA und Europa insgesamt abwärts tendierenden CPI-Kerninflation stimme der merklich höhere Preisdruck im ersten Quartal 2024 nachdenklich.
So betrage die annualisierte US-Kerninflationsrate für das erste Quartal (März gegenüber Dezember) 4,5 Prozent und liege damit deutlich über der Jahresrate von 3,8 Prozent für März. Allerdings beschränke sich der höhere Preisdruck in den USA im ersten Quartal 2024 auf einige wenige Inflationskomponenten, vor allem auf Wohnkosten und Kfz-Versicherungen.
Jackson zufolge überwiegt die Abwärtstendenz in der Gesamtbetrachtung der verschiedenen Komponenten der Kerninflation. Nach oben verzerrt würde die Gesamtrate durch den Anstieg der Wohnkosten um 5,7 Prozent und die mit 45 Prozent sehr hohe Gewichtung dieser Komponente im CPI-Kernindex. Ihren Höchststand hatte die Wohnkosteninflation im März 2023 mit 8,2 Prozent verzeichnet.
Die Transportdienstleistungen waren ein weiterer Ausreisser mit einem annualisierten Anstieg von 16,7 Prozent über drei Monate und einer Jahresrate von 10,7 Prozent im März, wobei sie im Index weniger stark gewichtet sind. Hauptgrund für die starke Verteuerung waren Kfz-Versicherungen mit einem annualisierten Anstieg von 21,2 Prozent über drei Monate und einer Jahresrate von 22,2 Prozent im März.
«Ich schätze, dass allein diese Komponente die US-Kerninflationsrate im März um 0,8 Prozentpunkte erhöht hat», meint Jackson. «Dass die Fed Einfluss auf die Versicherungsprämien nehmen kann, die sich nach der Unfallhäufigkeit und den Kosten für Reparaturen und medizinische Behandlungen richten, ist schwer vorstellbar. Daher liesse sich argumentieren, dass die Fed diese von ihr nicht kontrollierbare Inflationskomponente ignorieren sollte, aber das wäre wohl zu optimistisch», schreibt der Experte.
Wie Jackson hervorhebt, lag die US-Inflation bereinigt um Lebensmittel-, Energie- und Wohnkosten im März 2024 bei 2,4 Prozent und damit nicht mehr weit vom 2-Prozent-Ziel der Fed entfernt. «Die historischen Daten signalisieren, dass die Wohnkosten in der Regel mit einer Verzögerung von etwa zwölf bis 18 Monaten auf die Entwicklung der Hauspreise reagieren. Auf der Grundlage der Hauspreisentwicklung vor zwölf bis 18 Monaten könnte die Wohnkosteninflation in den nächsten Monaten und Quartalen daher weiter zurückgehen», argumentiert Jackson. «In Anbetracht der sinkenden Lohninflation und der verzögerten Reaktion der Wohnkosteninflation auf die Hauspreise dürfte die CPI-Kerninflation in diesem Jahr weiter nachlassen.»
Er ergänzt: «Der jüngste Anstieg der Inflation erscheint zu eng gefasst, um auf einen breiten, nachfragegetriebenen Trend hinzudeuten. Daher könnte es sich entweder um eine Kostendruckinflation und/oder einen auf einige wenige Sektoren konzentrierten Preisdruck handeln. Die Fed ist für beides nicht gut gewappnet und könnte der Wirtschaft unnötigen Schaden zufügen, falls sie sich vor diesem Hintergrund dazu entscheiden sollte, die Zinsen noch länger auf einem höheren Niveau zu halten.»
Aus Anlegersicht sei eine Absicherung gegen ein solches Szenario schwierig, da zyklische Anlagen negativ reagieren könnten, während festverzinsliche Anlagen durch die Aussicht auf anhaltend erhöhte oder sogar steigende Zinsen unter Druck stehen könnten. Jackson zufolge könnte eine Übergewichtung von Geldmarktanlagen und Bank Loans eine gewisse Abschirmung gegen steigende Zinsen bieten, genauso wie Allokationen in Gold und inflationsgebundene Staatsanleihen, vor allem in den USA.