18.12.2024, 14:45 Uhr
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Gold hat in den letzten Monaten als Inflationsschutz enttäuscht und bleibt kurzfristig wenig attraktiv. Dennoch sei für einzelne Rohstoffe ein möglicher Superzyklus denkbar, meint Stefan Breintner von DJE. Im Vordergrund steht hier das vielfältig verwendbare Kupfer.
Goldanlagen werden traditionell als Inflationsschutz wahrgenommen. Allerdings: 2021 kam Gold dieser Funktion bisher nur bedingt nach. Obwohl sich die Inflationsentwicklung im bisherigen Jahresverlauf stark beschleunigte, zuletzt auf 5,4% in den USA bzw. 2,2% in Europa, liegt der Preis für eine Feinunze Gold mit aktuell bei knapp 1800 $/oz gut 5% unter dem Niveau zu Jahresbeginn.
"Diese Entwicklung ist auf den ersten Blick erstaunlich. Denn bei einem US-Realzinsniveau von inzwischen Minus 3,8% hätte man eigentlich eine bessere Wertentwicklung erwarten können. Auch vom Crash des Bitcoins konnte Gold kaum profitieren. Gold und Bitcoin haben als gemeinsame Eigenschaft, dass sie nicht beliebig vermehrbar sind – und dass das zukünftige Angebot begrenzt ist. Beide Anlageformen haben daher eine gewisse 'Werterhaltungsfunktion'. Obwohl sich der Bitcoin vom Hoch im April von fast 65‘000 $ zwischenzeitlich mehr als halbierte, konnte Gold nicht profitieren. Ursache dürfte sein, dass die Gold-ETF-Zuflüsse seit April bzw. im 2. Quartal nur marginal (40,7 Tonnen) gestiegen sind. Im 1. Halbjahr 2021 kam es sogar zu stärkeren Abflüssen von insgesamt gut 130 Tonnen", erläutert Stefan Breintner, Head of Research & Portfoliomanagement, Fondmanager en DJE Gold & Stabilitätsfonds und DJE Gold & Ressourcen.
Wie der Experte weiter ausführt, war bekannterweise 2020 die Investmentnachfrage und hier vor allem die mit Gold hinterlegten Indexfonds (ETFs) der Haupttreiber der Goldpreisentwicklung. Angesichts einer erwarteten Erholung des weltweiten Wirtschaftsgeschehens ziehen viele Investoren nun aber ihr Geld aus Gold-ETFs ab, da sie temporär bessere Chancen in anderen Sektoren sehen. Mit Blick auf das Inflationsgeschehen scheine auch der Goldpreis bereits eine gewisse zukünftige Normalisierung einzupreisen – und somit der Prognose der US-Notenbank zu folgen, welche den aktuellen Inflationsanstieg als nur vorübergehend ("temporarily") ansieht. In diesem Szenario und unter Annahme moderat steigender Zinsen für zehnjährige US-Staatsanleihen würden die zukünftigen Realzinsen "weniger negativ» rentieren. "Mögliche Folge: Gegenwind für Gold-ETF-Käufe. Auf der Nachfrageseite erfährt Gold zudem weiteren Gegenwind von der geringen physischen Nachfrage aus den wichtigsten Goldabnehmerländern Indien und China", so Breintner.
Belastend für Gold, aber auch für Industriemetalle bzw. Rohstoffe generell, sei zuletzt auch die Stärke des US-Dollars gewesen. Sollte die EZB zukünftig eine stärkere expansive Geldpolitik als die FED verfolgen, könnte der Gegenwind durch einen stärkeren Dollar anhalten. "Fazit Gold: Auch wenn ein gewisser Gold-Depotanteil langfristig als Krisenabsicherung sinnvoll erscheint, dürfte das kurzfristige Chance-Risiko-Verhältnis nur ausgeglichen sein. Ein Anstieg Richtung Höchststände erscheint kurzfristig unrealistisch", meint der Fondsmanager.
Deutlich besser als Gold haben sich 2021 Industriemetalle wie Kupfer und Nickel (+26% bzw. +17% in USD) oder zyklische Rohstoffe wie Eisenerz entwickelt. "Ist das der Beginn des nächsten Superzyklus – oder handelt es sich um einen kürzeren normalen Aufschwung", fragt Breintner. Der letzte Superzyklus im Rohstoffbereich begann vor gut 20 Jahren, ausgelöst durch die Industrialisierung und an Fahrt gewinnende Urbanisierung Chinas und endete 2011. Heute steht China für rund 50% der weltweiten Rohstoffnachfrage. Ohne eine hohe bzw. steigende Rohstoffnachfrage Chinas erscheine ein neuer Superzyklus in der Breite unrealistisch.
China hat 2020 zur Bewältigung der Corona-Pandemie stimuliert. Im laufenden Jahr wurden die Stimulierungsmassnahmen aber wieder zurückgefahren und zudem Massnahmen getroffen (Auflösung von Metallreserven, Einschränkungen bei spekulativen Terminkäufen), um die Preissteigerungen bei vielen Rohstoffen einzudämmen. Die jüngste Tendenz bei den Industriemetallen ist laut Breintner daher vor allem auf die Bremsmassnahmen Chinas zurückzuführen. Mittel- bis längerfristig wolle die chinesische Regierung das Land umbauen: weg vom auf (staatlichen) Infrastrukturinvestitionen basierenden Wachstumsmodell hin zu einer auf Service- und Konsumdienstleistungen basierenden Volkswirtschaft. Diese Politik sollte mit einer tendenziell niedrigeren Rohstoffnachfrage einhergehen – was damit auch gegen einen neuen breiten Superzyklus spreche, sagt der Experte.
Dennoch: Für einzelne Rohstoffe sei ein möglicher Superzyklus denkbar. An erster Stelle sei hier das bekannteste Industriemetall Kupfer zu nennen. Binnen der nächsten zehn Jahre werde die weltweite Kupfernachfrage vor allem durch die inzwischen global mehr und mehr in den Fokus rückende Energiewende und die Elektrifizierung des Strassenverkehrs zusätzlich begünstigt. Der Ausbau erneuerbarer Energien wie Wind oder Solar bzw. der Ausbau eines Ladenetztes für E-Autos gehe einher mit einem hohen Kupferbedarf. Hinzu komme der in Zukunft grosse Kupferbedarf von E-Autobatterien.
"Zusammen genommen sollten diese Bereiche bis 2030 zu einer zusätzlichen Kupfernachfrage von rund drei Millionen Tonnen pro Jahr führen", erwartet Breintner. Bereits in den letzten neun Jahren von 2011 bis 2020 stieg die weltweite Kupfernachfrage um ein Volumen von rund fünf Millionen Tonnen auf 25 Millionen Tonnen in 2020. Die Angebotsseite – hier vor allem die Minenproduktion in Höhe von ca. 20 Millionen Tonnen – konnte mit dieser Entwicklung kaum mithalten.
Mit Blick auf die vergangenen zehn Jahre war der Markt in fünf Jahren in einem Angebotsdefizit. Diese Situation dürfte – auch angesichts deutlich reduzierter Investitionen der Minengesellschaften in den vergangenen Jahren – in der kommenden Dekade bestehen bleiben. Das spricht für hohe Kupferpreise und damit gute Gewinne der führenden Kupferproduzenten. Kupfer sei darüber hinaus – im Gegensatz zu anderen Rohstoffen wie Öl, Holz oder Aluminium – praktisch nicht substituierbar, erklärt der Fondsmanager weiter. Kein anderes Material leitet Strom so gut wie Kupfer: Ohne Kupfer wird es weder die angestrebte Klimaneutralität, noch den gewünschten Erfolg von Elektrofahrzeugen (E-Auto enthält ca. die fünffache Menge an Kupfer wie ein Verbrenner) geben. "In Deutschland ist Aurubis ein weltweit führender Anbieter von NE-Metallen, speziell Kupfer. Auch für Lithium, welches für Batterien- und Stromspeicher essentiell ist, könnte sich ein Superzyklus einstellen", so Breintner.
Er erwartet, dass ein weltweit zunehmender Ressourcen-Nationalismus und ein immer schwieriger werdender Genehmigungsprozess für neue Minen auch in den kommenden Jahren verstärkt Druck auf die Angebotsseite ausüben sollten. ESG-Kriterien werden dabei für die Konzerne immer wichtiger. Wer hier nicht sehr gut positioniert sei, könnte es schwer haben, die Produktion (aufgrund fehlender Genehmigungen) auszuweiten bzw. konstant zu halten. Aus dem Nachhaltigkeitsblickwinkel betrachtet, sei beispielsweise der diversifizierte Minenkonzern Anglo American sehr gut aufgestellt. Anglo American hat sich zur Verbesserung seines Nachhaltigkeitsrankings jüngst auch endgültig von allen Aktivitäten im (Kraftwerks-)Kohlebereich getrennt und bietet unter den grossen diversifizierten Minenkonzernen das beste Wachstumsprofil im Kupferbereich.
Im Vergleich zum Vorjahr dürfte nach Einschätzung Breintners die weltweite Goldminenproduktion 2021 stärker wachsen. Insbesondere das 2. Quartal 2020 sei stark von temporären Minenschliessungen geprägt gewesen, so dass hier die Vergleichsbasis besonders niedrig sei. Prognosen hinsichtlich eines Anstiegs in 2021 auf bis zu 3700 Tonnen erscheinen aber zu optimistisch. Mittel- bis längerfristig dürfte das Goldangebot aus Minenproduktion vor allem aufgrund des abnehmenden Goldgehalts im Gestein und aufgrund der geringen Goldneufunde in den letzten Jahren strukturell fallen.
Auch für die Goldminenkonzerne werden ESG-Kriterien immer wichtiger. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte ist laut Breintner der weltweit führende Goldkonzern Newmont Mining gut positioniert. Newmont ist im Rohstoffsektor eine der Aktien mit dem besten ESG-Rating und hat zudem eine Pipeline, die eine stabile Produktion bei gleichzeitig fallenden Gesamtkosten ermöglichen sollte.
Im Trend fallende Kosten dürften im Sektor aber eher die Ausnahme sein, meint der Fondsmanager. Aufgrund steigender Preise für Energie wie Strom, Benzin und vor allem Diesel, Stahl, Mining-Equipment und nachgelagert wohl auch steigender Löhne, sei im Edelmetall- und Rohstoffsektor mit steigenden Kosten zu rechnen. Newmont mit seinem fallenden Gesamtkostenprofil, welches vor allem auf die Projektpipeline zurückzuführen sei, dürfte die Ausnahme darstellen. Bei den meisten Konzernen sei mit einer im Vergleich zu den Vorjahren stärkeren Steigerung der Produktionskosten zu rechnen. Generell entwickelten sich aber wiederum die Rohstoffpreise in Zeiten höherer Inflation meist überdurchschnittlich: Nach jüngsten Berechnungen der Bank of America lag die Korrelation zwischen der Entwicklung der Inflation und der Rohstoffpreise von 1950 bis 2020 bei rund 70%.
"Steigende Produktionskosten und Schwierigkeiten, neue Projekte genehmigt zu bekommen bzw. in Betrieb zu nehmen, dürften das Thema Edelmetall- und Rohstoffrecycling in den kommenden Jahren noch wichtiger werden lassen, erwartet Breintner. Mittel- bis längerfristig sollte das Recyclinggeschäft einen zusätzlichen Wachstumsimpuls bekommen, vor allem durch das dann notwendige Recyclen von E-Auto-Batterien.
Komplexe Metallschrotte wiederzuverwerten und zu verarbeiten bzw. E-Autobatterien zu recyclen sei allerdings ein technologisch hochkomplexer Vorgang, der zudem sehr kapitalintensiv sei – die Einstiegsbarrieren in dieses Geschäft seien folglich sehr hoch. "Mit Umicore aus Belgien und Aurubis aus Deutschland haben beim Thema Recycling komplexer Metall- bzw. Elektronikschrotte zwei europäische Unternehmen eine führende Position. Zudem können Recycling-Unternehmen bei ESG-Kriterien punkten: Sie gehören zu den best-bewerteten Unternehmen bei Rating-Agenturen", sagt Breintner.